Die Marken
Über den geeigneten Tag zur Hochzeit herrscht in den Marken große Meinungsverschiedenheit. Allerdings behauptet an den meisten Orten der Dienstag sein Vorrecht, die Brautleute glücklich zu machen, doch hat auch der Donnerstag seine Anhänger, möge man in Mellin immerhin sagen: "Wenn man Donnerstags freit, so donnert's in der Ehe." Handelt es sich um Wiederverheiratung von Witwern und Witwen, so wird gern der Mittwoch gewählt, und in Gegenden, wo der slawische Brauch sich noch erkennen lässt, gibt man sogar dem Freitag den Vorzug. In Stendal hält man Dienstag und Freitag für gleich gut, nur muss man darauf sehen, dass die Heirat beim Vollmond geschehe, damit man nachher "Alles im Vollen habe". In Berlin dürfen nicht zwei Schwestern an einem Tage getraut werden, weil sonst im Laufe des Jahres eine stirbt.
Im Calbeschen Werder, wo der Dienstag auch der Trauungstag ist, schickt der Bräutigam am Montage einen sechsspännigen Wagen, auf welchem am Dienstag Morgen die Braut einen Stuhl einnimmt. An einer Seite von ihr sitzt die "Bräutigamsjungfer", eine nahe Verwandte des Verlobten, auf der andern die Brautjungfer mit den beim Kirchzuge nötigen Lichtern. Auch junge Bursche und die Musikanten besteigen diesen Wagen. Auf dem zweiten, der nur vierspännig ist, sitzen die Verwandten der Braut; diesem folgen der Bettwagen, noch einige Wagen mit Gästen und zuletzt ein Zweispänner mit den Eltern der Braut. Äpfel, Nüsse, Kringeln werden ausgeworfen. Sperren in den Dörfern die jungen Leute durch eine Schnur den Weg, so sagen sie:
Wir tun es der Jungfer Braut zu Ehren;
Woll'n einmal sehen, ob sie uns ein Biergeld wird bescheren!
Ist der Wagenzug an der Grenze von des Bräutigams Feldmark angelangt, so fragt der Fuhrmann des letzten Wagens die Braut:
Ich frage die Jungfer Braut,
Wer sie gefahren hat?
In N. N. (Dorf der Braut) stäubt der Sand,
In N. N. (Dorf des Bräutigams) ist gutes Weizenland.
Die Braut antwortet:
Mit Gott und gute Leut'
Fahr' ich dahin bereit
Mit sechs Pferd' und Wagen,
und "mit sechs Pferd' und Wagen" fährt sie genau um Mittag in den Hof des Bräutigams ein, welcher sie, wenn sie sich über die Wagenleiter herabschwingt, ohne zu fallen in seinen Armen auffangen muss.
Nun wird der Brautschmuck angelegt, der Kranz mit den vielen herabhängenden seidenen Bändern, von denen vier bis auf die Erde reichen müssen. An der Brust hat sie den Rosmarinstrauß, in der Tasche einen alten Gulden und, damit ihr der Böse Nichts anhaben könne, Dill und Salz, in den Schuhen liegen Haare von allen Vieharten des Hofes, denn sonst würde das Vieh nicht gedeihen. Der Bräutigam hat an Brust und Hut ebenfalls Rosmarin und in den Schuhen Körner von allen Getreidearten, die gebaut werden, unumgängliche Vorsichtsmaßregeln, um immer reichliche Ernten zu haben. So ziehen sie, der Braut voran die Musikanten und Braut- und Bräutigamsjungfern mit brennenden Lichtern, die entweder auf einem mit Buchsbaum umwundenen Gestell oder auf jungen Tannen angebracht sind. Zwei "Trauführer" oder "Trauleiher" aus den nächsten Verwandten, am Rock seidene Tücher, die Gabe der Jungfern, geleiten die Braut, zwei andere den Bräutigam. Mit Ausnahme der jungen Männer folgen die übrigen Gäste, jeder an der Brust den Rosmarinstengel, für den er die Braut- und Bräutigamsjungfern bezahlte. An der Kirche bleiben auch die jungen Mädchen nebst den Musikanten zurück, und holen nun erst die jungen Männer vom Hofe nach.
Bei der Trauung sucht die Braut dem Bräutigam auf den Fuss zu treten, was künftige Schläge von der Hand des Ehemannes verhüten soll. Gibt es unter den Anwesenden Neider des Bräutigams, so wird das verhängnisvolle Erbschloss während des Segens dreimal auf- und zugeschlossen. Zurück in's Hochzeitshaus geht es mit gewechselten Führern, auch hat der Bräutigam jetzt den Vortritt. Nach der Mahlzeit tanzt die Braut dem Verwandtschaftsgrade nach mit sämtlichen Männern, erst zuletzt mit dem Bräutigam. Darauf wird zwischen den Brautleuten an einem bestimmten Platz im Freien ein Wettlauf angestellt. Zwei rüstige junge Männer nehmen die Braut zwischen sich, der Bräutigam gibt ihr einen Vorsprung, und der Brautlauf beginnt. Wird die Braut von ihrem Verfolger nicht eingeholt, so darf er für Spott nicht sorgen; der Braut aber wird in jedem Falle von zwei oder mehr jungen Frauen, welche sie am Ende der Bahn erwarten, der Kranz abgenommen und die Mütze aufgesetzt. In's Hochzeitshaus wiedergekehrt, schleicht das Brautpaar sich in seine Kammer, und kurze Zeit nachher begibt die ganze Gesellschaft sich mit Musik ebenfalls dahin, um es in Augenschein zu nehmen. Liegt der Bräutigam vorn, so legt man ihn an die Wand, und damit hat der erste Tag glücklich ein Ende.
Am zweiten, dessen Morgen in ruhigem Umherschlendern vergeht, findet nach Tische zuerst der Kampf um das alte Spinnrad statt. Es ist dieses, an welchem noch einige "Knoten" Flachs, sowie eine zweite Spule hängen, mit Buchsbaum geschmückt, von der Brautjungfer in einem der entfernteren Häuser des Dorfes zum Aufbewahren gegeben worden, und hierhin zieht nun die ganze Gesellschaft, um zu sehen, wie den Burschen die Aufgabe, das alte Spinnrad unversehrt in's Hochzeitshaus zu schaffen, zu lösen glücken wird. Die Brautjungfer nimmt das alte Spinnrad, die Burschen schließen tanzend einen Kreis um sie, und so zieht man zum Hochzeitshaus zurück, während die verheirateten Männer den Kreis zu durchbrechen und sich des Spinnrades zu bemächtigen suchen. Je näher man dem Ziele kommt, je ungestümer dringen sie an, je fester aber schließen auch die Burschen den Kreis, und oft gibt es von beiden Seiten derbe Schläge. Die Ehemänner betrachten es als eine Schande, wenn das Rad heil und sicher in's Hochzeitshaus gelangt und geraten sie folglich darüber, so eignet sich Jeder das größte Stück davon an, dessen er habhaft zu werden vermag.
Inzwischen hat die Mutter der jungen Frau das gleichfalls mit Buchsbaum umwundene neue Braut-
rad bereits auf den Tisch gestellt. Das junge Ehepaar nimmt Platz an diesem und erwartet den Brauthahn, oder "sitzt Brauthahn", wie die gang und gäbe Redensart lautet. Die Brautjungfer, bisweilen von einem jungen Burschen unterstützt, tritt mit dem neuen Spinnrad zum Bräutigam und spricht:
Ich bringe der Braut ein Rädelein,
Das ist von Holz und nicht von Lederlein,
Nicht von Eisen und nicht von Stahl.
Das wird der Braut sehr gut gefallen.
Eher soll die Braut nicht beim Bräutigam schlafen,
Ehe sie den Flachs nicht abgesponnen hat;
Eher soll der Bräutigam nicht bei der Braut schlafen,
Ehe er das Garn nicht abgehaspelt hat.
Eher soll der Bräutigam die Braut nicht schlagen,
Ehe das Rädlein keine Rosen trägt;
Das Rädlein wird nimmer Rosen tragen,
Also darf der Bräutigam die Braut nicht schlagen!
Hand d'rauf gegeben
Dem Brautmädchen!
Nachdem die Brautjungfer in dieser Weise die Unantastbarkeit der jungen Frau gesichert hat, schenkt man dem neuen Paar zur Hochzeit Geld, dann tanzt man, tanzt auch am dritten Tag, isst, trinkt und nimmt Abschied, indem man dem Brautvater noch eine kleine Gabe in die Hand drückt.
In Fahrland bei Potsdam überreicht der Brautdiener einen mit bunten Bändern umwundenen Strauss von Küchenkräutern und eine Schüssel mit Wasser, in welchem Petersilie liegt. Die Braut muss sich die Hände waschen und einen Taler in's Wasser "schießen", später erhält sie vom Brautdiener einen halben Taler zurück.
An der Fastnacht wird an vielen Orten ein "Schimmelreiter" fabriziert, indem man einem Knechte ein Sieb vorn und eins auf den Rücken bindet, über beide ein weißes Leintuch breitet und vorn einen Pferdekopf befestigt. Dieser Kentaur von märkischer Mache nun erscheint gern auf Hochzeiten, in der Altmark z. B. am Donnerstage, welcher dort der erste Tag ist. Der Reiter trägt einen Mantel aus einem roten Weiberrock und einen großen breitkrempigen Hut, welcher in der Volkssprache als "Puust de Lamp' uut" figuriert. Der Reiter macht drollige Kapriolen, ein Stallknecht folgt ihm mit Korb und Besen, für den Fall, dass dem Tiere etwas Menschliches begegnete, was natürlich nur Voraussetzung bleibt. Weiter ist ein Schmied da, welcher nachsehen will, ob die Eisen in guter Ordnung sind; der Schimmel aber schlägt aus - er will sich nicht untersuchen lassen. Ein Bär in "Erbsenstroh an einer großen Erbsenkette" ist gewöhnlich auch von der Partie, und zwar nicht bloß wenn der Schimmelreiter kommt, sondern auch wenn als Frauen verkleidete Männer erscheinen, was z. B. in der Grafschaft Ruppin, wo sie "die Feien" heißen, während des Zuges zur Kirche geschieht. Sie versuchen, durch allerhand Possen die Gesellschaft aus der angemessenen feierlichen Stimmung herauszubringen; in Warthe bei Templin kamen sie ehedem als "de maschkers" um Mitternacht des ersten Hochzeitstages, und die Braut musste mit ihnen tanzen. In Goltze bei Neustadt E. W. verschönern sie in unbestimmter Zahl den zweiten Hochzeitstag.
Was gar nicht gestattet wird, das ist ein zeitweiliges Zurückziehen: man soll auf der Hochzeit nicht müde werden. Widerfährt es einem weniger robusten Gast, so wird er in der Prignitz bei Lenzen an seinem Ruheort augenblicklich ausgespäht, ohne Barmherzigkeit genötigt, einen Sattel zu besteigen, der auf einen Baumstamm geschnallt ist, und auf den Schultern zweier Mitgäste rittlings zur Gesellschaft zurückgetragen.
Anfang des vorigen Jahrhunderts war es in der Gegend von Jüterbogk Sitte, dass entweder vor dem Hause oder auf einem nahen Hügel ein altes Wagenrad in Brand gesetzt wurde und die Hochzeitsgesellschaft um dasselbe herumtanzte. Zu Jüterbogk selbst in der Vorstadt Neumarkt tanzte man auf dem dort gelegenen Tanzberge, wobei die Musik in der Mitte aufgestellt war. Dasselbe geschah auf den gleichnamigen Bergen bei Fröden und Baruth. Weit und breit aber herrschte in der Mark der Gebrauch, dass die jungen Männer am zweiten Tage einen Wettlauf anstellten. Der Sieger erhielt von der Braut und den Brautjungfern drei große "Brautstollen" und durfte mit ihnen tanzen, nur musste das, wenn es auch mitten im Winter war, mit bloßen Füssen geschehen. Höchst komisch war vor Alters in
der Stadt Gardelegen die Zeremonie in der Hochzeitskammer. Der Bräutigam musste sich in das Bett legen, der Brautvater oder Der, welcher seine Stelle vertrat, führte die Braut "zur rechten Hand des Bettes", legte sie hinein und sprach: "Ich befehle Euch meine Tochter, dass Ihr bei ihr tut, wie Gott bei Eurer Seele." Der Bräutigam "umbfassete" sie, dann richteten sie sich auf und tranken "ein Paar Mal", und darauf verließ der Bräutigam an der linken Seite das Bett ",ging herüm" zur rechten und hieb die Braut heraus mit den Worten: "Och kum her, du ausserwehltes Minschenkind!" Das "Minschenkind" setzte sich nun mit seinem Liebsten "an die Tische, die in der Kammer gedeckt waren, die Freunde von beiden Seiten setzten sich herzu und waren fröhlich."
Dill oder Dille steht allgemein in großen Ehren. "Wen de Bruet no de Tru jeit, dennoesten schtreut se sich vörhea Dil und Krüezkümmel in de Schtrümp, den kan se kena beheksen," heißt es in Röpersdorf bei Prenzlau, und eine Handschrift lehrt: "Wenn du zur Trauung gehst, nimm ein paar Brotkrümchen vom Tisch und Salz und Dille, wickele Alles in ein Bündlein und stecke es zu dir, so kann dir kein Mensch etwas anheften (anhexen)." Zu Alt-Reetz im Oderbruch versieht die Braut sich mit Dille und Senf, und sagt während der Ansprache des Predigers folgende Formel her, welche ihr das Regiment sichert: Ich habe Senf und Dille; Mann, wenn ich rede, schweigst du stille!
In Rauen bei Fürstenwalde streuen sich nicht bloß die Brautleute Dille und Salz in die Schuhe, um sich vor dem Verhexen zu schützen, auch die Mutter der Braut tut es und spricht dabei: Dille, lass nicht Wille, Salz, lass nicht nach.
Was in Rauen auffällt, ist der Feuerbrand, welcher auf die Schwelle geworfen wird, bevor das Brautpaar sich zum Kirchgang anschickt. Es muss darüber hinwegschreiten, vor dem Altar sich dicht aneinanderdrängen, darf nach der Rückkehr aus der Kirche das Haus nicht mehr verlassen. Gegessen wird bei der Hochzeit nur Brot mit Butter und Schmalz; die übrigen Speisen werden verteilt und den Gästen nach Hause geschickt. Die Brautleute lassen nach der Trauung einen Teller herumgehen ",auf dem sie eine Verehrung erhalten." Am Polterabend ist alles alte Töpfergeschirr, welches aufzubringen war, vor die Türe der Braut geworfen worden, denn "je mehr Scherben, je mehr Glück."
Anderer Aberglaube findet sich auch noch. Liebes- und Eheleute "werden einander gram", wenn sie von einem Teller essen oder aus einem Glas trinken. In Fahrland dürfen sie nicht von einem Stück Brot abbeißen. In der Altmark müssen die Brautleute vor dem Kirchgang von einer aus allem Viehfutter bereiteten Suppe essen ",denn sonst gedeiht das Vieh nicht." Die Braut steckt sich im Havelland ein Zweigroschenstück unter die Hacke, versteht sich, abermals wider das Behexen; in Rauen lässt sie sich vor der Trauung vom Bräutigam einen Groschen geben, tut diesen in den rechten Schuh und ist nun sicher, dass der Mann kein Geld für sich behalten kann, sondern alles der Frau gibt. Ebendort steckt sie sich ein entzweigebrochenes Rüthchen von einem Besen in den Handschuh, weil sie dann keine Schläge vom Manne zu befürchten hat. Um die Herrschaft im Hause zu erlangen, geht sie, wenn die Trauung vorüber ist, gern an der Seite vom Altar am "Bruetman" (Brautmann) vorbei; lässt er das nicht zu und sie muss hinter ihm vorbei, so kommt sie unter das männliche Regiment.
Das Bier spielt ebenfalls hier und da eine besondere Rolle. In Wassensdorf am Drömling trinkt der "Brautvater" der Braut, sobald sie vom Wagen herunter gehoben worden ist, Bier in einem Glase zu; sie kostet davon und gießt es dann über ihren Kopf weg. Im Havelland, z. B. in Liepe, bekommen Pastor und Küster jeder ein Glas Bier, ein Licht und einen Rosmarinstengel, diesen umwunden mit einem Faden roter Florettseide, die "Brautseide", wie man sie nennt, weil die Braut einen Faden davon um den Hals trägt. In der Gegend von Mülrose reicht auf Hochzeiten der Tänzer seiner Tänzerin einen Krug Bier und empfängt als Gegenartigkeit einen Apfel.
Den thüringischen Brauch, zu Ostern die während des verflossenen Jahres verheiratete Frau um den "Brautball" zu bitten, finden wir in der Mark wieder, indem das Osterfest gern mit Ballschlagen gefeiert wird. In Tangermünde geschieht es am dritten Ostertage, in Arendsen von den Schulknaben, in einigen Dörfern bei Salzwedel von dem gesamten jungen Volke und zwar am Ostertage oder Sonntag Judica. Der Bittgesang lautet:
Hie sind wi Jungfern alle,
Wi sing'n een Brutballe!
Will uns de Brut den Ball nich gewen,
So willn wi er den Mann ok nehmen!
Eier Mann, Eier ja,
N. N. mit sine junge Brut,
Schmiett' uns den Brutball hrut,
So grot as een Zipoll (Zwiebel),
Den solln ji woll behollen (behalten).
Hierauf wird nach der Melodie des Dessauer Marsches das Lied "Wer nur den lieben Gott lässt walten" angestimmt, die junge Frau wirft den "Brautball" über das Dach des Torweges, der junge Mann gibt einen Gulden oder einen Taler und die befriedigte Jugend singt dankbar:
Se hebben uns eene Verehrung gegewen,
De lewe Gott lath se in Freeden leewen!
Dat Glück wahr (währe) Jahr ut-un-d-ut,
Dat Unglück fahr tom Gäwel (zum Giebel) herut.