Die Altenburger
In dem östlichen Teile des jetzigen Herzogtums Sachsen-Altenburg, in den Amtsbezirken von Altenburg und Ronneburg, wohnen gegen vierzig bis fünfzig Tausend Landleute, welche unter dem Namen "Altenburger Bauern" bekannt sind und sich durch ihre eigentümliche Tracht und Lebensweise von allen ihren Nachbarn auffallend unterscheiden. Auch heiraten sie am liebsten unter sich, und wenn es gleich bisweilen vorkommt, dass Mädchen oder Witwen sich mit einem Städter verehelichen, so wird es doch kaum Fälle geben, dass ein altenburger Bauerssohn sich seine Braut aus einer Stadt oder einem Dorfe holt, wo nicht die altenburgische Tracht herrscht. Selbst die seit Jahrhunderten bestehende Einteilung der altenburger Bauern in drei Klassen spielt eine entscheidende Rolle bei den ehelichen Verbindungen.
Während nämlich die" Gärtner" oder Bauern und die "Anspanner", welche Grund und Boden genug besitzen, um mindestens zwei Pferde halten zu können, die Aristokratie der Bauernschaft ausmachen, werden die "Hand-" oder "Kühbauern", welche ihre Wirtschaft mit Kühen bestellen, aber oftmals ebenso reich sind, wie die Anspanner, bloß zur zweiten Klasse gerechnet, und die "Häusler" oder "Nachbarn" und die "Einwohner", welche meist nur ein Haus mit einem Gärtchen besitzen, oder zur Miete wohnen, ein Handwerk treiben oder als Tagelöhner arbeiten und gleich den ärmeren Handbauern ihre Kinder vermieten, bilden die dritte Klasse. Sie werden gewöhnlich "die Kleinen" genannt zum Unterschiede von den großen Bauern, die man je nach der Zahl ihrer Pferde als "Zwei-, Drei-, Vier-" oder "Fünfspänner" bezeichnet, und äußerst selten wird es der Tochter eines Häuslers oder Einwohners gelingen, in ein Bauerngut zu kommen. Man sieht es geradezu als eine Missheirat an, die ganze "Freundschaft" oder Verwandtschaft setzt sich dagegen, und wenn die Verbindung dessen ungeachtet vollzogen wird, dauert es lange, ehe der Eindringling völlig als ebenbürtig behandelt wird. Weniger spröde ist man gegen die zweite Klasse, und mancher Bauernsohn sucht mit dem Geld der Kuhbauerntochter sein Anspanngut schuldenfrei zu machen. Auch die Bauerntöchter nehmen wohl, wenn sie keine sonderlichen Aussichten auf eine Standesheirat haben, die Bewerbung eines Mannes aus der zweiten und dritten Klasse an, aber wollte ein solcher in ein Anspanngut heiraten, so müsste er sich der besonderen Gunst des Himmels zu erfreuen haben und noch überdies durch Geld und Verwandtschaft unterstützt werden. Für gewöhnlich gilt als Regel: Jedes bleibe in seiner Klasse, wobei jedoch wiederum die Rücksichten auf eine geachtete Familie und die Vermehrung des Besitzes höher stehen, als Neigung und Liebe. Schönheit wird zwar als Zugabe gern angenommen, ist aber ohne Einfluss auf die Wahl.
Hat nun ein heiratsfähiger Sohn, durch persönliche Bekanntschaft oder durch Vorschlag und Empfehlung Anderer bewogen, sein Augenmerk auf ein Mädchen gerichtet, so wird durch Mittelspersonen bei den Eltern oder Vormündern der Auserkorenen angefragt. Fällt die Antwort verneinend aus, so nimmt
man den Korb, wenn er nicht mit kränkenden Äußerungen gegeben wird, ohne feindselig zu werden, hin. Wird aber die Bewerbung günstig aufgenommen, so erfolgt die "Bauschau", indem bei einem Schmause die ganze Lage des Freiers geprüft wird; dieser begleitet die Braut nach Hause und lässt, sobald er die Zusicherung erhalten, die goldenen Ringe zum Verlobungsfeste machen, welches bei der Braut gefeiert wird.
Die früher dabei üblichen Förmlichkeiten, Reden des Pfarrers oder Schullehrers, und feierlichen Erklärungen des Brautpaares und der Eltern nebst geistlichen Gesängen sind allmählich abgekommen. Auch pflegt der Vater der Braut nicht mehr seinem zukünftigen Eidam entgegenzugehen, um ihn zuerst in die, Pferdeställe zu führen, weil die Bräute nicht länger Pferde statt des Geldes als Mitgift erhalten, und die ehemals öffentlichen Verhandlungen über Mitgabe, Hochzeit u. dergl. werden jetzt im Stillen abgemacht.
Nur der Hochzeitbitter hält zuweilen noch eine Rede, und wird, wenn die Hochzeit groß werden soll, schon Wochen vorher ausgesandt, um alle Gäste dazu einzuladen. Denn wenn der Verlobungsschmaus nicht erweitert oder der Ein- und Auszug der Brautleute besonders festlich begangen werden soll, zählt man beim Hochzeitsmahl nicht selten zwölf bis sechzehn Tische mit zwölf oder vierzehn Personen an jedem.
Da das Amt des Hochzeitbitters nicht bloß darin besteht, gute Beine zu haben und gewandt zu sprechen, sondern auch bei der Hochzeit Tische und Sitze, oder was sonst dazu gehört, herbei- und hinwegzuschaffen, alle zum Schmause nötigen Brote, Kuchen und Braten in den heißen Backofen zu schieben und wieder herauszunehmen, auch noch Vielerlei bei Tische und auf dem Tanzsaal zu besorgen und seine Gehilfen zu unterweisen und zu beaufsichtigen, so erfordert es eine sehr kräftige Gesundheit, große Übung und natürliche Begabung, und geht daher nicht selten vom erfahrenen Vater auf den Sohn über. Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts hatte der Hochzeitbitter eine ganz eigentümliche Kleidung. Jetzt erscheint er meist in seinen Festtagskleidern, nur hat er vorn auf der Brust in der schwarzen Kappe ein feines rotes oder blaues zusammengelegtes Tuch stecken, auf dem Hute zwei grüne mit Silberlahn durchflochtene Kränze, die in der Mitte durch einen aus Gold- und Silberlahn und grünen Wachsblättern gefertigten Strauss getrennt werden, an welchem die auf den Rücken herabhängenden Bänder von weißer, roter und grüner Farbe befestigt sind, und in der Hand einen weißen oder braunen Stab, an welchem früher eine große bunte Quaste hing.
Freundlich empfangen und bewirtet, schließt der Bitter bei jeder einzuladenden Familie seine oft lange, von einem Sachverständigen abgefasste Rede und seinen Auftrag von "dem wohlachtbaren und namhaften N. N. und von dessen ehrbarem und tugendsamem N. N." mit den Worten: "Ich bitte, dass Sie mich wollen einen guten Boten sein lassen."
Die nicht zu entfernten Bauersfrauen schicken nun reichliche Beiträge von Esswaren aus der Milchwirtschaft und dem Hühnerhof, und helfen auch bei dem Kuchenbacken und andern Vorarbeiten.
Am Dienstag oder Donnerstag, den gewöhnlichen Trauungstagen, versammeln sich die eingeladenen Gäste von nah und fern im Haus des Bräutigams, wo sie mit Kuchen, Bier und Branntwein bewirtet werden, ehe der "Auszug" nach dem Haus der Braut erfolgt. Ist diese in demselben Dorfe, geht der Zug, mit Musik an der Spitze, paarweise zu Fuß hin; wohnt sie aber in einem andern Dorfe, so fährt und reitet man. Bei reichen Bauern sitzen bisweilen vierzig bis fünfzig Frauen und Mädchen auf Wagen, während die Männer, oft fünfzig bis sechzig Köpfe stark, reiten.
Voran fahren oder reiten sechs bis acht Musikanten mit Blasinstrumenten; ihnen folgen die nächsten Verwandten des Bräutigams unter der Anführung des Hochzeitbitters; dann kommt der Bräutigam selbst zwischen seinen beiden Beiständen, welche ebenfalls Verwandte, am liebsten Brüder des Bräutigams sein müssen, und den Schluss bilden die übrigen Hochzeitgäste, Paar und Paar, zu Wagen oder zu Rosse.
Die Pferde sind alle an der Stirn, zwischen den Ohren und in den Mähnen mit bunten Bändern geschmückt, am Schweif mit einem Strauss von Buchsbaum oder Blumen herausgeputzt und sämtlich mit
weißem, rotem, gelbem oder schwarzem Riemenzeuge aufgeschirrt, das oft sehr schön gearbeitet und mit vergoldeten oder versilberten Buckeln und Schnallen verziert ist.
Die Gäste sind selbstverständlich in ihrem schönsten Schmucke, alle mit Blumensträußen versehen, und die "Hormtjungfern", deren es oft zwanzig bis dreißig gibt, mit dem kostbaren Hormt auf dem Kopfe. So heißt nämlich eine Art Mütze, welche die altenburger Jungfrauen von Alters her bei Hochzeiten und Gevatterschaften tragen. Sie hat die Gestalt einer runden Schachtel ohne Boden, ist in- und auswendig mit rotem Damast oder Samt überzogen und wird von dreizehn silbernen Tafeln umgeben, auf deren jeder drei Reihen erhabener Silberknöpfe stehen. Rundherum hängen nun an Henkeln silberne, stark vergoldete Schildchen, fast von der Größe und Gestalt kleiner Kirschblätter, die fortwährend klimpern und im Sonnenschein blendend glänzen. Hinten am Hormt befestigt hängen zwei mit rotem oder grünem Samtband umwundene Zöpfe aus Werg, die nach dem Vorderkopf zu halbkreisförmig über das Hormt gebogen werden, und zwischen ihnen sitzt auf dem Hormt ein Kränzchen von Silberlahn, bunten Glasperlen und Seide, die bei Hochzeiten von grüner, bei Taufen von roter Farbe sein muss. Zuweilen sind am Hinterteil des Hormtes noch Zweige von künstlichen Blumen angebracht, und an der Stelle, wo die beiden Zöpfe hinten zusammenstoßen, befindet sich eine Schleife aus rotseidenem Bande, und darunter eine zweite, an welcher die lang herunterhängenden bunten Bänder befestigt werden, die meist karminrot, bei der Braut aber grün sind.
Zu diesem Hormtschmuck wurde ehemals ein besonderer Festanzug und ein schwarzer Mantel getragen, der bei keiner feierlichen Gelegenheit fehlen durfte. Jetzt hat man aber den Mantel mit seinem roten Futter abgelegt, die weiße Schürze durch eine bunte ersetzt, die schwarzen Strümpfe mit weißen vertauscht und bloß den bekannten kurzen Rock mit seinen vielen Fältchen beibehalten, dessen Stoff" und Farbe gleich der des Mieders und der Jacke von dem Geschmack und Wohlstand der Trägerin abhängt. Auch die Gewohnheit, von dem Hochzeitszuge einige Reiter vorauszuschicken, um im Dorfe anfragen zu lassen, ob es ehrlichen Leuten erlaubt sei, einzusprechen, ihre Geschäfte zu verrichten und sich mit Speis' und Trank zu erquicken, worauf erst der Zug nachfolgte, ist abgekommen. Ebenso ist das für Ross und Reiter gefährliche Schießen mit Pistolen eingestellt worden, und statt des früher üblichen Goldauswerfens von Seiten des Bräutigams oder Brautdieners wird meistens ein Geschenk an die Schule, namentlich für die Sänger bei der "Brautmesse", wie die Trauung im Altenburgischen gewöhnlich heißt, gegeben. Dagegen ist die Sitte noch unverändert geblieben, dass man dem Zug in allen Dörfern, durch welche er kommt, unentgeltlich Bier und Branntwein reicht, und der Bräutigam nur, wenn unterwegs vor einem Gasthof angehalten wird, das Genossene zu bezahlen braucht.
Im Brauthaus angelangt, wird der Zug nach der Bewillkommnung und einem kurzen kalten Frühstück sogleich vom Hochzeitbitter aufgefordert, sich in die Kirche zu begeben, wobei er sonst eine höchst salbungsvolle Rede halten musste.
Sobald das Läuten mit der großen Glocke vorüber ist, wird mit Blas- und Saiteninstrumenten bis an die Tür der Kirche musiziert, wo schon die Orgel ertönt.
Den Musikanten, welche vormals rote Wämser trugen, folgt der Brautführer, meist ein naher Verwandter der Braut, dann diese selbst im Hormt und festlich geschmückt, ehemals vom Pfarrer begleitet, der ein geschenktes Tuch und einen Rosmarinstengel in der Hand trug. Hinter ihr schreitet die sogenannte "Brautmutter", gewöhnlich eine nahe Verwandte, welche der Braut stets zur Seite stehen muss und früher Kuchen unter die Zuschauer warf, was jedoch nicht mehr geschieht. Dann kommen die"Hormt-" oder Brautjungfern im schönsten Staat, und zuletzt die übrigen Mädchen und Frauen, welche den Schluss des ersten Zuges bilden.
Dem zweiten Zuge geht wiederum Musik voran; ihr folgt der Bräutigam mit dem Brautdiener und dem Beistand, und dann paarweise die übrigen Männer. Nur die Eltern der Braut gehen nicht mit in die Kirche, um im Hochzeitshaus noch die nötigen Anordnungen zu treffen.
Die Braut pflegt ein weißes Tuch vor die Augen zu halten, als ob sie weinte, und wird in der Kirche vom Brautführer bis zu ihrem Stuhl geleitet, in den sie sich mit der Brautmutter setzt, worauf sich der Brautführer zu den übrigen Männern begibt. Der Bräutigam hat einen Strauss von künstlichen Blumen, einen Rautenkranz und noch ein anderes kleines Kränzchen auf dem Hut; der Beistand und der Brautführer haben jeder bloß einen Strauss, der Brautdiener aber hat nicht nur einen Strauss und kleinen bunten Kranz, sondern auch noch einen, den ihm die Braut besonders verehrt.
Nach dem Gesang mit Orgelbegleitung tritt der Bräutigam an den Altar, der Brautdiener holt die Braut von ihrem Sitze zur Trauung, und führt sie, wenn der Act vorüber und das neuvermählte Paar um den Altar herumgegangen ist, zu ihrem Stuhl zurück. Bei der Trauung treten Beide möglichst nah zusammen, damit nicht der böse Geist der Zwietracht sich zwischen sie drängen könne. Als Mahlschatz wechselt man jetzt Ringe statt der früher üblichen alten Henkeltaler, die an einem grünen Bande hingen, und bei den Gesängen ist es hergebracht, dass das Brautpaar weder mitsingt, noch die Lieder nachliest, und die Braut sich auf das Gesicht niederlegt, was nicht selten zum Entschlummern geführt haben soll.
Bei dem Heimzug, der dem Hinzug gleicht, warfen sonst der Brautdiener und der Bräutigam kleine Geldstücke unter die gaffende Jugend, und an manchen Orten geschieht es noch jetzt.
Ist das Brautpaar zurück, empfängt es die Glückwünsche aller Anwesenden, was früher meist bei Tische stattfand, und eilt dann, nachdem Kuchen und Kaffee herumgereicht worden, auf den Tanzboden.
Bei der großen Mahlzeit sind die Hauptplätze an der Tafel für die jungen Eheleute, die Paten, den Brautdiener, die Brautmutter, den Geistlichen und die nächsten Verwandten bestimmt. Die Eltern des Paares setzen sich selten mit hin, und die Geschwister nur dann, wenn sie Ehrenämter bekleiden.
Der Hochzeitbitter oder der Schulmeister verrichtet das Tischgebet; der Ausschenktisch ist dem Kellner, die Kuchenkammer dem Hochzeitbitter, die Küche einer bewährten Köchin und ihrer Gehilfin, der Schüsselwäscherin, das leinene Tischzeug der Bettmagd und die Musik dem Brautdiener anvertraut, und das Nötigen, Redehalten und Spaßmachen liegt dem Hochzeitbitter ob.
Die Ordnung der Speisen ist im Allgemeinen dieselbe geblieben: dem Voressen, welches Hühner, Rindfleisch und Schweinskeulen mit verschiedenen Brühen und Gemüsen oder Enten mit Meerrettich bilden, folgt der Karpfen und dann Braten, der aus Gänse- und fettem Schweinebraten oder aus Kalbskeulen und Schinken besteht, und zu welchem vier bis sechs Salate in kleinen Näpfchen hingesetzt worden; doch haben die Dorfköchinnen von ihren städtischen Kolleginnen mehr und mehr gelernt, die Gerichte mannigfaltiger zu bereiten.
Auf den Braten wurde sonst noch eine Bratwurst zum Verteilen gelegt, und vor der Butter, die man gern in hübschen Formen, als Häschen oder dergl. mit allerlei Verzierungen auf den Tisch setzt und mit Käse isst, eine Schüssel mit Blutwurst aufgetragen. Beides ist jetzt abgekommen, und auch die töpfernen Schüsseln und hölzernen Teller, welche vordem für die ganze Mahlzeit dienten, sind selbst in der kleinsten Wohnung durch Steingut und Zinn verdrängt worden, welches man stets wechselt. Bei dem Braten erscheinen Teller zum Auflegen für die Küche, die Musik und alle Offizianten.
Da von den vielen Speisen nichts zum Mitnehmen verteilt wird, bleibt genug zum Frühstück übrig, das mit Kaffee und Kuchen beginnt und oft bis gegen Abend dauert, weil manche Gäste spät und manche auch neu dazukommen, während wiederum andere wegbleiben. Denn bei der Masse von Gästen werden viele auch in anderen nahen Bauerngütern einquartiert und dort bewirtet, und die weiblichen namentlich wandern, wenn sie nicht auf dem Tanzboden sind, von einem Haus zum andern, um die ihnen interessanten Gegenstände zu besehen und zu besprechen. Ehe der Kaffee das gewöhnliche Getränk wurde, gab man zum Frühstück Fleischbrühe, die "Lang", oder Biersuppe, die "Kurz" hieß.
Fand die Mahlzeit vor dem Tanze statt, so hielt, wenn sie mit Gebet und Gesang geschlossen worden, der Hochzeitbitter eine lange Rede, nach welcher der "Teilkuchen" aufgetragen wurde, der
noch jetzt in Brauch ist. Er besteht aus einem Satz von acht Kuchen, von denen die oberen sieben gewöhnlich ganz dünn sind, der unterste aber so dick wie ein Brot ist, dessen Form er hat, und diese Kuchenpyramide wird in so viel Stücke zerschnitten, wie Personen am Tische sitzen. Mitunter bäckt man jedoch auch so viel kleine Stern-oder Aschkuchen, wie zur Verteilung nötig sind. Die nahen Gäste schicken ihr Teil meist nach Haus, entferntere schenken es bisweilen dem Hochzeitbitter, der von den Gästen auch noch eine Geldvergütung erhält.
Hierauf ward sonst in derselben Stube, in welcher man die erste Mahlzeit abgehalten hatte, mit einem besonderen Zeremoniell der Mantel abgetanzt, indem die Braut im Mantel mit dem Brautdiener den Reigen eröffnete, dann mit dem Beistand und zuletzt mit dem Bräutigam tanzte. Bei diesem dritten Tanze wurde ihr von dem ihr nachfolgenden Brautdiener der Mantel abgenommen, den sie vorher aufgebunden hatte, um ihn fallen lassen zu können, und nun ging es unter Musikbegleitung in eine geräumigere Tanzstube bei einem Nachbar, oder in die Schenke, wo bis zur zweiten Mahlzeit fortgetanzt wurde. Manche zogen es auch vor, lieber weiter zu tanzen. Nach dem ersten Reigen, zu welchem eine Polonaise aufgespielt wurde, war der Tanz willkürlich, doch hat die Braut an diesem Abende stets den Vortanz und geht aus einer Hand in die andere. Wird beim Tanzen Bier oder Branntwein herumgereicht, so war es noch Anfang dieses Jahrhunderts Sitte, die Gläser, sobald sie ausgetrunken waren, jubelnd an die Wand oder auf die Erde zu werfen. Mitunter traf die geleerten Flaschen dasselbe Los, und wenn ein Bräutigam dies hätte verhindern wollen, wäre er als der größte Filz verschrieen worden.
Nach Mitternacht geht das Brautpaar gewöhnlich in aller Stille weg und erhält statt der oft rohen Späßchen, mit denen es ehemals bis zu Bett gebracht wurde, jetzt höchstens ein musikalisches Ständchen. Die übrigen Gäste tanzen und spielen nach Belieben fort, oder suchen ihre Herberge auf. Denjenigen, welche im Tanzsaal bleiben, wird nach Mitternacht das sogenannte "Deistelbrot" gereicht, das sonst aus kaltem Braten u. dergl. bestand, gegenwärtig aber durch Tee, Kaffee und Kuchen ersetzt worden ist.
Am andern Morgen erfolgen Glückwünsche mit den unvermeidlichen Neckereien. Die Braut trägt eine große seidene Haube, über welche sie früher noch den Hormt aufsetzte. Nach der Hauptmahlzeit, die um vier Uhr Nachmittags begann, aber schon längst nicht mehr stattfindet, lud der Hochzeitbitter mit einer kurzen Rede zur Darbringung der Hochzeitsgeschenke ein. Die Braut in ihrem schwarzen Mantel saß zwischen den Paten und hielt ein weißes Tuch vor die Augen; es wurden geistliche Lieder angestimmt, welche die Musik begleitete, und die Hochzeitgäste kamen nun Einer nach dem Andern mit ihren Geschenken an. Zuerst schenkte der Brautvater eine große Bibel oder ein Predigtbuch, die Mutter ein Erbauungsbuch. Dann folgten des Bräutigams Eltern, die Verwandten und Freunde mit allerhand Hausgerät und Silberzeug, so dass die Geschenke oft den ganzen Tisch einnahmen und das Brautpaar dahinter kaum zu sehen war. Wurde Geld gegeben, so erhielt es jedoch nicht das Brautpaar, sondern der Hochzeitvater als Entschädigung für die Kosten, welche nicht unbedeutend sind, da nicht nur für sämtliche Gäste, sondern auch für die Anhängsel von Fuhrknechten, Hochzeitsbedienten und andern Helfersleuten auf zwei, drei Tage Kuchen, Kaffee, Bier, weißer und roter Branntwein, Fleisch, Gemüse, Fisch und Braten angeschafft werden muss.
Wurden Betten und Kissen verehrt, so pflegten die jungen Burschen dieselben den Brautleuten auf den Rücken zu legen und dann mit beiden Händen tüchtig darauf loszuschlagen, und bei jedem Geschenk musste der Brautdiener dem Gast, der es gegeben, ein Glas Bier und Kuchen anbieten. Heutiges Tages werden, wenn die Geschenke nicht in aller Stille abgegeben oder hingeschickt worden sind, die Gäste mit ihren Gaben in einer besonderen Kammer, in welcher das junge Ehepaar mit seinen nächsten Verwandten sitzt, empfangen und mit Wein und Kuchen bewirtet. Indessen ist noch immer die Sitte geblieben, dass, wenn ein Hochzeitgast sein Geschenk entrichtet, derselbe ebenso wie der Bräutigam bei dem Wunsche das Hütchen lüftet, und das Ehepaar, der Brautvater und die Brautmutter ihm die Hände reichen, um zu danken.
Nach der Schenkung, die oft zwei bis drei Stunden dauert, hielt ehemals der Hochzeitbitter eine passende Rede, in der er gleiche Teilnahme und Gefälligkeit in ähnlichen Fällen versprach und wünschte, die Gäste möchten das Fest in unschuldiger Freude fortsetzen. Dann ging es abermals auf den Tanzsaal, wo der Manteltanz wiederholt und bis zur zweiten Mahlzeit weiter getanzt wurde.
Am dritten Tage entfernen sich die meisten Gäste. Ist aber die Hochzeit Donnerstags gefeiert worden, so bleiben die nächsten Verwandten, um Sonntags die junge Frau bei ihrem ersten Kirchgang zu begleiten, bei welchem diese früher verschleiert ging und sämtliche Hormtjungfern mit sich in die Kirche nahm. Nach dem Mittagsessen trennte man sich dann, und die junge Frau verweilte noch kürzere oder längere Zeit, jedenfalls bis zum Neu- oder zunehmenden Mond im Hause ihrer Eltern, ehe sie ihren feierlichen Einzug oder "Eizug" hielt.
Bei diesem, welcher auch Heimfahrt oder "Heemfuhre" heißt, wird sie noch jetzt von den nächsten Hochzeitgästen begleitet. Die Hochzeitsgeschenke werden nebst ihrer Ausstattung auf den "Kammerwagen" gepackt, auf welchem sie vormals selbst mit einem Spinnrad und Flachsrocken sitzen musste, und nun nimmt die junge Frau oft unter vielen Tränen Abschied von den Ihrigen. Der Hochzeitbitter hält ihr noch eine rührende Rede, in welcher er sie an die Liebe und Wohltaten der Eltern erinnert und zur Häuslichkeit und Verträglichkeit ermahnt; man stimmt das alte Lied an:
Unsern Ausgang segne Gott u.s.w., und das Ehepaar fährt auf einem schönen Stuhlwagen oder in einer Kutsche seinem künftigen Wohnorte zu.
Die Gewohnheit, dass der junge Ehemann, sobald er auf freies Feld kam, eine Achte oder den "Brautring" fahren musste, um seine Geschicklichkeit im Fahren zu zeigen, hat ebenso aufgehört, wie das Singen geistlicher Lieder, wenn der Wagen durch ein Dorf kam. Nur der Unfug, den Wagen durch Vorhalten von Stangen, Stöcken und Stricken aufzuhalten, um ein Lösegeld zu gewinnen, ist noch hier und da geblieben, und wo die Hochzeit nicht festlich begangen worden ist, wird es zuweilen beim Einzug durch ein solennes Reiten und darauffolgenden Schmaus nachgeholt.
Bei der Ankunft wird den Gästen die letzte Ehrenmahlzeit gegeben, worauf man unter vielen Freundschaftsversicherungen sich trennt und die jungen Eheleute ihre neue Wirtschaft beginnen.
Weniger wohlhabende Familien richten sich natürlich bei dem Hochzeitsfest nach ihren Verhältnissen, und feiern es nicht selten ohne alle Schmausereien. Manche geben nur ein eintägiges Fest, und bei nötig gewordenen stillen Trauungen bittet man gewöhnlich nachher Paten und Verwandte desto zahlreicher zu der ersten Kindstaufe oder "Kengerkermse", um der Beschenkungen nicht ganz verlustig zu gehen.