Frankreich
Frankreich ist ein Ländermosaik, nur äußerlich, nicht innerlich ein Ganzes, bloß eine Form, kein Organismus, darum kann, was sich in den Gebräuchen seiner Provinzen Gemeinsames vorfindet, nicht als speziell französisch bezeichnet werden. Die Sitten der Franzosen gleichen sich nur, wie die Sitten der Romanen denen der Germanen und die der Letzteren wieder denen der Kelten gleichen. Beginnen wir mit diesen.
Selbst wenn in der Bretagne zwei Kinder in eine Wiege gelegt und so von ihrer Geburt an zu künftigen Gatten bestimmt worden sind, dürfte eine Heirat kaum ohne Vermittlung eines Dritten geschlossen werden, obgleich in diesem Falle die förmliche Bewerbung natürlich nur geschieht, um dem überlieferten Zeremoniell gerecht zu werden. Der Vermittler heißt "bazvalan" (Ginsterrute), weil er eine Rute (baz) von Ginster trägt. Bei den alten Bretonen hatte er eine so geachtete Stellung, dass er unter dem Schutze seines blühenden Zweiges sogar von einem feindlichen Lager zum andern ungehindert und ungefährdet gehen durfte. Jetzt fürchtet er auf seinem Wege die Begegnung eines Raben oder einer Elster, wogegen er es als das günstigste Vorzeichen für seinen Auftrag annimmt, wenn bei seinem Vorüberschreiten im Dickicht eine Turteltaube gurrt.
In manchen Gegenden werden mit diesem Amt die beiden vornehmsten Bettler aus dem Wohnort des Freiers betraut. Man muss sich unter diesen bretagnischen Bettlern keine Vagabunden vorstellen, sondern vielmehr die invaliden Pensionäre des Landes. Genug, sie werden für würdig erachtet, die Freiwerber zu machen. Hat man nicht zwei, die sich dazu eignen, so begnügt man sich allenfalls mit einem. Nehmen wir jedoch an, dass ihrer zwei ausziehen und mit ihren leeren Quersäcken über der Schulter in die Küche des Hauses eingetreten sind, wo das in Rede stehende Mädchen wohnt. Sie entschuldigen ihr Eintreten nicht, sondern setzen sich ohne Weiteres an den Herd und zünden ihre Pfeifen an. Da sie zu Niemand reden, weiß Jedermann, warum sie kommen, und wenn sie nach einiger Zeit den Hausherrn zu sprechen begehren, wird dieser eiligst herbeigeholt. Bei seinem Eintritt verlassen alle übrige Anwesende die Küche, und der älteste der Bettler bringt in Versen - denn anders darf ein "bazvalan" nicht reden - das Anliegen seines Auftraggebers vor. Der Hausherr entgegnet, er werde seine Tochter befragen und verlässt die Küche, wo die Bettler nun in erwartungsvoller Einsamkeit zurückbleiben. Wünscht die Familie vor der Entscheidung noch Erkundigungen über die Person und die Verhältnisse des Bewerbers einzuziehen, so kehrt der Hausherr zurück, bestellt die Bettler in acht oder vierzehn Tagen wieder und sie müssen sich entfernen, ohne dass ihnen irgend etwas gereicht worden wäre. Dasselbe Missgeschick widerfährt ihnen, wenn der Bescheid zwar augenblicklich erteilt wird, aber kein günstiger ist. Dann erscheint das Mädchen selbst in der Küche und stellt, ohne ein Wort zu sprechen, auf dem Herd lange Holzscheite aufrecht. Diese Form der Abweisung ist daher entsprungen, weil dem bretagnischen Aberglauben gemäß auf dem Herd aufgerichtetes Holz die Hexen verhindern soll, durch den Schornstein herabzufahren. Man betrachtet also die unwillkommene Bewerbung gleichsam wie etwas Feindliches, dessen Eindringen in's Haus man abzuwehren sucht. Soll dagegen die Annahme des Freiers unmittelbar ausgedrückt werden, so gestaltet sich die Sache für die Bettler um Vieles erfreulicher. Das Mädchen kommt mit lächelnder Miene an und ladet die Bettler zu einem Mahle aus Cidre, Brot, Speck und Butter ein, welches sie selbst aufträgt. Je fetteren Speck sie dabei gibt, je angenehmer ist ihr die Bewerbung. Ist die Mahlzeit, an welcher von der Familie kein Mitglied teilnimmt, durch die vollständigste Sättigung der beiden Abgesandten beendet,
so füllt das Mädchen ihnen noch die mitgebrachten Quersäcke, und dann mögen sie hingehen und dem harrenden Freier sein Glück verkünden.
Für gewöhnlich macht der Schneider den "bazvalan" und wünscht von der Schwelle aus guten Tag. Wird mit dem Hereinruf gezögert, sieht er im Kamin aufrechte Brände stehen oder dreht die Herrin des Hauses ihm den Rücken, während sie mit den Fingern eine "crêpe" nimmt und an's Feuer hält, so mag der "bazvalan" nur wieder gehen, ohne die Schätze seiner Beredsamkeit erst auszubreiten. Ruft man ihm hingegen, bevor er noch fertig gegrüßt, schon ein freudiges Herein zu, wird unverweilt die Tafel für ihn mit dem weißen Tischtuch der Festtage gedeckt, da kann er sich getrost an die Mutter wenden, die, als Dolmetscherin zwischen ihm und der Tochter dienend, die Sache zum Abschluss bringt.
Nachdem nun einen Monat lang von den Tischlern auf der Tenne gehobelt, von den Schneidern in der Scheune genäht, von den Wäscherinnen am Brunnen gewaschen und von den Mägden überall und Alles gescheuert worden ist, nachdem man auch die "Ehrenburschen" und "Ehrenmädchen" gewählt hat, begibt man sich eines Samstags gegen Abend zum Pfarrer, Verlobung und Abendschmaus findet statt und am nächsten Tage bei der Hochmesse die erste Abkündigung. Dann folgen die Einladungen zur Hochzeit, welche abermals dem "bazvalan" obliegen. Begleitet von einem der reichsten Verwandten des Bräutigams macht er im Land die Runde, wohlweislich in den guten Häusern jedes Mal zur Tischzeit anpochend. Er tut es dreimal und spricht dazu: "Glück und Freude in diesem Hause: der Hochzeitsbote ist da." Ist er eingelassen worden, erklärt er die Ursache seines Besuches, nennt die Namen der Verlobten, den Ort und den Tag des Festes und nimmt darauf am Tische Platz.
Am bezeichneten Tage füllt sich bei Sonnenaufgang der Hof des Brauthauses mit einer fröhlichen Reiterschar, welche die Braut abholen kommt. An ihrer Spitze ist der Bräutigam, der "Ehrenbursche" an seiner Seite. Der "bazvalan" steigt ab und die Stufen zum Hause hinan. Dort verlangt er an der Tür in einem Liede von bestimmtem Inhalt, aber von improvisierter Form "das Täubchen, welches dem Täuberich weggeflogen ist." Der "brotaer", wie der poetische Beistand des Mädchens genannt wird, antwortet dem "bazvalan" und stellt ihm zuerst ein kleines Mädchen, dann die Hausfrau und endlich die Großmutter vor. Der "bazvalan" weist alle Drei zurück und geht sich selbst im Hause umsehen. Dann holt er den Bräutigam, und diesem überreicht der Familienvater einen Sattelgurt, welchen er durch den Gürtel der Braut steckt. Der "brotaer" singt hierbei, ruft dann über die Braut, welche schluchzend zu den Füssen des Großvaters kniet, den Segen Gottes, der heiligen Jungfrau, aller Engel und aller Ahnen herab, und legt, nachdem das "Ehrenmädchen" sie aufgehoben, ihre rechte Hand in die des Bräutigams. Beide wechseln, von ihm aufgefordert, die Ringe und schwören, seiner Ermahnung gemäß, auf Erden zusammen zu bleiben, wie der Finger mit dem Ringe, damit sie auch im Himmel vereinigt werden mögen. Endlich betet der "brotaer" mit lauter Stimme das Vaterunser, das Ave und das De profundis, und die Zeremonie im Hause ist beendigt.
Wenige Augenblicke darauf erscheint die Braut, geführt vom "Ehrenburschen", an den Armen mit so viel Silberborten geschmückt, wie sie Tausende von Livres mitbekommt, auf der Schwelle der Haustür. Der Bräutigam folgt mit dem "Ehrenmädchen", hinter ihm zeigen sich Eltern und Verwandte. Der"bazvalan" holt das Pferd des Bräutigams und hält es, während dieser aufsteigt, der "brotaer" fasst die Braut in die Arme und schwingt sie hinter ihren Verlobten auf's Pferd. Nachdem auch die Übrigen im Sattel sind, galoppiert Alles der Kirche zu. Es ist ein Wettreiten. Der Erste, welcher an dem bestimmten Punkt anlangt , erhält einen Hammel, der Nächste Bänder.
An einigen Orten gehen die Neuvermählten und ihre Eltern dem Priester nach, wenn er den Altar verlässt, um in die Sakristei zurückzukehren. Der "Ehrenbursche" bringt einen mit einer weißen Serviette bedeckten Korb, und aus diesem zieht der Priester ein Weißbrot hervor, macht mit dem Messer das Kreuzeszeichen darüber und schneidet ein Stück davon ab, welches er entzweibricht und so zwischen den neuen Gatten teilt. Desgleichen nimmt er aus dem Korb eine Flasche mit Wein, gießt etwas davon in
ein Glas und reicht es dem Bräutigam, welcher, nachdem er einige Tropfen davon getrunken, es seinerseits der Braut übergibt.
Bei dem Heraustreten aus der Kirche wird die Hochzeit mit Flintenschüssen und der Musik des "biniou" und der "bombarde" begrüßt. Im Hause der Braut sind die mit Blumen geschmückten Tische gedeckt. An dem oberen Ende des einen nimmt unter einem Dach von Grün und Blumen die Braut Platz. Ein Greis spricht vor der Mahlzeit den Segen. Jedem Gericht wird beim Auftragen ein Stück auf dem "biniou" gespielt, und jedem folgt eine Tanzweise.
Um Mitternacht wird die Braut zu Bett gebracht. Bisweilen legt man kleine Kinder hinein. Hat sich auch der Neuvermählte niedergelegt, so setzt man dem jungen Paare eine Milchsuppe, Kuchen und Nüsse vor. Die Gäste bleiben die Nacht über bei Tische sitzen. Der "bazvalan" und der "brotaer", deren Amt aufgehört hat, sind für dessen Ausübung von der Braut durch einen roten Gürtel und ein Paar Strümpfe mit gelben Zwickeln belohnt worden.
Der nächste Tag ist "der Tag der Armen", welche scharenweise herbeikommen und die Reste des Hochzeitsmahles aufessen. Die junge Frau bedient die Frauen, der neue Ehemann die Männer. Nach dem zweiten Gericht tanzen Beide, er mit der vornehmsten Bettlerin, sie mit dem angesehensten Bettler. Ist die Tafel zu Ende, so wünschen die Armen den Eheleuten alles irdische Glück und alle göttliche Gnade, so viel Kinder wie Grillen im Kamin zirpen, so viel Jahre, wie die Patriarchen gezählt haben, und zuletzt das Paradies. Dann sprechen sie das Dankgebet, beten für die Toten der Familie, derer zu gedenken man bei keinem Feste vergisst, und schließen mit einem Liede zu Ehren der jungen Frau.
Der dritte Tag ist in Leon der lustigste von der ganzen Hochzeit, und heißt "das Schrankfest", weil an ihm der Schrank der jungen Frau in das Haus des Mannes geführt wird. Dieser Schrank ist von Nussbaumholz und schön poliert, hat kupferne Beschläge und an den vier Ecken Blumenzierraten, und wird der Länge lang auf einen Wagen gelegt, welchen bändergeschmückte Pferde ziehen sollen, aber nicht ziehen können, weil die Leute des Hauses sich der Abfahrt widersetzen. Das währt so lange, bis ein Vergleich geschlossen wird und die Herrin des Hauses den Schrank mit einem weißen Tischtuch bedeckt, auf welches sie zwei Teller mit Kuchen, eine Flasche Wein und einen Humpen setzt. Der älteste Verwandte des Mannes gießt nun den Humpen voll, reicht ihn dem ältesten Verwandten der Frau und nötigt ihn zum Trinken. Der Verwandte der Frau nippt aus dem Humpen, gibt ihn zurück und bietet seinerseits dem Verwandten des Mannes Kuchen an. Wenn sämtliche Verwandte von beiden Seiten sich der Reihe nach auf diese Weise bekomplimentiert haben, darf der Schrank abfahren und wird in der neuen Behausung unter Beifallsrufen an den Platz gestellt, wo er am meisten in die Augen fällt. Auf seine Installation folgt ein Bankett, bei welchem das Schranklied gesungen wird.
Bei den Salzsiedern auf der Halbinsel Guérande an der Mündung der Loire trennen die Brautleute sich nach der Trauung, um, jedes in seiner Familie, zu Mittag zu essen. Erst nach Tische erscheint der Bräutigam vor dem Hause der Braut, wo man ihm, wie im Bistum Quimper, doch ohne Begleitung von Reimen, ein kleines Mädchen, eine Witwe und eine alte Frau vorstellt. Er entschließt sich zuletzt, selbst seine Braut zu suchen, die sich im Hause versteckt hält. Hat er sie gefunden, so vereinigen die beiden Familien sich um einen Tisch, auf welchen in Saillé ein köstliches Dessert gesetzt wird. In Batz gibt es dagegen nur drei Brotlaibe von zwölf Pfund jedes und einen großen "Butterball". Dabei singen die jungen Mädchen ein altes Lied, und nach jedem Couplet erhebt einer der älteren Verwandten sein Glas und spricht: "A la santé de madame la mariée!" (Auf die Gesundheit der Frau Hochzeiterin!), worauf alle Anwesenden mit "Honneur!" antworten. Tänze, welche gleichfalls dieser Gegend eigentümlich sind, machen den Beschluss der Feier.
Eine ganz und gar originelle Zeremonie ging früher den Heiraten reicher Leute voraus. Bevor nämlich am Hochzeitstage der Bräutigam angelangt war, kam die Braut in den großen Saal des Schlosses
herab, wo sie Eltern, Verwandte und Freunde bereits versammelt fand. Sie setzte sich auf ein prächtiges Ruhebett und der "discaret", so wurde der verschmähte Liebhaber genannt, näherte sich und umschlang ihre Stirn mit dem Hochzeitsbande, welches weiß wie die Unschuld der Braut, rosenfarben wie ihre Schönheit und schwarz wie die Trauer des "discaret" sein musste. Dieser empfing zum Lohn seiner Mühe einen Kuss, das Band aber wurde bei den Familienkleinodien aufbewahrt und nur an Festtagen herausgenommen, denn es galt der Gattin als Sinnbild ihrer Liebe und Treue für den Gatten. Wer es umband, wenn das Mädchen keinen verschmähten Liebhaber hatte, das finden wir nicht angegeben.
Das Band um den Kopf der Braut hatte vor der Revolution in Feuquières im Kanton Gravilliers noch eine andere Bedeutung, nämlich die der Jungfrauschaft, weshalb es auch "pucelage" hieß. Die Braut, welche das Recht, es zu tragen, verloren hatte, musste sich bei Nacht trauen lassen.
In noch früherer Zeit war der Rosenkranz der unentbehrliche Schmuck der Braut. Später bekam er die Bedeutung einer "kleinen Heirat", denn wenn ein Vater seiner Tochter nur eine geringe Aussteuer mitgab, so sagte man: er gebe ihr nur einen "chapeau" oder "chapel de roses" mit. "Donner le chapelet" wurde überhaupt für Verheiraten gebraucht. Der Rosmarin war bei Bräuten von geringerem Stande gebräuchlich, besonders in der Normandie; in Lothringen ist er es jetzt noch.
Im siebzehnten Jahrhundert trug die Braut am Hinterkopf einen kleinen Kranz von weißen Blumen oder eine Krone von echten Perlen. So geschmückt erwartete sie den Bräutigam, der sie mit seiner Verwandtschaft und seinen Geladenen abholen kam. Zwischen zwei seiner nächsten Verwandten, paarweise gefolgt von den jungen Leuten, welche in diesem Fall den Vortritt vor den Männern hatten, zog er der Braut voran in die Kirche. Die Braut wurde von zwei ihrer nächsten Verwandten an den Händen geführt, dann kamen die Mädchen, alle gleich ihr mit weißen Kränzen, und darauf die Frauen. Den Schluss des Zuges machte eine Dienerin, welche in einer Hand das Brot und in der andern Wein trug, woraus das Opfer der Brautleute für die Kirche bestand. Bei der Rückkehr aus der Kirche tauschten die Brautleute mit ihren Führern. An einigen Orten legten hierauf die Verwandten, Freunde und Gäste beim Klang der Geigen ihre Geschenke in ein großes Becken, welches vor den Neuvermählten stand. In andern Provinzen dagegen brachte man die Gaben erst am Tage nach der Hochzeit dar, und in einigen schenkte man gar nichts. Nach dem Essen führte der Gatte die Gattin zum Tanze, wenn nicht gerade an dem Orte der Glaube herrschte, dass die Gatten am Tage der Hochzeit nicht miteinander tanzen dürften, weil sonst die Frau im Hause herrschen und auch außerdem ihrem Manne viel Not in der Ehe verursachen würde.
Um glücklich in der Ehe zu werden, musste die Hochzeiterin unter zwei Degen durchgehen, welche in Form eines Andreaskreuzes gehalten wurden, oder bei ihrem Eintritt in das Haus ihres Gatten ein Ei zertreten. Am besten aber konnten die Freiwerber es wissen, ob die Ehe glücklich oder unglücklich sein würde. Sie konnten, während sie auf dem Wege waren, um ihr Gewerbe auszurichten, auf die Zeichen Acht geben, die ihnen aufstießen und daraus das Schicksal der beabsichtigten Ehe prophezeien. Ungünstig war es, wenn man sie hinterrücks zupfte, am Mantel oder am Rock festhielt, wenn sie mit dem Fuß anstießen, wenn sie niesten, wenn das linke Ohr ihnen klang, wenn sie einen Unglücksvogel schreien hörten oder einen schwarzen Hund in ein Haus laufen sahen, endlich wenn sie einer Jungfrau, einer Schwangeren, einer Frau mit fliegenden Haaren, einem Priester, einem Mönche, einem Einäugigen, einem Blinden, einem Hinkenden, einem Hirsch, einem Reh, einem Wildschwein, einer Katze, einer Schlange oder einer Eidechse begegneten. Trafen sie hingegen eine Kurtisane, einen Wolf, eine Ziege, eine Taube, eine Kröte, eine Spinne oder eine Grille, so bedeutete die Begegnung Glück, und nicht minder galt es für glücksverheißend, wenn sie beim Verlassen des Hauses entfernten Donner hörten, wenn ihnen das rechte Ohr klang und wenn sie aus dem rechten Nasenloch bluteten.
Am Morgen nach der Hochzeit empfingen die neuen Gatten die Glückwünschungsbesuche. In Paris legte die Neuvermählte, die "mariée", sich dazu ganz angekleidet auf ein Paradebett in einer Stube,
wo alle Fensterladen geschlossen und Kronleuchter und Wachskerzen angezündet waren. Diese Ausstellung dauerte drei Tage und mochte ermüdend genug sein, aber doch noch nicht bis zu dem Grade wie die drei Besuchtage, welche noch in diesem Jahrhundert in La Rochelle und Brest stattfanden und vielleicht noch stattfinden. Man sagte dann: "La mariée est en parade." In Bewegung wenigstens war sie. Bei jedem Besuch, der eintrat, musste sie aufstehen, eine Verneigung machen und, wenn es eine Dame war, ihre Wange zum Kuss hinreichen. Der "marié" seinerseits hatte - armer, geplagter Mann! - die Verpflichtung, jede ankommende Dame an der Hand einzuführen und jede, die sich empfahl, bis an die Haustür zu geleiten. War es daher irgend möglich, so hielt man diesen Empfang in einem Salon zu ebener Erde ab, damit dem Unglücklichen mindestens das ewige Treppensteigen erspart blieb.
Jetzt sind die Hochzeiten in den bessern Klassen weniger formell und den Hauptzügen nach wohl in ganz Frankreich dieselben wie in Paris. Eine Tante, eine Freundin, der Advokat, der Arzt der Familie deutet eine mögliche Braut oder einen nicht zu verschmähenden Schwiegersohn an. Die Eltern verständigen sich vorläufig und dann lernen, sei es auf einem Ball in dem Hause eines Dritten, sei es bei einer Partie nach dem Landgut eines Freundes, die jungen Leute einander kennen. Sagen sie sich zu, gestattet der Vater der "jungen Person" dem Bewerber den Zutritt in sein Haus. Ohne alle Leidenschaft führt der Roman bis zur Verlobung, welche dem Verlobten das Recht gibt, seiner Braut jeden Tag einen Blumenstrauß zu senden. Der Kontrakt wird von einigen genaueren Freunden mit unterzeichnet; sehr gern hat man die Unterschrift irgend eines vornehmen Gönners der Familie. Die genaueren Freunde erhalten Einladungsbriefe, die gleichgültigen Bekannten "des lettres de faire part", einfache Anzeigen. Die Braut empfängt den "Korb", der mehr oder minder reich ist, je nachdem der Verlobte mehr oder weniger Renten hat. Eine Börse mit Goldstücken zu kleinen Ausgaben fehlt nicht.
Der religiösen Zeremonie, welche eine nur einigermaßen anständige Familie sicherlich nicht für überflüssig hält, geht die Ziviltrauung vorher, bisweilen unmittelbar, bisweilen aber auch um einen oder mehrere Tage. In beiden Fällen fahren die Brautleute nach der Kirche ganz wie auf die Mairie, die Braut mit ihren Eltern oder denen, welche deren Stelle vertreten, zuerst, dann mit seinen Eltern der Bräutigam und endlich die Zeugen und die Gäste. Der Vater der Braut führt die Tochter an den Altar, den Bräutigam geleitet seine Mutter. Zurück fährt der Bräutigam mit seiner Schwiegermutter, die Neuverheiratete mit seinem Vater. Zwischen diesem und ihrer Mutter sitzt sie bei Tische, der Bräutigam zwischen seiner Mutter und seinem Schwiegervater. Das Diner findet statt, wo das Frühstück vor der Trauung stattgefunden hat: im Elternhaus der Braut. Mit den vornehmsten Gästen bildet das Brautpaar die erste Quadrille, um Mitternacht entschlüpft es dem Ball, begleitet von der Mutter der Braut, welche bald darauf ihrem neuen Schwiegersohn den Schlüssel zum Zimmer seiner jungen Frau übergibt und allein in das Hochzeitshaus zurückkehrt.
Früher war das Hochzeitsmahl durch Gesänge und Scherze sehr belebt, jetzt ist man feiner und diskreter geworden. Auch das Strumpfband der Braut wird nicht mehr abgebunden, wie sonst, wo ein junger Mensch, der mit der Braut verwandt oder doch mit der Familie genau befreundet war, gewandt unter den Tisch schlüpfte und zwei Bänder mit herauf brachte, welche die Braut lose um die Knöchel geschlungen hatte. Das eine war weiß, das andere hellfarbig, der junge Mensch übergab beide einem andern, der mit dem Bräutigam verwandt sein musste, und dieser zerschnitt sie in kleine Stücken, welche, an die Gesellschaft verteilt, von den Frauen am Gürtel, von den Männern am Knopfloch befestigt und "la livrée" genannt wurden. Jetzt betrachtet man diesen Scherz als unpassend und wo das Strumpfband noch verteilt wird, da geschieht es durch die Braut selbst.
In der Normandie glaubt ein junges Mädchen, welches Stücken von sieben Strumpfbändern zusammengebracht hat, es werde "von der Liebe begünstigt werden" und im Laufe des Jahres noch heiraten. Der Brautkranz heißt dort "chapeau d'honneur" (Ehrenkranz) oder "bouquet argenté" (Silber-
strauß), der Brautwerber "hardouin" oder "diolovert", zwei Versionen für Taugenichts. Vor dem Brautzug fährt ein Wagen, der mit weißen Tüchern bedeckt und mit Zweigen geziert ist: bei reicher Hochzeit steht ein Orangenbaum in seinem Napf darauf. Als Musik dienen zwei Trommler, die den Marsch schlagen. Der Bräutigam ist nicht mit im Zuge, sondern begibt sich mit einem Freunde allein nach der Kirche. Überhaupt spielt er an seinem Ehrentage eine gewissermaßen traurige Rolle. Er darf nicht mitessen, sondern hat nur darauf zu sehen, dass alle Welt gut bedient werde, was vorzüglich in den Gegenden keine kleine Aufgabe ist, wo alle Bettler, denen es anzuwandern beliebt, gastlich aufgenommen werden müssen. Seine eigentlichen Plagen aber gehen am Abend an, denn da muss er die Treppe rückwärts hinaufsteigen, auf dem Besenstiel sein Gebet verrichten, die Feuerzange küssen und mit einem ausgezackten Löffel ungesalzene Suppe essen. In der Falaise wird beim Herauskommen aus der Kirche der Braut von den Burschen eine Suppe mit einem durchlöcherten Löffel als Essinstrument angeboten. Von den Mädchen erhält sie, wenn sie aus einer andern Gemeine kommt, einen Strauss; befindet der Bräutigam sich in demselben Falle, geben die Burschen ihm den Strauss. In früherer Zeit fand im Departement del'Orne keine "schöne" Hochzeit statt, ohne dass Männer auf Pferden von Pappe galoppierten und ausschlugen. Auch jetzt liebt man dort noch Leben und Geräusch bei den Hochzeiten. So bringen z. B. die Nachbarn und Freunde tanzend dem Brautpaar ihre Geschenke dar, und wenn es sich um den Rückzug der Braut in das hochzeitliche Gemach handelt, heben die Verwandten des Bräutigams die Braut auf ihrem Stuhl empor und tragen sie im Triumph um den Tisch, eine Sitte, deren skandinavischer Ursprung deutlich vor Augen liegt, um so mehr, da der Stuhl häufig weiß behangen und mit Blumen verziert ist.
In Amiens und den benachbarten Städten pflegen bei Heiraten Unbemittelter die Kosten der Hochzeit von den Freunden des Brautpaars bestritten zu werden. Sind dieselben indessen ebenfalls nicht im Stande, es zu tun, so gehen sie bei den Verwandten und Bekannten der Brautleute herum und erbitten sich Geflügel, Fleisch, Fische und alles sonst noch Nötige. Die erhaltenen Beiträge werden an einer langen Stange aufgehangen und unter Musik in das Haus gebracht, wo das Hochzeitsmahl stattfinden soll.
Im Departement du Nord sind die Maien daheim, Birkenzweige für die ehrbaren Mädchen, Holunderäste für die, welche das Gegenteil sind. Am meisten ausgebildet ist oder war diese Zweig- und Blumensprache zu Villers-Sire-Nicole, im Arrondissement d'Avesnes. Der einfache Maibaum ist ein erstes Geständnis, Kränze an den Fenstern der Geliebten drücken die Huldigung des glücklich Liebenden aus, Dornenzweige deuten beginnende Unbeständigkeit, Stechpalmen gänzliches Aufgeben an.
Im Departement der Ardennen wird der erste Sonntag in den Fasten "dimanche des bourres" genannt, weil es Gebrauch ist, an den Türen der Häuser, wo sich heiratbare Mädchen oder Burschen befinden, Werg zu verbrennen.
An der Oise stößt uns in einigen Gemeinden noch einmal das Schuhstehlen auf. Der Bräutigam darf sich auch hier nicht mit zu Tische setzen, sondern muss das Auftragen der Schüsseln besorgen und, was er zu sich nehmen kann, stehend verzehren. Die Braut sitzt in der Mitte des Tisches, umgeben von den Alten (anciens) des Dorfes und noch ganz besonders in die Hut des ältesten Verwandten von Seiten ihres Mannes gegeben. Dieser Würdige darf sie ohne Geldbusse keinen Augenblick allein lassen und hat vorzüglich auf ihre Füße zu achten. Gelingt es dennoch einem Burschen, ihr einen Schuh zu entwenden, so muss der Bräutigam ihn loskaufen, und die Summe wird, "ganz wie bei uns," in Branntwein vertrunken.
Zu Sachelay (Seine-et-Oise) gehört die Nacht, welche auf die Trauung folgt, der heiligen Jungfrau. Erst am zweiten Abend nimmt das Brautgemach die neuen Gatten auf, doch nicht zu ungestörter Ruhe. Die mutwillige Jugend hat sich kaum satt getanzt, da kommt sie an die Tür, um die Schläfer mit endlosen Refrains zu wecken, und ihnen heißen Wein und geröstetes Brot zu bringen. Diese Stärkung, welche bald der Braut, bald dem Bräutigam, bald allen Beiden, sei es noch in der Nacht, sei es am nächsten
Morgen angeboten wird, ist in den verschiedensten Provinzen gebräuchlich und hat mannigfaltige Namen, von denen wir nur "Chaudeau, Pâté, Tourrin" und "Fricassee de l'épousée" anführen wollen.
In einigen Dörfern der Brie trägt die Braut sich schwarz. Zu Denamont, Sainte - Marie und andern hält sie auf dem Wege in die Kirche und aus derselben den Zipfel einer Serviette, während ihr Geleiter den andern hat. Am nächsten Morgen nach der Messe laden junge Männer die Verbundenen auf die Schultern und tragen sie zum nächsten Kreuze, wo sie sich gegenseitig Treue schwören.
Zu Nogent- l'Artaud in der Brie champenoise begegnen uns abermals die emporgerichteten Scheite als Abweisungszeichen. Kein Wunder, dass man früher in Häusern, wo ein Mädchen oder eine junge Witwe war, ängstlich davor warnte, die Brände im Kamin nicht aufrecht zu stellen, indem sonst die Freier verscheucht würden.
Im Departement de la Marne bei dem Walde von Gault wurde noch vor etwa dreißig Jahren den Neuverheirateten am Morgen nach dem Feste eine seltsame Spazierfahrt zugemutet. Die jungen Mädchen, welche der Hochzeit beigewohnt hatten, setzten nämlich das unglückliche Paar auf eine Egge, deren Zähne nach oben gekehrt waren, und fuhren es so unbarmherzig über die holprigsten Wege und durch die spitzesten Dornen. Im Departement de la Haute-Marne dagegen brachte man den Brautleuten nach der Zeremonie auf den Kirchhof eine Suppe, von welcher sie einige Löffel essen mussten.
In Lothringen wird an dem Tage, wo das Mädchen ihrem Freier versprochen wird, eine Kollation genommen, bei welcher die Neuverlobten aus einem Glas trinken. Man nennt das "créanter". Am Abend vor der Hochzeit bringt der Verlobte seiner Braut einen Teller Milchhirse oder Milchreis.
In der Umgegend von Metz gingen sonst die Verlobten in den Wald und schnitten dort kleine Reisigbündel ab, welche sie mit Blumen und Bändern ausputzten und mit Musik und zahlreicher lustiger Begleitung zurückbrachten. In Nancy waren, als Lothringen noch Herzöge hatte, die während des verflossenen Jahres Verheirateten am ersten Fastensonntag genötigt, in den Gehölzen von Haie kleine Reisigbündel zu holen, von denen am Abend vor dem Stadthaus ein großes Feuer angezündet wurde.
Bei Remiremont wurden vor der Revolution einem Mädchen, dessen Aufführung nie den mindesten Anstoß gegeben, bei seiner Verheiratung "les honneurs de la poule blanche" zuerkannt. Die jungen Leute beiderlei Geschlechtes versammelten sich einige Tage vor der Hochzeit und stimmten sie in ihrem Urteil über die Kandidatin überein, so wurde die ganz fleckenlose weiße Henne gesucht, angeschafft und am Hochzeitstage auf einer langen Stange zwischen zwei Rocken mit Flachs von einem jungen Verwandten des Bräutigams an der Spitze des Hochzeitszuges getragen. Da an einem Flügel der Henne ein Faden befestigt war, konnte der Träger sie jedes Mal zum Schreien bringen, wenn der Zug an dem Hause vorbeiging, wo eine Freundin der Braut wohnte.
In mehreren Gemeinden von Lothringen nimmt die Braut am Vorabend der Hochzeit ein feierliches Bad. Nach der Kirche ziehen ihr eine Klarinette und eine Geige voraus, und zahlreiche Flintenschüsse begrüßen den Zug, denn würde nicht ordentlich geschossen, hätte die junge Frau später nicht reichlich Milch. Im Augenblick, wo die Brautleute den Segen empfangen sollen, versucht der Bräutigam auf das Kleid der Braut zu knien, und diese wiederum versucht ihn daran zu hindern, denn gelingt es ihm, so ist für sie die Herrschaft im Hause ein für alle Mal verloren. Unterwegs wirft die Braut kleine Münze aus, sorgfältig in Papier gewickelt, damit man nicht sehe, wie gering der Betrag ist. Auch die Geschenke, welche den Brautleuten gemacht und in einem Becken gesammelt werden, belaufen sich nicht hoch, dafür aber häufen in den großen Körben, welche unter der Obhut ihrer Patinnen daneben stehen, sich sowohl Lebensmittel wie kleinere Hausgerätschaften an. Beim Ball tanzt die "mariée" mit allen Männern und der "marié" mit allen Frauen. Am nächsten Morgen wurde ehedem die junge Frau auf den Armen ihrer nächsten Verwandten in die eheliche Wohnung getragen.
Die Gemeinde Valdajot oder Valdajeu liegt in den Vogesen. Hier ist etwas heiße Asche, welche das Mädchen einem unwillkommenen Freier in die Tasche schiebt, die Verdolmetschung des Neins. Wenn ein Bewerber sicher vor der Asche ist, dann erscheinen in großer Anzahl seine Verwandten vor dem Hause des Mädchens, dessen Vater vorsichtig die Tür verschließt. Die Ankommenden pochen und geben sich als Fremde zu erkennen, die ein Obdach suchen. Man zaudert, man äußert Bedenken: vielleicht sind's Räuber, welche unter dieser Maske Einlass suchen. Sie entgegnen, dass alle Welt sie als ehrliche Leute kenne, dass sie keine Mühe verursachen werden, dass sie nicht mit leeren Händen kommen. Man entschließt sich endlich, die Tür zu öffnen und die mitgebrachten Provisionen in Empfang zu nehmen, man setzt sich zu Tische, die Absicht des Besuches wird erklärt und die Sache abgemacht. Am Abend vor der Vermählung kommt der Zukünftige mit einer Geige und fünfzehn jungen Leuten an und fordert die Sachen seiner Versprochenen. Der Vater versichert, dass er im Hause Nichts mehr zu sagen habe, und begleitet von einigen. Gefährtinnen und einigen Verteidigern zeigt sich die Braut. Ein alter "Koffer" wird herbeigebracht, damit dem neuen, wirklichen kein Unheil widerfahre. Um dieses stellvertretende Möbel erhebt sich nun ein ernstlicher Kampf. Gelingt es den jungen Burschen, sich dessen zu bemächtigen, so werden ihnen die Sachen der Braut ausgeliefert; finden sie den Widerstand zu stark, so schlagen sie einen Waffenstillstand vor und lösen den "Koffer" durch Geschenke von Nadeln, Schnürsenkeln und Bändern aus. Die jungen Mädchen, welche inzwischen die Räder vom Wagen abgenommen und das Pferd versteckt haben, bringen Alles wieder in Ordnung und helfen das Hab' und Gut der Verlobten aufladen. Dann speist man gemeinschaftlich zu Abend und endigt mit Tanz.
Am Hochzeitsmorgen stellen sich abermals die Verwandten und Freunde des Bräutigams ein und begehren die Braut. Diese hat sich mit jungen Mädchen und alten Frauen in ein Zimmer zurückgezogen und wartet ab, bis unter höflichen Vorwänden genug Stellvertreterinnen ihrer "lieben Person" zurückgewiesen worden sind. Dann endlich erscheint sie selbst, lässt sich auf die Knie nieder, worin alle Anwesende ihr nachahmen, und wird von den Eltern nach einer kleinen passenden Rede feierlich gesegnet.
Sie ist schwarz gekleidet, sie trägt die Trauer um ihre Mädchenschaft. Die weiße Henne und die beiden Kunkeln werden ihr vorgetragen. Der Bräutigam ist in ein langes schwarzes, grobes Tuchgewand ohne Kragen gehüllt, und hat eine große Krawatte, die sich umschlägt, kurzgeschnittenes Haar und einen aufgekrempten Hut. Der Zug betet vor dem Kreuz des Gehöftes und an allen Kreuzen, an welchen er auf einsamen Gräbern, auf Brücken oder auf Kreuzwegen vorüberkommt. Der "Ehrenbursche" und das "Ehrenmädchen" tragen Rosen mit blauen Bändern daran, und auf jedem Ärmel haben sie zwei große Messingnadeln stecken. Ein Fiedler ist an der Spitze, die jungen Leute schießen mit Pistolen. Nach der Zeremonie entschlüpft die Braut, um allein nach Hause zurückzukehren, wird jedoch unter dem Geschrei: "juhé! jouhé! jou! jouck!" wieder eingeholt. Ist man in der Wohnung wieder angelangt, so wetteifert Alles, der Braut das blaue Band zu entreißen, welches sie um einen Fuß geschlungen hat, und es als "livrée" unter die Gesellschaft zu verteilen. Die weiße Henne macht, schön gebraten, eine der Hauptschüsseln beim Abendessen aus. Die jungen Burschen werfen von Zeit zu Zeit Stücken Zucker in die Weingläser ihrer Geliebten. Die Neuvermählten gehen rings um den Tisch und stoßen mit Jedem einzeln an.
Im Jura, in der alten Provinz Bresse, führt der Freiwerber den wunderlichen Namen "Trouille- Bondou", welchen wir nicht anders als Käsepresser zu übersetzen wüssten. "Trouille-Bondou" rühmt seinen Freund, in dessen Auftrag er kommt, über alle Massen; Nichts fehlt dem "prétendant", weder Vermögen, noch Eigenschaften. Schenkt man in der Familie, welcher das begehrte Mädchen angehört, den Versicherungen von "Trouille-Bondou" Glauben, so setzt man sich mit den Angehörigen des "prétendant" in Verbindung, und nach den nötigen Besprechungen wird ein Abendmahl veranstaltet, gegen dessen Schluss der "prétendant" je nach dem Zustande seiner Finanzen eine Rolle Gold oder Silbergeld auf seinem Teller oder in seinem Glas der "prétendue" darreicht. Steckt diese die "arrhes" in die Tasche,
so gilt sie als Verlobte und kann nur wieder frei werden, wenn sie die empfangene Summe doppelt wiedergibt.
Am Abend vor der "publication des bans" (dem Aufgebot) teilen die Verlobten unter ihre Verwandte und Freunde "dragées" und "beignets", Zuckerzeug und Krapfen, aus. Das heißt man: "donner les fiançailles." Am Tag, an welchem der Kontrakt unterzeichnet wird, also gewöhnlich an dem vor der Hochzeit, ladet die Verlobte mehrere ihrer jungen Freundinnen zu sich ein; alle verkleiden sich und ziehen sich in ein entferntes Zimmer zurück. Etwas später kommt der Zukünftige mit seinen Brüdern und Kameraden an; sie pochen an das Haus und verlangen ein Schaf, welches ihnen gehöre. Man weigert sich, ihnen aufzutun, sie bestehen auf Einlass, durchsuchen, wenn er ihnen endlich gewährt worden, sorgfältig das ganze Haus, geraten dabei an das Zimmer, wo die jungen Mädchen verborgen sind, pochen dort an und wiederholen ihr Verlangen. Ein Mann kommt zum Vorschein und versichert den jungen Leuten, dass kein fremdes Schaf unter seine Herde geraten sei. Zum Beweise davon stellt er die jungen Mädchen eines nach dem andern dem "prétendu" vor, welcher der Reihe nach mit jedem tanzt, bis er seine Verlobte erkennt. Glückt ihm das nicht, wird er selbstverständlich mit Spott überschüttet.
Jetzt wird das Hochzeitskleid gebracht, ein Mitglied der Gesellschaft richtet an die Verlobten eine Rede, in welcher der Ehestand gerade nicht allzu gut fortkommt, und darauf bietet man der Braut zuerst ein Stück schlechten Brotes an. Diesem folgt jedoch ein Kuchen und ein Glas Wein, denn der neue Stand hat sowohl seine Freuden, wie seine Leiden. Beim Abendessen sind die Frauen nur auf kurze Zeit anwesend, die Männer hingegen bringen die ganze Nacht mit Trinken und Singen zu. Hier und da findet sich der schöne Gebrauch, dass die Verlobten, nachdem Alle sich zu Tische gesetzt, wieder aufstehen und sich mit ihren nächsten Freunden und Freundinnen zu den ärmsten Leuten des Dorfes begeben, um ihnen Wein, Brot, Suppe und Rindfleisch zu bringen. Das heißt "l'écuelle à Die" (die Schüssel Gottes).
Die Trauung geschieht im Kirchspiel der Braut, welche, geschmückt mit der blühenden Myrtenkrone, sich nicht ohne einigen Widerstand in die Kirche bringen lassen darf. Der Vater oder nächste Verwandte führt sie, der Bräutigam bleibt bei den älteren Männern zurück. Im ersten Rang schreiten die besten Freunde der Verlobten, "le garçon franc" und "la fille franche", der "Freibursche" und das "Freimädchen", welche bei der Hochzeit die "Honneurs machen". Musik und Gewehrsalven begleiten den Zug, ebenso bei der Rückkehr, bei welcher der Vater des neuen Gatten die "mariée" führt.
Bei der Trauung weiht der Geistliche ein Gold- oder Silberstück und den Ring. Diesen sucht der Bräutigam beim Anstecken der Braut so tief hinunter wie möglich zu drücken, während die Braut sich bemüht, ihn zurück an das zweite Glied des Fingers zu schieben. Wer von Beiden seinen Willen durchsetzt, bekommt das Regiment im Hause.
Wohnt der Bräutigam auf einem andern Dorfe, so wird das Mobiliar und "le troussel de la mariée" (die persönliche Ausstattung der Braut) auf geschmückte Ochsenwagen geladen. Frauen setzen sich pêlemêle mit den Möbeln und spinnen während des Fahrens. Wird der Verlust der Braut in ihrem Heimatdorf bedauert, so suchen die jungen Burschen desselben die Abfahrt zu verhindern, indem sie Holzstücke quer vor den Wagen werfen. Findet sie endlich dennoch statt, so übergeben sie der Braut beim Verlassen des Dorfes einen großen Strauss.
Das Haus des Bräutigams bleibt den jungen Eheleuten so lange verschlossen, bis die Mutter des Neuvermählten aus dem Fenster mehrere Hände voll Eicheln, Getreide, Erbsen und Bohnen auf sie herabgestreut hat. Dann zeigt sie sich auf der Schwelle und bietet ihrer Schwiegertochter ein Stück Brot und ein Glas Wein, welches Beides als Sinnbild des künftigen, völlig gemeinsamen Lebens die junge Frau mit ihrem Manne teilt. Findet sie einen Besen quer vor der Schwelle liegen, so hebt sie ihn auf und kehrt die Stube aus. Dann wird ihr das Haus gezeigt und darauf geht man zu Tische, wo alle Ehrenbezeigungen ausschließlich für sie sind, während der junge Ehemann sich nicht setzt, sondern alle Welt bedienen muss.
Gegen das Ende des Mahles erscheinen die Freunde des jungen Paares in Masken und bringen ihm ihre Glückwünsche dar, was "aller à la poule" genannt wird. An einigen Orten wird die Braut entführt und die Nacht hindurch versteckt gehalten, bisweilen auch begehrt die Neuvermählte selbst die drei Tobiasnächte. Getanzt wird nicht nur den ersten Tag und die erste Nacht, sondern oft mehrere Tage nacheinander.
Im nordwestlichen Teil des Departements de l'Ain, im alten Burgund, liegen längs der Saône einige Dörfer, welche, wie man glaubt, von Nachkommen versprengter Sarazenen bewohnt werden. In dem einen, Huchisi, dessen Einwohner "Chizérots" heissen, ist die Braut schwarz gekleidet und trägt am Halse mehrere Goldketten. Die Sackpfeifen, welche man dort "chéones" nennt, spielen vor ihr auf dem Wege zur Kirche, während die jungen Burschen in ihrem Gefolge gewisse langgezogene Freudenlaute ausstoßen, die mit der Benennung "huchements" bezeichnet werden. An der Tür der Kirche wird gestritten, wer von den Verlobten zuerst eintreten soll. Die Mädchen halten die Braut und die Burschen den Bräutigam, Jedes tut einen Schritt vorwärts und einen zurück, bis diese Förmlichkeit lange genug gewährt hat und sie glücklich Beide in die Kirche gelangen.
Wenn sie dieselbe als Eheleute verlassen, so macht die Neuvermählte dem Gatten Vorwürfe. "Warum seid Ihr gekommen, um mich aufzusuchen?" fragt sie. "Ich war glücklich - warum ließet Ihr mich nicht bei meiner Mutter?" Dann fangen die neuen Eheleute an zu tanzen, die Hochzeit ahmt ihnen nach, teilt sich in zwei Züge, und so begibt man sich, die Frauen und Mädchen mit der "mariée" zu ihrer Mutter, die Männer und Burschen mit dem "marié" zu seinem Vater, um das Hochzeitsmahl abzuhalten.
Endlich kommt "la départie" heran: der Gatte erscheint mit den Seinigen, um die Braut in seine Wohnung abzuholen. Sie zerfließt in Tränen und nimmt Abschied von Allem, von der Familie, den Freunden, den Dienstboten, den Herden. Den Ackerochsen besonders sagt sie zärtlich Lebewohl, indem sie jeden bei seinem Namen ruft. Auch die Gerätschaften und den Herd des Hauses, sowie dieses selbst vergisst sie nicht. Dann lässt sie sich fortführen Ist das Wetter schlecht, oder das Gattenhaus entfernt, so wird sie auf ein Pferd gesetzt, welchem man ein weißes Laken übergeworfen hat. Im Hause des Bräutigams gibt es Tanz und großes Abendessen, spät am Abend indessen auch noch einmal Tränen, denn die Neuvermählte kann nicht schüchtern genug erscheinen.
Wie im Norden, wie in den Niederlanden muss auch in Savoyen der Liebende beweisen, dass er seine Geliebte durch Enthaltsamkeit zu ehren versteht. Wenn es ihm gelungen ist, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und er ihr genug gefällt, um ihn der Probe zu unterwerfen, so empfängt sie ihn Nachts zuerst am Fenster, dann unter der Tür und endlich in ihrer Kammer. Dort muss er bis zum Morgen angekleidet in Ehren und Züchten neben ihrem Bette sitzen ("courir la trosse"). Erlaubt er sich die geringste Freiheit, wird er verabschiedet. An andern Orten kommt er mit einem Freunde gegen Abend in's Haus und macht dort verblümt seinen Antrag. Gefällt der, legt der Hausherr ein neues Stück Holz auf das Feuer, im entgegengesetzten Falle wird ein Brand weggenommen und bei Seite gestellt.
Zu Saint-Jean-de-Maurienne ist es das Mädchen, welches , will es den Freier abweisen, einen Brand aufrecht stellt. Tut sie das nicht, so ladet der Freier ihren Vater in's Kabaret ein, wo er ihn frei hält und Alles richtig gemacht wird. Darauf bringt der Vater den jungen Mann mit sich nach Hause und er gibt dem Mädchen, welches wartend am Herde sitzt, "les arrhes". Am nächsten Sonnabend gehen in aller Stille die "fiançailles" vor sich. Den Abend vor der Hochzeit ladet der Brautvater beide Familien zum Mahle. Die Braut versteckt sich, und der Bräutigam sucht sie in Begleitung von Freunden und Musik. Je länger er sie suchen muss, je größer ist der Jubel, wenn er sie findet. In der Gesellschaft jedoch erscheint sie erst gegen den Schluss des Mahles, auf welches der Tanz folgt.
Mit Kokarden geziert, Lorbeerzweige tragend, geleiten die Freunde das junge Paar erst zur Kirche und dann in das Haus des Neuvermählten. Die Schwiegermutter empfängt die "mariée" und wirft ihr Getreide zu. Den Besen, der quer vor der Tür liegt, muss sie aufheben, ein Brot zerschneiden und es
unter die Armen verteilen, aus einem Topf den Anwesenden Fleischbrühe eingießen. Ein Knabe bringt einen Rocken mit Flachs, der Überfluss an Lein bedeutet; die jungen Burschen schießen mit Pistolen nach dem Rocken und suchen ihn in Brand zu stecken. Beim Mahle sitzen die Brautleute zwischen ihren Paten und Patinnen. Ein großer Kuchen wird aufgetragen, in dessen Mitte "le bouquet" (ein Lorbeerzweig) steckt. Ein Kind macht um den Tisch die Runde mit einem Teller, auf welchen jeder Gast Geld für die junge Frau legt, die es jedoch meistens, gleich dem Brot, unter die Bedürftigen austeilt.
Die "vogues", wie in den Hautes-Alpes die "fêtes patronales" (Kirchweihen) genannt werden, bieten der Jugend die beste Gelegenheit zu Bekanntschaften. Der Zeremonienmeister, der Ordner und Beherrscher des Festes, der schöngepuderte "Abbé", begibt sich am Morgen des Festtages in Gemeinschaft mit einigen jungen Leuten und dem unentbehrlichen Fiedler in alle Häuser, wo es Töchter zu verheiraten gibt, und ladet sie mit der nachgesuchten Erlaubnis der Eltern zum Tanze auf dem Platze ein, wo bereits am verflossenen Abend ein Maibaum aufgepflanzt worden ist. Keine sagt Nein, jede schmückt das Spazierrohr, den Hut, die Weste des "Abbé" mit einem Band, und alle haben einen ganzen halben Tag lang die volle Freiheit, "Sklaven" und "Opfer", Glückliche und Unglückliche zu machen und leichte Verehrer in ernste Bewerber zu verwandeln.
Lange zu warten brauchen sie nicht, Zeit zu verblühen wird ihnen nicht gelassen. Man heiratet jung in den Hautes-Alpes und zwar ein noch sehr junger Mann häufiger ein Mädchen, welches einige Jahre mehr zählt, als ein junges Mädchen einen sehr viel älteren Mann. Der Freiwerber heißt bei Gap "tsamaraude" (Diebskatze) und verfügt sich, im Champsaur stets des Sonnabends, mit dem Freier in das bewusste Haus. Werden sie freundlich aufgenommen, kommen sie nach acht Tagen wieder und dann wird eine "bouillie" (Brei, Muss) aufgetragen, auf welche das Mädchen, je nachdem der Bewerber mehr oder minder gefällt, mehr oder weniger Käse reibt. Fühlt er dagegen ihre Hand, wie sie einige Haferkörner in seine Tasche befördert, so braucht er zum dritten Male nicht wiederzukehren: "den Hafer bekommen haben" ist gleichbedeutend mit Korb. Will er trotzdem auf seiner Bewerbung beharren, so wendet sie das unangebrannte Ende der Scheite im Kamin nach ihm hin, und den Abschied in dieser Form muss er verstehen und annehmen, er möge wollen oder nicht.
In Veynes hält der Vater an, indem er dem Vater des Mädchens vertraut, dass sein Bock der Ziege des Andern folge. Sagt dieser: man mög' es gehen lassen, so ist er zur Verbindung geneigt; ist er's nicht, so versichert er, dass er den Bock schon wegjagen werde.
Hat einer seinen Hafer weg und heiratet die Schöne einen seiner Nebenbuhler, so beeifern seine Genossen sich, ihn zu trösten, indem sie einen gewaltigen Maibaum vor seiner Tür errichten, an welchem Bänder, Sinnsprüche und häufig auch Zwiebeln hängen. Diese letzteren sollen ihm wahrscheinlich zu lindernden Tränen verhelfen, während einer der Tröster ihm angemessene Couplets vorsingt, in welchen die Grausame nicht geschont wird. Aus Erkenntlichkeit für ihre Teilnahme gibt er den Maibringern ein Mittagsmahl. Im Briançonnais wird von dem Hause des Verschmähten bis zu dem des verschmähenden Mädchens an den Mauern mit Schwarz eine Spur gezogen. Da war die frühere Weise, einem getäuschten Liebhaber sein Beileid zu bezeigen, indem man ihm einen Salbeistrauß gab, doch artiger und sinnreicher zugleich, weil Salbei heilsam für Wunden sein sollte. Wunderlich genug ist es, dass im Bourbonnais der "Gourlaud" oder Hochzeitsbitter statt des fast allgemein üblichen Blumenstraußes einen Salbeistrauß im Knopfloch trägt.
Im Tal von Ribiers kann eine Hochzeit, gegen dreißig Kinder ungerechnet, wohl an hundertfünfzig Personen stark sein und beim Mahl auf der Tenne der Brauteltern ganz gut vier Hammel und einen halben Ochsen verzehren. Im Tal von Serres werden an der Spitze des Zuges Beile getragen, um den Balken niederzuhauen, über welchen die Brautleute, der "novi" und die "novae", springen müssen. Ist man der Braut gewogen, hält man ihn nur einen Fuß hoch; ist man ihr feindlich, wird der Balken bedeutend
mehr in die Höhe gehoben. Und hat die Braut sich gar eine Schwachheit zu Schulden kommen lassen, wird ihr von ihren Gefährtinnen unbarmherzig "le chaperon" (der Kranz von Blumen oder Band) abgerissen, mit welchem nur unbescholtene Bräute sich schmücken dürfen.
Heiratet ein Mädchen weg aus dem heimatlichen Dorfe, so tritt die männliche Jugend unter die Waffen und zecht mehrere Tage hindurch im Cabaret auf Kosten des Bräutigams. Auch in den Dörfern, durch welche das junge Paar zieht, findet es die jungen Leute mit Gewehren am Eingang versammelt und auf einem Tisch ein Glas mit Likör, aus dem es gemeinsam trinken soll. Auch eingemachte Nüsse muss es essen, welche in den Hautes-Alpes in jeder Hauswirtschaft vorhanden sind. Der Bräutigam seinerseits muss abermals im Cabaret bezahlen und kann noch zufrieden sein, wenn ihm die Braut nicht entrissen und erst gegen ein schweres Lösegeld wiedergegeben wird. Bisweilen bemächtigt man sich auch bloß der Henne, welche hier ebenfalls dem Zuge vorgetragen wird. Dann kostet es weiter kein Lösegeld, sondern die siegreiche Jugend begnügt sich mit dem Verspeisen der Henne.
In den Basses-Alpes begegnet die Henne uns nicht minder. Bei der Rückkehr aus der Kirche wird den neuen Eheleuten auf der Schwelle eine Schale mit Suppe angeboten, von welcher jedes zwei Löffel nehmen muss. Das Übrigbleibende aufzuessen ist die Pflicht des schönsten von den anwesenden Kindern - hoffen wir deshalb, dass die Brautsuppe gut zubereitet werde.
Vor der Revolution gingen in mehreren Teilen des Midi die "fiançailles", welche der Priester einsegnete, der Hochzeit um neun Tage voraus, und drei Tage vorher fuhr der Brautwagen. Die "accords" folgen der Werbung am nächsten Sonntage und das Geschenk des "futur" besteht in einer Kette oder einem Kreuze von Gold. Im Anfang dieses Jahrhunderts finden wir bei Antibes und Frejus einen allerliebsten Gebrauch zu Nutz und Frommen zärtlicher Verbindungen erwähnt. Die letzten vier Wochen vor Weihnachten nämlich pflegten die Burschen des Dorfes an den Sonntagabenden "aubades" oder Ständchen zu bringen. Dafür war jedes Mädchen verpflichtet, an das Oberhaupt der jungen Leute, den "Aba", zu Weihnachten einen Kuchen abzuliefern, und diese Kuchen, alle in zierliche, mit Bändern geschmückte Körbchen gebettet, wurden am zweiten Weihnachtsfeiertage in Gegenwart des ganzen Dorfes versteigert. Man kann sich denken, wie die Burschen einander überboten, wenn vom "Aba" auf seinem Auktionärsgerüst der Kuchen einer besonders gefeierten Schönheit ausgerufen wurde. Das Geld, welches hierbei zusammenkam, gab den Fonds für die Tanzbelustigungen des nächsten Jahres ab, und ein Mädchen wusste wenigstens genau, welchem Burschen es am meisten wert war.
In Nizza war es nicht ein Kuchen, der bezahlt, sondern ein Kleid, welches gekauft werden musste. Die Mädchen durften nämlich bis zur Verheiratung keine Seide, sondern nur Baumwolle tragen, und so verlangte denn jede Braut von ihrem Verlobten als Geschenk ein seidenes Kleid, um augenblicklich des Vorrechtes der Frauen teilhaftig zu werden.
Auf Korsika, dem italienischen Stücke von Frankreich, finden wir die "mudracchieri" oder "mogliaccheri", die Reiter, welche die Braut in das Dorf des Bräutigams geleiten. Weiter den "freniere", den Träger des "freno", des Rockens, welcher mit Bändern geschmückt, oben mit einer Menge Spindeln besteckt und an der Spitze mit einem Tuche als Fahne versehen ist. Endlich "la travata", den toskanischen "serraglio", auch wohl Spalier genannt, wenn das Volkslied mit dem Ausdruck Recht hat:
Vi faranu la spallera
(sie werden euch das Spalier machen).
Der Bräutigam mit allen seinen "cugini carnali" (leiblichen Vettern), je mehr je besser, denn in Korsika ist große Familie große Ehre, kommt der Braut gleichfalls beritten entgegen. Wenn sie beim "stazza", der Station, ihrem künftigen Hause, anlangt, tritt der Schwiegervater, "lu suceroni", heraus, reicht ihr die Hand,
E bi sarà presentatu
Un tinedru di caghiatu.
Und es wird euch angeboten
Ein Gefäß mit saurer Milch.
Auch die Schlüssel des Hauses wurden der Braut dargeboten. In einer Totenklage heißt es:
Quand' eju ci junsi spusata,
Bapu mi dunò le chiavi,
E le mi eondusse in manu :
Fanne l'usu chi ti pari.
Als vermählt ich hergekommen,
Vater mir die Schlüssel gab;
Legte sie mir in die Hände:
Brauche sie, wie Dir's gefällt.
Vom Geliebten erhält das verlobte Mädchen ein Band, welches als "fiocco" (Quaste oder Knoten) mehrere Sonntage vor der Hochzeit den bräutlichen Schmuck ausmacht. Es wird unter andern Orten auch in Niolo getragen; der Hochzeitsstaat besteht dort in der "sottana" von feinem Tuche, in einer weißen gestärkten Haube, über welche ein gleiches Tuch kommt, in einer großen Halskrause, in roten Strümpfen und roten Schuhen, endlich in einer Masse bunter Bänder. So angetan wurde die Braut beim Heraustreten aus dem väterlichen Hause vom Bräutigam und seiner gesamten Verwandtschaft empfangen. Eine der Frauen streute mit Segenswünschen Getreide über die Brautleute, andere Frauen warfen aus den Fenstern "le grazie", d. h. Brot von verschiedener Beschaffenheit und Früchte, wie die Jahreszeit sie lieferte. Der Dudelsack hörte nicht auf sich laut zu machen, Flinte auf Flinte wurde losgeschossen, und unter diesem Lärm wurden die Liebenden vereinigt. Erst wenn sie aus der Kirche "in piazza" (auf den Platz) kamen, ward es still, und sie konnten sich mit Ruhe auf zwei Sitze niederlassen. Ein Kind, welches dem "sposo" am nächsten verwandt war, gab man der Braut auf den Schoß; sie küsste es zärtlich und setzte ihm eine Mütze mit verschiedenfarbigen Bändern auf. Darauf umarmte die sämtliche Verwandtschaft die "sposi" und jedes Mitglied sprach gewöhnlich folgenden Glückwunsch aus:
Dio vi dia buona fortuna,
Tre di maschi e femmin' una,
(Gott geb' euch Glück, drei Knaben und ein Mädchen),
denn wie überall gelten Söhne für kostbarer, als Töchter, und nur in einer der Serenaden, wie sie bei Zitherspiel und Flintenschüssen jungen Eheleuten am Hochzeitsabend gesungen werden, vernehmen wir den Wunsch:
Poi vi dia sette zitelle
Luminose come stelle.
Dann geb' er (Gott) euch sieben Mädchen,
Licht und leuchtend wie die Sterne.
In Niolo folgte auf das festliche Mittagsmahl mit dem Hersagen eines Hochzeitgedichtes, welches von der Braut mit einem Schnupftuch belohnt wurde, der Ball, den das Brautpaar mit einem "trischione" eröffnete. Die darauf folgende "cerca" wurde von vielen Personen getanzt, wie überhaupt der Ball kein abgeschlossener war. Die Gemeinde tanzte mit, die "marsiliana", die "tarantella", den "vita d'oro", die "cara scena". Zuletzt führten die besten Tänzer die Tänze "della Spada" und "del Ladro" auf.
Voraus zum Brautbett geht der "sposa" ein dem "sposo" verwandter Jüngling, welcher auf dem Bette Sprünge tut und sich mehrere Male darüber hinrollt. Ist das zur Genüge geschehen, so führt er die Braut auf's Bett und löst ihr die Schuhbänder auf, worauf sie mit leichter Fußbewegung die Schuhe fallen lässt und der junge Mensch ein Geldgeschenk herausnehmen kann.
Den nächsten Tag kleidete sich die "sposa" in eine rote Sottana, welche sie täglich während des "la Costa" genannten Zeitraums trug. Dieser umfasste drei Sonntage, an denen die jüngsten weiblichen Anverwandten des "sposo" in ihren schönsten Kleidern der "sposa" das Geleit in die Kirche gaben, wo die "sposa" ihrerseits noch im vollen Brautputz erschien.
In Marseille ist der Weihnachtsabend den Heiraten am günstigsten. Wenn der mit Öl und Wein getränkte Weihnachtsklotz im Kamin brennt, wenn um den Truthahn, die Mandelkuchen und den Muskatwein die Familie vollzählig versammelt ist, wenn erkaltete Freundschaft wieder lebendig und oft langwierige Feindschaft versöhnt wird, dann suchen sich auch Blicke, die sich sonst nicht zu begegnen wagten, dann verstehen sich Herzen, die noch in Zweifeln befangen waren. Und wie der Klotz hier ein
Vermittler ist, so ist es auch wiederum das Scheit, welches trennt. "Sie haben mir das Scheit aufgerichtet," sagt der verabschiedete Liebhaber.
Im Niederlanguedoc feiert man das Ende eines Hochzeitsschmauses mit der großartigen Vernichtung sämtlicher gebrauchter Teller und Schüsseln, indem man sie rücksichtslos entzwei schlägt. Poetischer ist es, dass man die Haustür der Braut mit Gewinden von Lorbeer und Myrte umhängt.
Weniger poetisch wieder ist der Kohl, mit dem man zu Verfeil am Fastnachtsdienstag die Tür aller im Laufe des Jahres verheirateten Paare schmückt. Sie selbst müssen die Stadt zu Esel durchreiten, während man ihnen den Weg mit Kohlblüten und Kohlblättern streut. Der Kohl scheint nun einmal im Castrais die hochzeitliche Pflanze "par excellence" zu sein, denn auch in der Brautnacht essen die neuen Gatten eine Kohlsuppe. Einem Paare, das sich verlobt, wird ein Joch auf den Hals gelegt, die bildliche Darstellung von "conjoints" (Zusammengefügten), denn anspannen heißt dort "jugné" (joindre).
Von einem hübschen Gebrauch im Roussillon muss man, leider, auch sagen: vor der Revolution von 1789. Da pflanzte der ländliche Liebhaber seiner Vielgeliebten in der letzten Nacht des April einen "Mai", der eine Krone trug, von welcher ein Degen und ein Franziskanerstrick herabhingen. "Krönt ihr meine Liebe nicht," - war der Sinn - "so werd' ich Soldat oder Mönch." Jetzt lassen die Liebhaber sich abweisen, ohne gleich zu solchen verzweifelten Mitteln zu greifen.
Früher noch, als die Hochzeiten bei Nacht gefeiert wurden, trieb man im Roussillon eine solche Verschwendung mit Fackeln, dass der Verbrauch derselben durch Erlasse geregelt werden musste. Erhalten haben sich dort noch einige sehr hübsche Gebräuche. Das Aufhalten der Braut z. B. geschieht durch ihre Gefährtinnen, welche ihr Blumen darbieten, und das Lösegeld, welches sie ihnen zahlt, gehört der heiligen Jungfrau und darf nur zur Verzierung ihrer Kapelle angewandt werden.
Der nächste Verwandte des Bräutigams hat das Recht, der Braut die Schuhe anzuziehen und natürlich auch die Verpflichtung, für neue zu sorgen. In die Kirche geht der Bräutigam abgesondert, wie in der Normandie. Das Geleit zu seinem Hause geben der jungen Frau die "spades" (Schwertträger), junge Leute, welche unaufhörlich ihre Gewehre losschießen, frisch laden und wieder losschießen. An dem Hause angelangt, muss die neue Bewohnerin über die Schwelle gehoben werden.
In den Hautes-Pyrenées haben die Liebhaber eine ganz eigene Art ausgefunden, sich ihr Schicksal verkünden zu lassen: sie binden nämlich den jungen Mädchen, um die sie werben, bei der Anfrage die Schürzenbänder auf. Werden die Schürzenbänder wieder zugebunden, so ist das einer abschlägigen Antwort gleich.
Wie bei Amiens wird im alten Bazadais das Hochzeitsmahl von mildtätigen Gaben hergerichtet, nur ist es hier die Verlobte selbst, welche mit einem Fässchen und einem Quersack von Tür zu Tür geht, um sie einzusammeln. Zu Pulver aber muss Geld da sein, denn geschossen wird wie nur im Roussillon, und da der Hochzeiter einen Strauss trägt, können auch die Blumen nicht viel kosten.
"Garçon d'honneur" und "couche-bru" (Schnurzubettbringerin) werden in vielen nördlichen und mittleren Provinzen Frankreichs der Brautführer und die Brautführerin genannt, "donzelons" und "donzelles" heißen in Nieder-Armagnac die Brautburschen und Brautmädchen. Der erste von diesen reitet mit noch einem zum Einladen von Gehöft zu Gehöft. Vor jedem schießt er seine Pistolen ab, dann geht er hinein und bringt seine Ladung vor. Hierauf trinken Beide weißen Landwein, "piquepoult", und der zweite "donzelon" singt ein passendes Lied. Von den künstlichen Blumensträußen, welche Beide am Knopfloch stecken haben, flattern weiße Bänder.
Den Sonntag vor der Hochzeit ist das "Fest des Geflügels", bei welchem "donzelons" und "donzelles" die nötigen Federtiere rupfen und zum Ausruhen tanzen. Am Montag wird das Bett der "nobi", d. h. der Braut geholt. Der Karren ist mit Buchsbaumgewinden geziert, auf die Leinwand, welche ihn bedeckt, werden kreuzweise Lorbeerblätter gesteckt. Vorn sitzt steif und aufrecht ein großer Bursche und
spinnt am Rocken der "nobi". Die "donzelons" und "donzelles", welche den "char" begleiten, halten unterwegs bei jedem Hause an, um "la passade", d. h. Wein zu verlangen. Abends ist abermals Mahl und Tanz. Am dritten Tage zieht endlich die Hochzeit in zwei Kavalkaden zur Kirche. Jeder "donzelon" hat eine "donzelle" hinter sich auf dem Pferde. In der Kirche schlingt der erste "donzelon" ein langes weißes Band um die Taille der "nobi", während die erste "donzelle" eine Blume mit weißen Bändern an die "veste" des "nobi", d. h. des Bräutigams heftet. Dann führt der "nobi" die "nobi", welche beide Ringe in Gewahrsam genommen hat, nach seinem Hause, wo dieses Mal großer Ball ist. Die "nobis" ziehen sich zu nicht gar später Stunde zurück, die Übrigen tanzen bis um drei Uhr Morgens, wo den Neuvermählten die "rôtie", auch hier eine Weinsuppe mit Brot und Gewürzen, hineingetragen wird.
Auch in den Landes begegnen uns die "donzelons", die "donzelles" und die "nobis". Aber die "donzelons" laden nicht ein, das tun die "cassecans", die Hundeverjager, so genannt, weil sie früher das Amt hatten, beim Schluss der Hochzeit den Gästen die Tür zu weisen, sie also gewissermaßen wie überlästige Hunde wegzujagen. Eine Zwiebel wurde an den Spieß gesteckt und von einem Kind mit klarem Wasser begossen, die "cassecans" bewaffneten sich mit Besen, und die Gäste wussten, dass die Vorräte verzehrt waren und ihnen Nichts mehr übrig blieb, als sich höflich zu empfehlen. Jetzt haben die "cassecans" nur noch angenehme Obliegenheiten. Die Knopflöcher voll von bunten Bändchen, welche für die Geladenen bestimmt sind, ziehen sie mit lautem Gesang in die ihnen bezeichneten Häuser ein, trinken, wo ihnen eingeschenkt wird, essen Alles, was man ihnen vorsetzt, und finden ihre Sendung ebenso ehrenvoll, wie angenehm. Bevor sie jedoch dieselbe ausführen können, muss begreiflicher Weise die Hochzeit, zu welcher sie einladen sollen, angebahnt, ja, noch mehr, der Vollziehung nahe sein.
Das Anbahnen geschieht entweder durch den Freier selbst oder durch Abgesandte. Ist das Letztere der Fall, so werden die Beauftragten zu einem Mahle genötigt, an welchem nur die Männer Teil nehmen. Das Mädchen, um welches geworben wird, bedient. Trägt es unter andern Dingen eine Schüssel Nüsse auf, so ist der Antrag abgewiesen; "Nüsse geben" ist sprichwörtlich für Korb geben.
Kommt der Freier selbst, so weckt er, gemeinsam mit zwei Freunden, die jeder einen Krug mit Wein tragen, mitten in der Nacht die Familie der Angebeteten. Ohne über die Störung verwundert oder unwillig zu sein, stehen die Hausgenossen auf, kleiden sich an und sitzen bald mit den späten Gästen bei einem Mahle von Speckeierkuchen und "cruchades" (Kuchen von Hirsemehl in zerlassenem Speck gebacken). Man leert die beiden Krüge und spricht von allem Möglichen, nur nicht von der Heirat. Bei Tagesanbruch - so lange muss das Mahl sich hinziehen - steht das Mädchen auf, um den Nachtisch zu holen. Bringt sie die verhängnisvolle Schüssel herbei, so sagt man von dem verunglückten Bewerber: "c'est un galant à la noix" (das ist ein Nussfreier).
Sind keine Nüsse gegeben worden, so denkt das junge Mädchen zuerst an die Aussteuer, ohne welche es sich nicht verheiraten darf. Zum Glück werden nicht so hohe Ansprüche gemacht, wie in manchen andern Gegenden, z. B. in den Pyrenäen bei den Katalanen, wo das Mädchen ohne mehrere hundert Franken gar nicht genommen wird und daher oft gänzlich verblüht, bevor die armen Eltern genug zusammengespart haben, um sie an den Mann zu bringen. In den Landes genügt, außer der persönlichen Habe des Mädchens, ein Schrank und ein Bett. Fällt es der Braut zu schwer, oder ist es ihr gar unmöglich, dieses unumgänglich Nötige zu beschaffen, so darf sie, den Rocken an der Seite, bittweise bei den Nachbarn umhergehen, ohne sich dadurch im Geringsten etwas zu vergeben. Dennoch wird dieser Ausweg nur selten eingeschlagen.
Nehmen wir an, er sei nicht nötig, oder, war er es, mit Erfolg gekrönt gewesen. Genug, die Braut besitzt, was sie bedarf, und der Kontrakt wird abgeschlossen. Die "donzelons" sind gewählt, die "cassecans" haben das Ihrige verrichtet. Die "donzelles" kommen zur Braut und nähen ihr singend das Bett. Den Abend vor der Hochzeit, die stets am Dienstag stattfindet, wird es zum Bräutigam gefahren.
Hoch oben thront die Patin der Braut, der Rocken, von dem sie Hanf spinnt, ist mit buntem Papier und Bändern geschmückt. Ist irgend Platz, so klettern auch noch einige "donzelles" auf den Wagen, welcher von Ochsen mit festlichen weißen Satteldecken langsam dahingezogen wird.
Am Dienstag früh finden die "donzelles" sich abermals bei der Braut ein, um sie anzukleiden. Dabei singen sie ihr Lob. Sie haben eine schöne Braut - sie wollen einen ebenso schönen Bräutigam. Ihr Auge ist sanft wie ein Mondstrahl und glänzt doch auch mehr als in der aufgehenden Sonne der Tautropfen, welcher am Heidekraut des Weges hängt. Ihre Wangen leuchten von Jugend wie die wilden Mohnblumen; bei ihrem Anblick sind die Jünglinge bewegt, und die Alten rufen sich die süßen Erinnerungen der Jugend zurück. Die jungen Mädchen sollen sie singen, sollen mit vollen Händen Buchsbaum auf den Weg streuen, den sie durchwandeln wird. Und ist der Bräutigam nicht der Erste unter seinen Altersgenossen, hat seine Mutter über ihn nicht Tränen des Stolzes und der Freude vergossen, ist sein Wuchs nicht fein wie der biegsame Zweig des Heidebusches und sein Arm nicht nervig wie die Weinranke, haben die jungen Mädchen nicht errötend das Glück der Braut beneidet, so wollen die "donzelles" den Bräutigam nicht, denn sie haben eine schöne Braut - sie wollen einen ebenso schönen Bräutigam.
Auch während die "donzelles" hinter den "donzelons" nach der Kirche reiten, müssen sie singen und die Braut trösten und ermutigen. Diese Tröstungen sind sehr lieblich. "Warum," heißt es, "warum, o Braut, beben auf deiner Stirn die Knospen deiner Krone? Es ist nicht sehr hart, "Ja" zu sagen; hast du es ein Mal gesagt, wird es dir süß dünken und du wirst es immerfort wiederholen wollen. Die Nachtigall sagt es in den Gebüschen, auf dem höchsten Zweige sagt es die Meise, die Welt hat mit einem Ja begonnen, und ehe man nicht Nein sagt, wird die Welt niemals enden."
In die Kirche wird die Braut von ihrem Paten gebracht, welcher sie auch zum Altar führt. Unter der Vorhalle der Kirche schlingt der Bräutigam ein rosenrotes Atlasband um die Taille der Braut. Bei dem Heraustreten aus der Kirche begrüßt eine Salve die Neuvermählten. Die Rückkehr geschieht in derselben Ordnung, wie der Hinritt. Wenn eine Wohnung auf dem Wege liegt, "gibt sie die passade." Bisweilen wird der Zug durch ein über die Straße gespanntes Band zum Anhalten aufgefordert; Erfrischungen werden unter einem Schattendach den Hochzeitsgästen angeboten, und sie nicht anzunehmen, gälte für die größte Beleidigung.
In ihr neues Haus wird die "mariée" durch den Herrn desselben eingeführt. Er nötigt sie, sich neben ihrem Gatten vor dem Herde niederzulassen, und sagt zu Beiden: "wisset, dass Alles, was hier ist, dem Einen wie dem Andern und der ganzen Familie gehört." Die junge Frau empfängt darauf von ihrer Patin den vollen Rocken und beginnt an einigen Orten die Ausübung ihrer neuen Pflichten mit dem Abkehren des Herdes. Bei Tische sitzen die neuen Gatten obenan, getanzt wird nach dem Dudelsack. Mit der "roste" oder "rôtie" wartet man hier nicht bis zum Morgengrauen; die Gatten müssen von ihr genießen, sobald sie ihr Gemach aufgesucht haben. Sie schmeckt abscheulich, denn was es nur Bitteres an Gewürzen geben kann, die ganz und gar nicht zusammengehören, das ist gewissenhaft hineingetan worden, um es den Gatten gleich zu Anfang recht deutlich zu machen, wie bitter das Leben oft schmecken könne.
Die Sorge der "donzelles" in den Landes: ob der Bräutigam so schön sei, wie die Braut, findet sich auch bei den poitevinischen Mädchen. Wenn das Dessert aufgetragen ist, erscheinen zwei und singen:
Où est-il vot' époux,
Est-il si beau que vous?
(Wo ist Euer Gatte? Ist er so schön wie Ihr?)
Die Braut fängt an zu weinen, oft steht sie auf und setzt sich in einen Winkel, die Mädchen fahren fort, bieten ihr einen Strauss und verlangen das Lösegeld (rançon):
Un gâteau de six blancs,
Six aunes de rubans.
(Einen Kuchen für sechs Blanken und sechs Ellen Band.)
Dann kommt das traurig mit Blumennamen spielende Couplet:
Le lendemain matin
Quand vous serez levée,
Mettez sur votre sein
Un bouquet de pensées,
Ous quatre coins du lit
Un bouquet de soucis.
(Am andern Morgen, wenn ihr aufsteht, steckt an die Brust einen Strauss Stiefmütterchen, an die vier Ecken des Bettes einen Strauss Ringelblumen.)
Und endlich hört sie die ernste Vorhersagung:
Vous n'irez plus au bal,
Vous gard'rez la maison,
Tandis que nous irons.
(Ihr werdet nicht mehr zum Tanze gehen, ihr werdet das Haus hüten, während wir gehen werden.)
Es ist der armen Braut, die so melancholisch angesungen wird, herzlich zu wünschen, dass sie wenigstens nicht versäumt habe, als Schutzmittel wider das Behexen bei ihrem Kirchgang ein Geldstück in ihren Schuh zu tun und sich außerdem gleich der "épousée" in der Bresse dadurch die Herrschaft zu sichern, dass sie sich den Trauring nicht bis über das zweite Fingerglied herunterschieben ließ. Ihre Hochzeitsgäste hat sie, bevor man in die Kirche zog, sämtlich "gezeichnet" (marqués), indem sie jedem ein Band auf der Schulter befestigte. Bei der Rückkehr in's Haus empfängt sie "l'offerte", d. h. von Jedem ein Stück Hausrat. Beim Ball tanzt sie mit einem Schuh und einem "sabot" (Holzschuh).
Die neuen Ehemänner sind jetzt nicht mehr, wie sonst, in Poitou gezwungen, "le saut de verruyes", d. h. einen Sprung über einen Graben mit Wasser zu tun, der so breit war, dass selbst der Gewandteste nicht darüber zu setzen vermochte, sondern so gut wie der Schwerfälligste in's Wasser fiel. Aber das "ferrement", das Beschlagen, findet am Morgen nach der Hochzeit noch statt, indem einer von den jungen Leuten mit einer weißen Baumwollmütze und einer Schmiedeschürze zuerst die "mariés" und dann alle Teilnehmer an der Hochzeit mit seinem Hammer leicht gegen den Fuß schlägt. Hat er die Runde durchgemacht, so wird schließlich auch er beschlagen.
Heiratet das letzte Kind einer Familie, so zerschlägt man am Schluss des Mahles alles Tafelgeschirr und streut im Saale Nüsse aus. Am nächsten Morgen nach dem Frühstück folgt dann der Zug des "traîne-balai", d.h. die jungen Eheleute durchziehen mit ihren Gästen lustig das Dorf, wobei der Älteste von der Gesellschaft an einer langen Stange einen Besen hinter d'rein trägt. Als Kuriosum möge aus dem Poitou noch angeführt werden, dass man in der Umgegend von Niort das Alter eines heiratsfähigen Mädchens nach den Märkten dieser Stadt rechnet, weil die Mütter im Departement der Deux-Sèvres ihre Töchter gern zur Marktzeit nach dem "chef-lieu" führen, um sie sehen zu lassen und wo möglich zu verheiraten. Ist ein Fräulein nun schon mehrmals dort gewesen, so heißt es: "sie hat so und so viel Märkte," gerade wie man bei einer jungen Engländerin von ihrer dritten oder vierten "season" spricht.
Die Nüsse spielen auch anderswo bei Heiraten eine Rolle. Zu Gaillac wirft man den Gatten, während sie noch vor dem Altar knien, schon Nüsse auf den Rücken, und bei dem Ball, welchen im Gex der Verlobte am Tage der ersten Abkündigung geben muss, werfen die Eingeladenen Nüsse mit vollen Händen aus. Dagegen hielt man es nicht für anständig, wenn vor dem Hause eines jungen Mädchens eine Haselstaude als "Mai" aufgesteckt wurde.
Dem Mai traut man in Frankreich ebenfalls nicht beim Heiraten, denn im Avranchin singt man noch heutiges Tages:
Jeunes gens qu'êtes à marier,
Oh, ne vous mariez pas dans le mois de mai!
(Junge Leute, die ihr zu verheiraten seid, o, verheiratet euch nicht im Monat Mai!)
und im Berry nennt man eine Ehe, die unter unglücklichen Vorzeichen geschlossen wird, "mariage de mai" (Maiheirat).
Der Freiwerber wandert im Berry unter den Namen "Chat-bure" und "Chien blanc" (Gans und weißer Hund) auf seine Amtsgänge aus. Vesperbrot bekommt er allenthalben, aber setzt man ihm Eier dabei vor, so sind die ebenso gut, d. h. ebenso schlimm wie der Eierkuchen im Bourbonnais. Dagegen wird seine Bemühung nicht ohne Frucht bleiben, wenn er, mit dem Stock in der heißen Asche des Herdes herumstochernd, eine Birne oder einen Apfel entdeckt, welche die Eltern des Mädchens dort verborgen haben.
Bei der Hochzeit müssen alle Gäste versuchen, der Braut die Schuhe anzuziehen und dem Bräutigam allein darf es gelingen. Ebenso ist er es, "qui ceintoure sa promise" (der seine Verlobte umgürtet), doch erst, wenn er sich vom Schwiegervater ehrfurchtsvoll die Erlaubnis dazu eingeholt hat. Der weißbedeckte Wagen fährt ganz wie in der Normandie dem Zuge voran und heißt: "charte encortinée" (behangener Karren). Auch ein großes Laib Brot wird vorangetragen; die Braut wirft kleine Stückchen Kuchen aus, die aber nicht abgeschnitten, sondern abgebrochen sein müssen. Besondere Hochzeitskuchen, etwa ähnlich den "wedding-cakes", werden jedoch nur noch in Béarn gebacken.
Die Eingeladenen tun sich im Berry zusammen, um Zuckerzeug einzukaufen, welches sie unter dem Namen "fricassée" in großen Schüsseln anbieten. Die Geldgeschenke sammelt die Braut selbst, indem sie, geleitet von ihrem Ehrenmädchen, mit dem Teller herumgeht. Ihrerseits gibt sie Jedem ohne Unterschied eines von den schmalen Bändchen, die man "faveurs" nennt, und damit zugleich die Erlaubnis zu einem Kuss, gerade wie die unter der Tür stehende Braut in der Auvergne es tut.
Das Kraut finden wir auch hier in mystischen Ehren: auf das Dach des Hochzeitshauses werden bisweilen feierlich zwei Krautköpfe gesteckt, von welchen der eine aus dem Garten des Bräutigams, der andere aus dem der Braut sein muss.
Heiratete die Braut sonst einen "horzain" (Auswärtigen) und wollten die Burschen des heimatlichen Dorfes sie aufhalten, so warf sie ihnen einen Ball von Wolle zu, in welchem ein Geldstück befindlich war, das "eteur" oder "eteuque" hieß. Die Burschen balgten sich um den Ball, und die Braut zog ungehindert ihres Weges.
Im Departement de la Yonne sind die Höhlen von Arcy, von denen die vierte der Ballsaal heißt. So oft in der Gegend eine Hochzeit gefeiert wird, zieht den Tag darauf die Gesellschaft nach diesen Höhlen und macht sich das phantastische Vergnügen, nach der Musik des Dudelsacks und beim Scheine von Fackeln unter der Erde zu tanzen.
Im Morvand muss die Braut, sobald sie aus der Kirche in das Haus zurückkommt, in einen Ranft Brot beißen und den ihr im Wege liegenden Besen aufheben, so gut wie im Gex in Lothringen, im Berry, im Bazadais und in den Landes von Gascogne. Im Chartrain aßen sonst die Gatten gleich an der Kirchentür und das war dem armen Bräutigam zu gönnen, der sich auch hier nicht mit zu Tische setzen durfte und es noch jetzt nicht darf. In das Bett tut man den neuen Gatten geschnittenes Rosshaar und Stecknadeln, aber man näht sie nicht länger in die Betttücher ein.
Im Arrondissement von Châteaudun wiederholt sich das "ferrement" aus Poitou, nur mit den Abänderungen, dass bloß die Verlobten beschlagen werden und zwar in dem Augenblick, wo sie sich in der Kirche auf die Knie niederlassen, wo dann von zwei Burschen von der Hochzeit jedem der linke Fuß aufgehoben und mit der flachen Klinge eines großen Messers gegen die Sohle geschlagen wird.
In einigen Dörfern der Beauce endlich bringen die jungen Mädchen der Neuvermählten in einem Körbchen halb verborgen zwei Turteltauben, die sie küsst und dann fliegen lässt.