Die Niederlande
"Vrijagie", auszusprechen Freiadschie - klingt das nicht ganz nach Puder und Perücke, nach Gravität und Grandezza? Wenn in der holländischen Poesie Venus und Adonis eine "Vrijagie" haben, so denkt man sich Venus unwillkürlich im Reifrock, Adonis ist "coiffiert", und der Eber kommt, um das bekannte Unheil anzurichten, im Menuettschritt angetrabt.
Doch ist "Vrijagie" nur der allgemeine Name für die niederländische Liebesgeschichte. Die verschiedenen Provinzen haben ihre eigenen Bezeichnungen. In Friesland heißt das Freien "verkeeren", auf dem platten Lande "meiden" oder "uit meiden gaan"; in Westfriesland "schooijen", zu Hindelopen "it kortegerdjen". Auf den Inseln Texel, Wieringen und andern wurde sonst "kweesten" gesagt; jetzt sagt man auf Texel "kaaijen". "Opzitten" ist zu Zaandam der Ausdruck ",zaturdagavond houden" zu Goes, bei Axel "verzoek ontvangen", und so mag es an verschiedenen Orten noch weiter die mannichfaltigsten Namen geben.
Selbst die eigentliche, alte "Vrijagie", die, welche in Werkchen, wie "Amoureuse Sendschreiben" oder "Amoureuse raadsels" gelernt hatte, mit Maß und Takt, gleichsam auf den Zehenspitzen fortzuschreiten, selbst sie hatte noch eine zweite Benennung. Wollte nämlich der Jüngling einem Mädchen zu erkennen geben, dass er es anders ansehe, als die Allgemeinheit der Mädchen, so steckte er eine Blume oder einen "ruiker" (das schlesische "Riechel", Sträußchen) in den Ring oder den Klopfer ihrer Haustür, und diese duftige Galanterie stand in dem "woordenboek der amoureusheid" (Wörterbuch der Verliebtheit) unter der Bezeichnung: "een meisje besteken," ein Mädchen anbinden.
War nun der Türklopfer "bestochen" und das Mädchen "angebunden", so gab der Jüngling den nächsten Morgen Acht auf das Straßenpflaster vor der geliebten Haustür. Lag seine Blumengabe nicht dort, so durfte er annehmen, dass sie von einer sorgsamen Hand in irgend ein Glas mit Wasser gesetzt worden sei, und die "Vrijagie" ging säuberlich weiter, besonders Abends, indem ein holländischer Dichter ausdrücklich gelehrt hatte:
Sicher sind die Abendstunden,
Immer süßer als das Licht,
Immer passender befunden
Zu der lieben Freierspflicht.
Der Jüngling beherzigte diese Lehre, er fuhr fort, den Türklopfer zu bestechen; um den dritten Strauss kam schon ein zierliches Band, in den fünften eine "geestigheid" (Geistreichheit), aus welcher das Mädchen den Namen seines Verehrers erraten konnte. Dann wurde ein zierliches Körbchen mit "Speculatie" (Pfefferkuchen, Spekulatius) auf das Fenstergesims der Angebeteten befördert oder auf eine Stange befestigt, die unter dem schönen Namen "Maibaum" vor dem Hause aufgepflanzt wurde. Hierauf folgte ein Ständchen, welches feierlich und altfränkisch "aubade" hieß, und den Schluss der ehrfurchtsvoll entfernten, sowie den Anfang der leidenschaftlich persönlichen "Vrijagie" bildete ein Nachtbesuch vor der Tür oder unter dem Fenster.
Die Maibäume werden in Brabant noch jetzt bisweilen geliebten Mädchen gesetzt und zwar in der Nacht zum ersten Mai. Es sind junge, mit Fähnchen, Kränzen und Bauschgold ausgeputzte Tannen, liebliche Gegensätze zu den "voddeventen" (Lappenburschen), den Männerkarikaturen aus Stroh, welche in derselben Nacht vor die Fenster hochmütiger oder wankelmütiger Jungfern kommen. Die "Speculatie" spielt ebenfalls noch eine große Rolle als Liebesdolmetscher, besonders in Antwerpen, wo früher an Lätare ein mittelalterlich gekleideter Reiter als "Graf von Halbfasten" die Stadt durchzog und den Kindern Pfefferkuchen zuwarf. Er reitet nicht mehr, aber sein Bild in Pfefferkuchen wird von den jungen Leuten anonym den Damen ihrer Gedanken zugesandt, und je größer der "Greef", je ernstlicher ist die Huldigung gemeint. Die Antwort auf diese buchstäblich "süße Frage" muss der Sender allerdings auf einem der gewöhnlichen Wege nachsuchen; auf die Straße fliegt kein "Greef", dazu essen die Antwerpenerinnen viel zu gern "Speculatie".
In einigen Dörfern von Nordbrabant dagegen erfährt der Jüngling, welcher seiner Angebeteten einen Pfefferkuchen als "hylickmaker" (Eheprokurator) sendet, sein Schicksal bereits am folgenden Tage, wenn er in ihr Haus Kaffee trinken kommt. Ist der Kuchen aufgeschnitten, steht es gut; ist er's nicht, steht es schlecht. Anderweitig in Nordbrabant kommen die Freier des Mädchens Abends zum Bauer ",um sich die Pfeife anzustecken." Jeder von ihnen erbietet sich galant, dem Mädchen den Kessel, worin "de sop", das "Grüne", für das Vieh gekocht wird, vom Feuer heben und in den Stall hinaus tragen zu helfen, und derjenige, dessen Beistand die Schöne annimmt, hat, für diesen Abend wenigstens, das Recht, bei ihr zu bleiben.
Ebenso erscheint in dem Teile von Südholland, welcher "de vijf Heeren-landen" (die Fünf-Herrenlande) heißt, der "Jungmann", der sich mit Freiersgedanken trägt, Sonntags "am Vorabend" im Hause des Mädchens und setzt sich im Familienkreise nieder. Ist er gut angeschrieben ",steht er auf einem guten Blättchen," so wird ihm eine Pfeife angeboten. Nicht lange währt es, so verlässt das Mädchen den Kreis und das Zimmer, und der junge Besucher ermangelt nicht, diesem Beispiel zu folgen. Findet er das Mädchen minder geneigt, ihn anzuhören, als bei der neulichen Bekanntschaft auf der Kirmes, so kommt er bald zurück, verhehlt mit Mühe "een blaauwe scheen" (ein blaues Schienbein, Äquivalent für Korb), und entfernt sich so bald es tunlich ist. War das Zwiegespräch ermutigend, so dauert die Abwesenheit länger und der Jungmann zeigt, wenn er seinen Platz im Kreise wieder einnimmt, ein bedeutend gehobenes Selbstbewusstsein. Wenn die Zeit zum Abendessen herankommt und die, welche nur um zu "buurhuizen", d. h. nachbarlich zu schwatzen da waren, die Familie verlassen, so bleibt er und setzt sich mit zum sonntäglichen Reisbrei, und wenn Eines nach dem Andern, zuletzt selbst Vater und Mutter zu Bett gegangen sind, dann bleibt er erst recht, gewöhnlich bis an den Morgen. Von da an wiederholt er seine Besuche, ohne dass die beiderseitigen Eltern scheinbar darauf achten, wenigstens nicht eher, als bis die jungen Leute übereinkommen, gemeinschaftlich auf eine Kirmes oder einen Markt zu wandern. Wird das Mädchen hierzu abgeholt, gilt das als ein offenes Bekenntnis und dann fangen die Eltern an, über die Hochzeit zu reden.
Zu Streefkerk und in der Umgegend entscheidet wiederum der "Kirmeskuchen", welchen in Südholland der junge Bauer dem Mädchen, dessen genauere Bekanntschaft er auf der "Kermis" gemacht, beim Heimgeleiten zu verehren pflegt. Ist bei dem Besuch, welchen der junge Geber binnen vierzehn Tagen abstattet, dieses Geschenk bereits den Weg alles guten Kuchens gegangen, so mag auch der Bewerber getrost seines Weges gehen und mit einem andern Kirmeskuchen bei einer andern "jungen Tochter" sein Glück versuchen. Bietet ihm aber das Mädchen ein Stück des geschenkten Kuchens an, so kann er seine Freierei getrost fortsetzen, vorzüglich wenn das Stück nicht von einem Ende, sondern aus der Mitte, aus dem Herzen des Kuchens, geschnitten ist.
Auch zu Axel hat der Kuchen symbolische Bedeutung. Das Mädchen holt zum "Besuch Empfangen" die Erlaubnis der Eltern ein, aber der Freier stellt sich diesen nicht vor; er steigt, versehen
mit dem großen süßen Kuchen, durch's Fenster zu der Schönen hinein. Dort handelt es sich nun darum, ob sie, was vom Kuchen übrig bleibt, annimmt. So lange sie es nicht getan, ist der junge Mann ihrer Gesinnung nicht sicher. Tut sie es, so begeben Beide sich zu den Eltern, und stimmen die ein, wird die ganze Familie und oft auch die Nachbarschaft so rasch wie möglich zu Reisbrei mit Zucker und Zimt eingeladen. Gefällt dem Mädchen der Freier schließlich nicht, so muss er am vierten Abend mit seinem Kuchen abziehen, ohne das derselbe auch nur angebrochen worden wäre, und dieser Abzug nennt man in Südbrabant "mit dem Kuchen auf dem Kopfe heimkommen".
Früher wurden die "Vrijagie" auch durch menschliche Hilfe vermittelt. In den Ommelanden z.B. ließ der Freier sein Begehren durch einen Freund "andienen", der "vrijerdrager" (Freierträger), "maaks-" oder "meeksman" (Macher) oder "degensman" hieß, welcher letztere Benennung wahrscheinlich von "dedingsman" vom geldernschen "dadigen", abschließen, herstammte. Der "meeksman" und die Eltern verständigten sich über die Zeit, wo der Freier das Mädchen besuchen sollte; gewöhnlich wurde sie nach acht Tagen und sicher an einem Dienstag oder Freitag festgestellt. An dem bestimmten Abend begaben Freier und "meeksman", Beide mit Stöcken versehen, sich in das Haus des Mädchens; der "meeksman" richtete seine Botschaft aus und gab dem Mädchen einen Kuss, und der Freier folgte ihm hierin nach. Wenn der "Vrijagie" erst etwas in Gang gekommen war, zog der "meeksman" sich in ein anderes Gemach zurück, und um zwölf oder ein Uhr empfahlen sich Beide, nachdem der Tag des nächsten Besuches verabredet worden war. Diesen machte der Freier allein und hörte von der Geliebten, "die Sache werde bis zu einem bestimmten Tag in Beratung gezogen werden." An diesem Tag erschien der Freier abermals mit dem "meeksman", und die Entscheidung auf "ab oder an" erfolgte. War's "an", so wurde die Kaffeekanne mit Grün verziert, ein Band an den Stock gebunden, wohl auch dem Pferde vor der "chais", in welcher Beide gekommen waren, Mähnen und Schwanz durchflochten; man fuhr nicht in der Nacht, sondern erst am lichten Tage weg, und der "meeksman" hatte sich einen neuen Hut verdient. Im Groningerlande wurde bei wohlhabenden Leuten am Tage der Entscheidung eine Mahlzeit aufgetragen. Kam ein Schinken auf den Tisch, so war die Antwort bejahend.
Zu Zaandam hießen die Vermittler "Hylkemakers" und wurden durch das Versprechen, sie sollten im günstigen Fall Geld und neue Kleider empfangen, zu der Bemühung bewogen, "de deur op de klink te zetten", d.h. die Tür anzulehnen, damit sie leicht aufgehe. Später teilte die Freierei sich in zwei Perioden, in eine "lose" und eine "feste". Die erste begann eines Sonntags sechs Uhr Nachmittags mit der Verabredung einiger junger Männer, dass sie "selschippen", nämlich eine Gesellschaft mit einigen Pärchen zusammenbringen wollten. Jedem der jungen Leute blieb es überlassen, ein Mädchen dazu auszusuchen und zu überreden. Ausgesucht mochte das Mädchen vielleicht schon sein, überreden musst' er es um neun Uhr Abends, den nicht früher und nicht später durft' er sich nicht einstellen und "aanpraten" oder "aanpraijen" (ansprechen), ob das Mädchen mit ihm aufsitzen wollte. Kam er früher, hörte man nicht auf ihn; kam er später, wurde angenommen, er sei bereits bei einer Andern "blau angelaufen", und er fand eine verschlossene Tür. Glückte es ihm, diese durch überzeugende Worte aufzuschmeicheln, oder war er pünktlich mit dem Glockenschlag neun zur Stelle und traf die Tür offen und das Mädchen geneigt, zu "selschippen", so kamen Beide mit den übrigen Paaren in dem Hause zusammen, wohin die Burschen alles Nötige besorgt hatten, und dort wurde die Nacht mit Singen und Pfänderspielen zugebracht, aber sehr vernünftiger Weise ohne Wein und Branntwein. Drei Sonntage nach einander kann der Freier so "aanpraten"; gefiel er nicht, "kriegt' er am dritten Blau", d.h. eine abschlägige Antwort. Im entgegengesetztem Falle ging "die lose Conversatie" in die "feste" über, der Jüngling kam früher und blieb länger, durfte dann auch Mittwochs kommen, zu Pfingsten mit dem Mädchen nach Amsterdam und im Oktober auf die Kirmes gehen, bis endlich die Hochzeit erfolgte.
In Friesland fand sich, wenn der Jüngling glücklich seine "Declaratie" angebracht hatte, sein
Vater oder sein Vormund bei dem Vater des Mädchens ein, um für den Sohn die Erlaubnis zum "Verkehren" nachzusuchen. Wurde sie zugestanden, so folgte, eine Zeit voll Vergnügungen, unter denen Tanzen und Eislaufen die beliebtesten waren. Seine Besuche stattete der Freier des Sonntags ab und zwar von neun bis ein Uhr Nachts, den, lautet die Regel:
Vrijers, die't meenen,
Komen voor tienen en gaan niet voor eenen.
(Freier, die's ernst meinen, kommen vor Zehn und geh'n nicht vor Eins.)
Bei den nächtlichen Besuchen, welche auf Texel und den andern Eilanden die jungen Leute neben der Tochter auf der Bettdecke liegend, also ganz nach skandinavischer Sitte, abstatteten, durften sie bis eine Stunde vor Tagesanbruch bleiben.
In Hindelopen begibt der Freier sich gewöhnlich zu einer bejahrten Witwe und sendet diese mit der Anfrage, ob er einen Besuch machen dürfe, in das Haus des Mädchens. Wird er nicht abschlägig beschieden, so findet er am Abend das Mädchen in dem sogenannten "Iijtshuws", dem Nebengebäude, welches von dem eigentlichen Wohnhaus getrennt ist. Der "Jungmann" gibt seiner Auserwählten Geld, um das Nötige zu einer Abendmahlzeit einzukaufen, und sie geht meistens in das Haus der Witwe, wo schon Alles bereit steht. Kommt sie rasch zurück, so hat der Freier Grund zu den besten Hoffnungen; lässt sie ihn lange warten, sieht es bedenklich aus. Dennoch wiederholt er seine Besuche, welche das "kortegerdjen" (Kurtisieren) genannt werden, so lange, bis es ihm unwiderleglich klar wird, dass er hier nichts zu suchen habe. Darf er sie in allem Ernste fortsetzen, so bemüht das Mädchen sich ängstlich, das Licht in dem "Iijtshuws" so zu stellen, dass es von außen nicht gesehen werde, und nicht die "struners" herbeilocke, nämlich junge Leute, welche es sich zur Aufgabe machen, zu "strunen", d.h. der Freierei entgegenzuwirken und sie durch allerlei Neckereien zu stören. Für gewöhnlich begnügt der "struner" sich allerdings mit einem kurzen Einsprechen bei den Liebenden und überlässt sie, nachdem er seine Pfeife angesteckt und ein - oder zweimal den Branntwein versucht hat, ohne sie weiter zu behelligen, wieder sich selbst. Indessen nicht immer ist er so gutmütig und wird gar sein Besuch abgelehnt, so kann er höchst unangenehm werden und den Liebesleutchen allen erdenklichen Schabernack zufügen. In Hindelopen oktroyiert er sich bisweilen sogar für den ganzen Abend und darf, ist er vom gleichen Stande wie der Freier und sorgt er für einen genügenden Vorrat von Kuchen und Wein, durchaus nicht abgewiesen werde. Dass bei diesen Gelegenheiten, besonders wenn der Eindringling gern selbst das Mädchen haben möchte, der Frieden nicht immer erhalten bleibt, lässt sich denken.
Auf dem "platten Lande" in Friesland kommt der junge Bauer, welcher sein Auge auf ein Mädchen geworfen hat, am Sonnabend oder Sonntag Abend in's Haus und richtet, nachdem er auf die gewöhnliche Art den Hausherrn begrüßt hat, unter irgend einem Vorwand das Wort an seine Erkorene. Steht sie auf, rückt sich die Mütze, überhaupt den Anzug zurecht, so wissen die Eltern, was es zu bedeuten hat, gehen zu ihrer gewohnten Zeit zu Bette und lassen das junge Paar allein. Bleibt das Mädchen aber ruhig sitzen, so kann der "Jungmann" darauf rechnen, dass man, "vor seiner Nase" das Feuer unter der Asche geborgen und ihm so die stillschweigende Mahnung erteilt wird, seinen Versuch zur "Conversatie" nicht zu wiederholen. In Westfriesland steht die "Tochter", ist sie geneigt, auf und gibt dem Besucher einen Stuhl; ist sie nicht geneigt, greift sie nach der Zange, und der “Jungmann” weiß, was das bedeutet, den:
Vor der Zange
Sind die Freier bange.
Zu Herzogenbusch wird das Mädchen durch einen Freund ihres Anbeters und Freiers dessen Anliegen offenbart, sie möge, wenn sie ihm günstig sei, zu ihm in die nahe Herberge kommen. Gefällt ihr der harrende Freier, so sagt sie zu dem abgesandten Freunde: "trekken moet je" (ziehen müsst ihr). Sie will schon kommen, aber sie will es nur mit Zwang, und der Freund tut ihr den Gefallen, er zieht an ihr
aus Leibeskräften, sie widerstrebt ebenso, und je schwerer es ihm wird, sie zu ihrem Liebsten hinzubringen, je mehr Ehre hat sie davon.
Den kürzesten und sichersten Weg, um zu erfahren, wie er d'ran ist, schlägt der junge Bauer in Noordwijk und den umliegenden Dörfern ein. "Neeltje," oder "Lijsje," sagt er, bevor er die "Vrijagie" beginnt, zu dem Mädchen, welches der Gegenstand derselben worden soll ",hebt gij al een avontuurtje gehad?" (habt Ihr schon ein Abenteuerchen, d. h. einen Freier gehabt?) Und antwortet dann Lijsje oder Neeltje mit Ja, so denkt der Bursche an das vaterländische Sprichwort: "Verkauft Fleisch - Hände von der Bank!" wünscht Neeltje oder Lijsje einen guten Abend, und geht sich wo anders umsehen.
Über die öffentliche Verlobung können wir hinweggehen, indem das Schenken von Schaumünzen, das Überreichen des "Pfandpfennigs", des "Knotentuches", in welchem das Mädchen zum Zeichen der Einwilligung einen lose geschlungenen Knoten festzog, genug, sämtliche Gewohnheiten, welche die "ondertrouw" früher bezeichneten, längst gänzlich verschwunden sind.
Auch bei der Hochzeit selbst ist Vieles, ja, das Meiste und Interessanteste allmählich weggefallen, doch haben die Hochzeitszeremonien sich länger erhalten, und hier und da sind einige sogar jetzt noch übrig geblieben. Wir sind also völlig befugt, dieselben ausführlich zu schildern.
Die Vorbereitungen zur Hochzeit begannen, sobald der Tag derselben von den beiderseitigen Müttern festgesetzt worden war. Zuerst wurden aus der Familie oder den Freunden zwei "speelnoots" und zwei "speelmeisjes" (Spielgenossen und Spielmädchen) auserwählt. Die Wahl war so gut von ernster Bedeutung, wie das Amt selbst. Zu diesem wurden sogar Instruktionen für nötig erachtet, denn in einem "Hochzeitsvers" (De nieuwe Courant van 1723) stand zu lesen:
Zu Amsterdam bei Jan Crispin
Wird gedruckt und ausgegeben,
Wie die "speelnoots" müssen leben,
Wenn sie auf der Hochzeit sind;
und:
Zu Amsterdam bei Floor de Geest
Wird gedruckt und ausgegeben,
Wie "speelmeisjes" müssen leben,
Wenn sie sind beim Hochzeitsfest.
Zu Hoorn gab es einen "speelnoot hoog" (hohen) und einen "speelnoot laag" (niedern Spielgenossen). Dem Ersteren waren die Zeremonien bei der Tafel anvertraut, dem Zweiten lag das Einführen der Gäste ob. In Friesland gab es statt der Spielgenossen und Spielmädchen "Bruidegomsbroeders" und "Bruidszusters" (Bräutigamsbrüder und Brautschwestern).
Die wirklichen Geschwister des Brautpaares bestimmten nach einem alten, ihnen zustehenden Rechte, die Bruder die Mädchen, denen sie aufwarten wollten, die Schwestern die jungen Männer, die ihnen aufwarten sollten. Darauf erkor man noch aus den Dienstmägden ein Mädchen, welches, zierlich gekleidet, mit einer weißen Schürze und einer "verzierten Blume" an der Brust, während der "Brauttage" und bei der Hochzeit sich in der Nähe der Braut hielt, und wenn Alles abgetan war, auf "das Brautstück", ein besonderes und beträchtliches Geschenk, zu rechnen hatte.
Die Kleidung der Braut wurde natürlich nicht vergessen, denn Alles, was die "Jungeleute" am Trautag an sich hatten, musste "glutneu" sein. Die Farbe des Brautkleides war maßgebend für den Anzug des Bräutigams, selbst die Gäste mussten sich in den Litzen und Schulterschnüren danach richten. Der Bräutigam schenkte Fächer, Handschuhe und ein großes Teil schöner Spitzen; er seinerseits erhielt ein Oberhemd mit Spitzen und ein feines Halstuch. Die Brautleute sandten einander diese Geschenke in zierlichen blumengeschmückten Körbchen zu; die vollständige Kleidung der Braut wurde im "Brautkorb" zur Schau gestellt. Die Brautkrone bestand bei Reichen aus Perlen und Diamanten, bei Anderen nur aus Blumen.
In Friesland war es Gewohnheit, die Hochzeitskleider schwarz und von so dauerhaftem Stoffe zu nehmen, dass sie beim Todesfalle des einen Gatten dem überlebenden als Trauerkleider dienen konnten. Damit noch nicht zufrieden, fügte man der Ausstattung ein Totenhemd, eine Mütze und ein Laken hinzu, welche mehr nützliche, als erfreuliche Gegenstände, mit einem schwarzen Band zusammengebunden, einen
bestimmten Platz im Schrank oder im Kasten erhielten. Trotzdem war es eine heitere Festlichkeit, wenn die Ausstattung der Braut in geschmückten Körben durch Dienstmädchen mit weißen Schürzen nach dem Hause des Bräutigams gebracht wurde. Sie hatte sogar einen eigenen Namen: "het toogen" (das Ziehen). "Zij zijn aan het toogen" (sie sind beim Ziehen), sagte man von den "Jungleuten" ganz wie von den Vögeln, wenn sie zu Neste tragen.
Das fand jedoch immer erst in den "Brauttagen" statt, und diese konnten nicht eher beginnen, als bis die "Jungeleute" mit den "Spielgesellen" ",Spielmädchen" und andern jungen Freunden sich zum Abfassen der "Traubriefe" und zum "Grünmachen" der beiden Familienhäuser in munterer Vereinigung zusammentaten. Das "Grünmachen" wurde besonders eifrig im Brauthaus betrieben, und hier wiederum der reichlichste Schmuck von Blumen am Spiegel und an den Stühlen des jungen Paares verschwendet. Nur in Nordholland begnügte man sich, den Türklopfer und die Stufen vor dem Hause zu schmücken.
War das Alles geschehen, so folgte bald der Tag der "aantekening", des Einschreibens, Einzeichnens, des "Gehens vor die rote Tür", wie man in Amsterdam sagte. Das Gemach unfern der "Alten Kirche", wo die Kommissarien in Ehesachen sich versammelten, wurde nämlich durch eine rote Tür geschlossen.
Mit der Zurückkunft der "Jungeleute" vom Stadthaus begann die heitere Zeit der "Brauttage". Die Eltern und andern Nächsten wünschten dem jungen Paare Glück, dem Bräutigam wurde die "Prunkpfeife" angeboten, für die Braut standen die "Brauttränen" bereit, die sie einschenken musste. In Amsterdam bestanden sie aus "Ipocras", Rot- oder Rheinwein über Zimt abgezogen, in Südholland bald aus Rotwein mit Zucker, bald aus Branntwein mit Zucker und Rosinen, in der silbernen, mit Grün verzierten "Brautschale", aus welcher alle Kommenden und Gehenden mit einem silbernen Löffel ein wenig schöpften. In Friesland wurde auf dieselbe Weise gleichfalls Branntwein mit Zucker und Rosinen genossen, in und bei Kampen gibt es unter dem alten Namen "klongel-eul" (Mädchenbier), ganz ähnlich wie in Litauen, Wacholder mit Sirup. Bittere Mandelküchlein ",bitter und süß", wie die Ehe, wurden fast überall gereicht; nicht minder überzuckerte Mandeln in verschiedenen Formen als "kapittel-stokjes" und "Bohnen", und Tüten mit diesem "Brautzucker" sandte man in Amsterdam zugleich mit "Ipocras" in rutenumflochtenen Fläschchen mit bunten Bändern an Freunde und Bekannte. Waren die Väter der "Jungleute" im Besitze von Fabriken, Mühlen und Schiffen, so wurden an diesem Tage Kränze und Fahnen ausgehangen und die Flaggen aufgehisst. Am Abend gab der Vater der Braut das "commissarismaal", welches durch Gesänge der "Jugend" und durch Rezitieren aus "Vater Cats" erheitert wurde. "Vater Cats der wusst' es wohl," sagte man, wenn es sich um Freien und Trauen handelte, und in der Tat hat dieser bedeutendste der niederdeutschen Didaktiker es an weisen Aussprüchen über Beides nicht mangeln lassen.
An einigen Orten geht es beim "aantekenen" lebhafter zu. Zu Tilburg und in der Umgegend, wo es am Sonnabend stattfindet, schießen am Abend vorher und beim Gang nach dem Stadthaus die "Nachbarsjungen" am Hause der Braut, vor welchem zu Waalwijk noch überdies eine Ehrenpforte aufgerichtet wird, sowie die Stufen mit Sand bestreut werden. Zeigt das Brautpaar sich für diese Ehrenbezeigungen nicht dankbar, indem es die Burschen mit Bier und die Mädchen mit Kaffee und "mikkebrood" (Weißbrot) bewirtet, so "stechen sie Braut und Bräutigam" aus, indem sie nahe von oder gar vor ihrem Hause ein großes Feuer anzünden. Zu Dongen ruft man in diesem Falle sogar durch ein Horn die Nachbarschaft zusammen, um vor dem Hause der Verlobten verhöhnend zu tanzen und zu singen.
Während der Brauttage wurden die "Jungeleute" als große Personagen behandelt, und wer sich irgendwie gegen den ihnen gebührenden Respekt verging, musste eine Geldbusse in eine Sparbüchse tun, die beim ersten "speelnoot" aufgestellt war. Die Braut durfte sich mit Nichts bemühen und keine Hand anlegen, so dass man zu Jemand, der gänzlich müßig dasitzt, noch jetzt sprichwörtlich sagt: "Es ist, als ob ihr mit der Braut gekommen wäret." War es möglich, wurde jeden Tag ein anderes Vergnügen ver-
anstaltet; in Amsterdam gab es z. B. Einladungen auf Schiffe oder Wasserfahrten; ein Besuch des Theaters, "der Komödienabend", fehlte nie. In den "Landprovinzen" machte man gern eine Landpartie ",het spelerijden", bei welcher man commentsmässig auf jeder Brücke "heulen" und beim Sehen eines weißen Zaunes und einer bunten Kuh "zoenen" musste, was Beides auf Küssen hinauslief.
Die Gastereien vor der Hochzeit hießen die "geboden-malen", weil sie in der Zeit der "geboden" oder Aufgebote stattfanden. Diese Feierlichkeit hieß "van den preekstoel vallen", von der Kanzel fallen. Die Braut durfte sich nicht abkündigen hören.
Dagegen war es eine Pflicht für sie, ihre Bekannte und Freunde behufs der "felicitatie" feierlich zu empfangen. Man nannte das, sie in ihrer "staatsie" sehen, und in der Tat mochte sie unter einem Thronhimmel oder einer Krone, mit ihren "speelmeisjes" zur Seite, stattlich genug dasitzen. Hinter ihr hing ein weißer, durch Grün, Blumen und allerlei Zierrat gehobener Vorhang, und ebenso reich war die Tafel geschmückt, welche der Besuchenden harrte. Später saß das Brautpaar unter dem geschmückten Spiegel und der weibliche Teil der Besucher rund um den Saal, während der männliche in Nebenzimmern rauchte und den besten Rheinwein trank. Ein "Berg" von kleinem Gebäck mit Konfitüren erhob sich auf der Tafel in der Mitte des Saales, und beim Weggehen empfing jeder Besucher "für die Kinder" noch eine Tüte mit Zuckerwerk. Am längsten erhielt diese Sitte in ihrem ganzen Umfang sich zu Hoorn, wo man noch vor einigen Jahren den Freunden ankündigte, wann die Braut "in ihrer Staatsie sitzen würde." Sämtliche Nachbarn wurden ohne jeden Standesunterschied eingeladen und zugelassen, um "mit einem süßen Munde fortzugehen."
Zu Zaandam hieß diese Besuchsfeierlichkeit "Bruidje-Ket". Braut und Bräutigam erwarteten ihre Spielgenossen zu "Brauttränen", und nahmen dabei gleichsam Abschied von ihnen. Im Zutphenschen finden wir den Namen "boksen-bier", und der Besuch gilt dem Bräutigam und ist ein Picknick, denn jeder Besucher bringt etwas zur Schmauserei mit und der Bräutigam gibt bloß eine bestimmte Quantität Bier und Branntwein. Einer von den ältesten Bauernburschen verlangt die Büchse, d. h. das Beinkleid. Man nimmt an, dass der Bräutigam in der Ehe sich der Oberherrschaft entäußern werde, und ihm daher das Sinnbild derselben, die "bokse", nicht mehr nötig sei. Er protestiert mit allen Kräften dagegen, versichert und beteuert: er werde Herr bleiben und "die Büchse" anbehalten, aber man glaubt ihm nicht und er muss seine Büchse mit Bier oder dergleichen auslösen. In Twenthe wird der Bräutigam auf ähnliche Art besucht, doch die Braut darum nicht vergessen, indem man vor ihrem Hause Gewehre löst und dabei ganz ungezwungen in die Fenster des Vordergiebels hineinschießt. Je mehr Scheiben klirren, je mehr Ehre ist es für den Brautvater ",dem es ja doch auf zwanzig oder dreißig Scheiben nicht ankommen kann." In Friesland, wo dieselbe Sitte herrschte, sagte man daher zu einem Vater, der sich seiner hübschen und begehrten Töchter freute: "was werden sie euch noch an Scheiben kosten!"
In einigen Teilen von Südholland sagt man, wahrscheinlich von "indagen" (laden), für diesen Besuch "de daag". Es erscheinen dazu sämtliche "getraute" Freunde des jungen Paares und der beiderseitigen Eltern im Hause der Braut, wo schon am Vormittag die "Brautschale" fleißig in die Runde geht. Dann folgt das Mahl, bei welchem die Brautleute auf verzierten Stühlen die vornehmsten Plätze einnehmen. Man trinkt nun wieder, Bier oder Wein, je nachdem; Salzfisch mit Erdäpfeln, Braten und Schinken machen die Gerichte aus; als besondere Leckereien hat man noch "stapweg", Reis mit Äpfeln und Korinthen, und "kroos", ein Gebäck aus feinem Mehl, Butter und Eiern, wozu im Sommer Stachel- oder Johannisbeeren, im Winter Pflaumen gegeben werden. Trennt die Gesellschaft sich, so werden die Brautleute von jedem Paare zu einem Gegenbesuche vor der Hochzeit eingeladen, und in jedem Hause finden sie, wenn sie kommen, eine Brautschale, eine verzierte Tabakspfeife und mit Grün umwundene Tassen und Gläser. Die ewigen Gastereien werden ihnen oft so zum Überdruss, dass sie schon deshalb ungeduldig dem Hochzeitstage entgegensehen.
Zu diesem wurde in den östlichen Teilen des Landes durch einen besonderen "Boten" eingeladen, welcher unangemeldet eintrat, mit seinem Stock auf den Tisch schlug und einen langen Reimspruch hersagte. Bei Drenthe hieß er von dem Stabe mit drei Bändern, welchen die Braut ihm gab, der "koddesleper" (Stabträger). Die Mädchen, welche die Einladung annahmen, waren verpflichtet, seinen Stab noch weiter mit Bändern zu verzieren. Im Zutphenschen war es der nächste Nachbar, welcher als "koesenschlepper" herumging, aber nicht auf den Tisch, sondern nur an die Tür schlug und im Namen der Braut und des Bräutigams einlud:
Auf Bier und Wein,
Einen geschlagenen Ochsen !
Und ein gestochenes Schwein.
Zu Hindelopen und Molquerum, sowie im ganzen südlichen Friesland luden die "Brautschwestern" nebst andern von ihnen erwählten "jungen Töchtern" ein, und zwar die Mädchen auf Freitag nach Tische in's Haus der Braut, und die Frauen auf Dienstag Abend in das des Bräutigams. Auch anderswo hatten die "Bräutigamsbrüder" und "Brautschwestern" in den letzten Tagen viel zu tun. Das Bestimmen der Plätze bei Tische war ihre Sache, nicht minder das Festsetzen der "drink-conditiën", der Trinkbedingungen. Aufgabe der "Brautschwestern" allein war das "Palmknüpfen", das Winden von Majoran, dessen Blätter versilbert und vergoldet wurden, zum Schmuck des Saals, der Tafel und des Brautbettes. Das "Palmknüpfen" geschah gewöhnlich Freitags und gab, da junge Leute beiderlei Geschlechtes zum Helfen eingeladen wurden, Veranlassung zu einem anmutigen Festabend.
Die Geschenke, welche den "Jungeleuten" von Verwandten und Freunden gemacht wurden, hießen in Nordholland "Buhlgaben". In Groningerland nennt man eine Zusammenkunft, die behufs von Schenken kurz vor oder nach der Hochzeit entweder durch das junge Paar selbst, oder durch Andere veranstaltet wird, das "Hausratsbier". Jeder, welcher auf die Hochzeit zu kommen wünscht, oder dabei gewesen ist, muss Etwas geben, und alle diese Geschenke werden dem jungen Paare in einem langen Zuge überbracht, an dessen Spitze zwei Personen gehen, die zwischen sich eine mit weißem Tuch bedeckte Schüssel tragen. Hebt man das Tuch ab, so erblickt man in der Schüssel einen dick bezuckerten "Eierstruif" oder Pfannkuchen, der sehr einladend aussieht, aber nicht genossen werden kann, weil er gänzlich versalzen ist. Man erklärt diese Gewohnheit durch eine andere, welche in Friesland noch jetzt stattfindet und zwar an Sankt Nikolaus. Wird ein junges Wesen dort als zu erwachsen betrachtet, um noch Kindergeschenke bekommen zu dürfen, so findet es in dem hingesetzten Korb Nichts als ein Papier mit Salz und seinen Namen darauf; damit ist es "abgesalzt", d. h. bedeutet, das nächste Jahr keinen Korb mehr hinzustellen. Und so glaubt man, will das "Jungvolk" von den Neuvermählten durch "das Bringen des gesalzenen Kuchens" Abschied nehmen, indem es sie "absalzt". In Rheinland brachte man unter andern Gaben den "Jungeleuten" eine Schale Saline und ein Stück ganz frischer Butter. In den untern Ständen von Utrecht begibt die gesamte Nachbarschaft sich vor das Häuschen oder das Zimmer der Braut und beginnt zu singen:
Wo ist Frau Braut?
Wir wollen sie seh'n,
Seh'n, seh'n u.s.w.
Dann muss die Braut erscheinen, es wird unter dem Geklapper der Holzschuhe um sie her getanzt und gesungen, und wer kann, beschenkt sie, ohne dafür die geringste Bewirtung zu verlangen.
Bei der eigentlichen Hochzeit gab es ebenfalls die vielfältigsten Gebräuche. Zu Emmen und Rooswinkel, Dörfern in Drenthe, kommt der Bräutigam nebst seinen Nächsten, den "meeksman" neben, den "koddesleper" oder "noodiger" (Einlader) vor sich, zu Wagen bei dem Hause der Braut an und findet geschlossene Türen. Umsonst ersucht der "Nötiger" in einem alten Reimspruch um Einlass, er wird nicht gehört, erhält wenigstens keine Antwort, und so bleibt Nichts übrig, als mit dem Wagen die "banzerdeur", das große Tor zur Dreschtenne, einzufahren. Im Hause nun steht wohl ein Stuhl mit einem Kissen für
den Bräutigam bereit, aber die Braut ist nicht zu sehen und muss erst gesucht werden, ehe man mit großem Gefolge nach der Kirche fahren kann. Beim Zurückkehren von dort schwingt der "Nötiger" seinen bebänderten Stab über die Jünglinge, welche den Wagen umringen, und wem von diesen es glückt, ein Band loszureißen, bindet es um den Arm und hat damit das Recht erworben, auf die Hochzeit zu kommen, wo der "meeksman" den "Vorsitzer" macht. In Zaandam zogen früher alle Geladenen paarweise in einem stattlichen Zuge nach dem Hochzeitshaus, indem die, welche am entferntesten wohnten, auf ihrem Wege die Näherwohnenden abholten und mitnahmen. Das nannte man: "einander ansprechen". Im Zutphenschen werden die nähern Verwandten ersucht, die Braut mit den "Brautwagen" aus dem elterlichen Hause abzuholen. Diese Wagen sind, so gut wie die Pferde, mit Grün geschmückt, die "Jungeleute", die "speelnoots' und "speelmeisjes" wehen, fahren sie an befreundeten Häusern vorüber, unter Jauchzen und Gesang mit ihren weißen Tüchern. In den Kempen fahren in einem mit weißem Leinen überspannten Wagen die Brautleute, in einem zweiten ihre Eltern nach der Kirche. Bei der Zurückkunft finden sie die Gäste, die sich inzwischen versammelt haben. Zu Franeker wird das junge Paar bloß von den "Bräutigamsbrüdern" und "Brautschwestern" begleitet.
Zu Bolsward und zu Sneek macht das Brautpaar, dem die "speelnoots" vorausgehen und die beiderseitigen Familien folgen, am Nachmittage in vollem Staat einen feierlichen Spaziergang um die Stadt. In den Dörfern bei Alkmaar ist dieser Gang ",de kuijering door het dorp", ein Festzug; die "Knechte" haben lange Pfeifen, die Mädchen Blumen an der Brust oder in den Händen. In Purmerend heißt dieses Spazierengehen, bei welchem ebenfalls die "speelnoots" voranziehen, das "strooken", und keiner der Eingeladenen würde davon zurückbleiben, denn es gilt als eine ganz besondere Ehre ",mitzustrooken". Zu Antwerpen im "Schifferviertel", wo es echt volksmäßig hergeht, zieht man Abends, nachdem in einem Wirtshaus vor der Stadt das Hochzeitsmahl eingenommen worden, mit der ganzen Gesellschaft zuerst in die "vornehmsten Herbergen" an der "Station", darauf in die am "Werf" und dann erst nach Hause, wo die oder jene "Maatschappij" (Gesellschaft), deren Mitglied der Bräutigam oder einer der Väter ist, den Brautleuten unfehlbar eine Serenade bringt.
In Friesland ließ beim Hingehen nach der Kirche der Bräutigam seine Braut zur Rechten gehen, beim Zurückkommen dagegen nahm er als neuer Herr diesen Platz für sich in Anspruch. Das Mittagsmahl wurde in ernster Stille gehalten, und darauf übergab in vornehmeren Häusern der Vater des Bräutigams dem Sohne eine Familienbibel, in welche er eine Ermahnung zu gottesfürchtigem Leben geschrieben hatte. Der Sohn seinerseits sollte, wenn seine Ehe mit Kindern gesegnet würde, ihre Geburtstage darin einschreiben, ein Gebrauch, der um so genauer beobachtet werden musste, als die Handschrift des Vaters bei etwa vorkommendem Mangel eines Taufzeugnisses oder Geburtsscheines vor Gericht gültig war.
In Hindelopen wurde, sobald der Einladung gemäß am Freitag die jungen Mädchen sich versammelt hatten, der Braut die jungfräuliche Kopfhülle abgenommen und ihr dagegen "de breidsfrissel", die Brautflechte, angelegt, d. h. ein großer weißer Schleier von feinem "Kamerijks" (Kammertuch), mit "Eicheln" an den Ecken, wurde, fein gefältelt, so in den Haaren befestigt, dass er in breiten Falten vorn herunterhing, aber bequem zurückgeschlagen werden konnte. War sie so geschmückt ",stand sie," wie man sagte ",in der weißen Schnur," so ging sie, begleitet von den Brautschwestern und andern Mädchen, durch die Stadt und in die Häuser der nächsten Verwandten ",um die Freunde sehen zu lassen, wie schön es stehe." Es stand so schön, dass sie sich ohne diesen doch einigermaßen unbequemen Schmuck gar nicht mehr zeigen durfte. Am Sonntage, wo die Trauung in aller Stille vollzogen wurde, war es ihr auch verboten ",de witte snoer" zurückzuschlagen. In die Kirche ging sie mit dem feinen schwarzen Oberkleid über den Kopf gezogen, gerade wie bei einem Begräbnis, wobei allerdings das schönste Stück des Brautputzes, der rote Tuchrock mit schwarzem breitem Samtrand, glänzend zum Vorschein kam. Der Bräutigam trug ebenfalls einen Trauermantel.
Am Dienstag, wenn die Frauen erschienen waren, nahmen sie der jungen Frau "de witte snoer" ab und legten ihr dafür das Kopftuch der Verheirateten auf. War die Hochzeit im Sommer, so wurde hierauf ein zweiter Rundgang durch die Stadt unternommen ",wobei sich die allgemeine Gutwilligkeit der Stadtgenossen gewöhnlich auf eine löbliche Weise sehen ließ." Am Abend kamen bisweilen über zweihundert Gäste, doch wurde nicht gedeckt und aufgetragen, sondern man reichte nur Wein, Kuchen und in bemalten hölzernen Näpfen mit Handhaben kleines Gebäck herum. Die Braut, welche unter einer Krone saß, empfing Geldgeschenke zu "Hausrat", zog sich jedoch mit dem Bräutigam bald zurück. Ihrem Beispiel folgten die übrigen jungen Leute, indem jeder seine Auserkorene nach ihrem oder einem andern Hause geleitete, doch nur für einige Zeit, denn während die Burschen, die keine Mädchen hatten oder suchten, und die Mädchen, die nicht gesucht worden waren, in vollem Ernst heim und zu Bette gingen, kehrten die "Gepaarten" in das leergewordene Zimmer zurück, und die eigentliche Lust des Reigentanzens begann und währte häufig bis zum nächsten Mittag.
Auf Texel ging das Brautpaar ebenfalls schwarz gekleidet. Kam es aus der Kirche, so wurde es von den Verwandten und Freunden erwartet und die Kleidung der Braut zum Scherz der genauesten Musterung unterworfen. Die Kleider waren teuer, daher bewahrte man sie auf das Sorgfältigste, besonders standen die Hochzeitsschuhe noch Jahre lang zum Putz auf dem Schranke. Auch in Contich, zwischen Antwerpen und Mecheln, wird die Fußbekleidung der Brautleute als etwas Kostbares angesehen und bei der Rückkehr aus der Kirche von den Dienstboten mit weißen Tüchern sorgfältig abgestaubt, eine Mühe, die natürlich nicht unvergolten bleibt.
Ferner fand auf Texel das "schutten" oder "keeren", das Aufhalten oder Verhindern des Brautpaares, statt, welches früher allgemein üblich war und bald durch einen Besen, bald durch einen Balken, bald durch einen Bewaffneten bewerkstelligt wurde. Auf Texel machte man es sich nicht so schwer; einige Burschen fragten bloß beim Heraustreten aus der Kirche den Bräutigam: "Die Braut oder ein Fässchen?" Da er selbstverständlich das Fässchen gab, wurde bestimmt, in welcher "Herberge" es getrunken werden sollte, und die Burschen holten sich ihre Mädchen zur Hilfe herbei: allein konnten sie doch mit dem Fässchen nicht fertig werden.
Der Sitte mit dem Rückwärtswerfen der Trinkgefäße begegnen wir auf Wieringen, wo das neugetraute Paar seine Eltern und Freunde vor der Tür des Hauses fand. Die "speelnoots" boten den "Jungeleuten" Wein in verzierten "Kelchen" an, und diese flogen, wenn sie geleert waren, rückwärts zwischen die Zuschauer. Wer von den Letzteren nun ein Glas oder ein Stück von einem zurückbrachte, hatte das Recht, an der Hochzeit Teil zu nehmen.
An einigen Orten Nordhollands befand sich im vornehmsten Zimmer im Vorgiebel eine Tür, welche "de staat- en sterfdeur" (die Staats- und Sterbetür) genannt und nur bei Hochzeiten und Leichenbegängnissen benutzt wurde. Auf gewöhnliche Weise ging das jedoch nicht, denn die Schwelle lag ziemlich hoch über der Straße, darum wurde im Fall einer Hochzeit früh am Morgen eine Treppe angesetzt, über welche das junge Paar, gefolgt von seinen Angehörigen ",in Staat" herunterkam.
In einem Teil von Südholland geht es bei der wirklichen Hochzeitsfeier viel stiller zu, als bei "de daag". Man begibt sich am Sonntag Nachmittag ganz geräuschlos nach der Kirche, um "over te trouwen", der Gegensatz des Vermählens zum "ondertrouwen" oder Verloben, und dann versammeln sich nur die allernächsten Freunde im Hause des Bräutigams. Noch stiller ging ein Ehebündnis zu Broek, dem bekannten reichen Dorfe in Waterland, vor sich, indem man dort selbst in der Verlobung keine Veranlassung zu Festlichkeiten fand und Alles mit einem schlichten Glückwunsch von den Freunden abgemacht wurde.
In Amsterdam hingegen blieb der Hochzeitstag an zeremonieller Feierlichkeit nicht hinter den Brauttagen zurück. Schon früh am Morgen begaben "speelmeisjes" und "speelnoots" sich zu Braut und Bräutigam, um ihnen beim Ankleiden zu helfen. Die Stufen vor beiden Häusern waren reich mit Blumen und
"maagdenpalm" (Zaunrübe) bestreut, wenn der Bräutigam zu seiner Geliebten fuhr. Einige Häuser entfernt von dem ihrigen hielt, mit einem reich geschmückten Pferde bespannt, der "Brautschlitten", in welchem das junge Paar sich in die Kirche begab. Auch der Weg zum Schlitten ging über Laub und Blumen, und von den Stufen des Brauthauses warf die Dienerschaft Zuckerwerk, bisweilen auch Geld unter die Zuschauermenge, eine Sitte, die sich noch hier und dort erhalten hat, am meisten in der Provinz Utrecht, wo der "Brautzucker" einen großen Teil der Hochzeitskosten ausmacht. Hier "streut" ihn die Braut, und die es mit karger Hand tut, wird "eine kalte Braut" gescholten.
Auch in Rheinland hatte die Braut beim Abfahren auf dem Schoß einen Korb Zuckerwerk, von welchem sie den Kindern zuwarf. Bei der Rückkehr fand sie den Weg, mocht' es nun zu Land oder zu Wasser sein, durch eine Blumenkette gesperrt, Bier und Branntwein wurde ihr und dem Bräutigam in bekränzten Bechern dargeboten, aus Aller Mund klang es: "Viel Glück, Bräutchen!" und die Nachbarn traten herbei, um dem Bräutigam die Hand zu schütteln. Diejenigen aber, welche sich mit dem "schutten" bemüht hatten, wurden zum Dank auf die Hochzeit geladen.
"Hochzeitskost" (bruiloftskost) war der Name für die Gerichte, welche, als besonders lecker geltend, bei Hochzeiten gern aufgetragen wurden. Außer dem unvermeidlichen Reisbrei finden wir unter dieser Kategorie auch ein Mal graue Erbsen mit Rosinen. Dass es an Gesängen zum Nachtisch nicht fehlte, versteht sich von selbst; wird doch in den Niederlanden bei allen Gelegenheiten im Chor gesungen, wie sollte es nicht bei Hochzeiten geschehen sein und noch geschehen? Auch geküsst wurde rechts und links.
Nach Tische wurde in vornehmeren Häusern wohl ein dramatisches Festspiel aufgeführt, dann folgte der Tanz, welcher durch die Braut mit einem der ältesten Anverwandten ihres neuen Gatten eröffnet wurde. Der Gebrauch, dass die Braut ihrem Tänzer zur Erinnerung ein feines weißes Schnupftuch schenkte, hat sich am längsten in und bei Zutphen erhalten. Das Tanzen um das "Krönchen der Braut" endete damit, dass der Behendeste es raubte, sowie auch die von der Braut getragenen Bänder und Blumen Gegenstände bildeten, in deren Besitz man sich zu setzen suchte. Zu Hoorn wurde schon nach dem Krönchen gehascht, wenn die Brautleute aus der Kirche kamen. Der älteste der "speelnoots" schwang ein Kränzchen über dem Kopfe der Braut, warf es dann unter die Zuschauer und wem das Auffangen glückte, der wusste sich nicht wenig mit dieser Ehre.
In Friesland wurde die Braut "zu Bett getanzt", d. h. in das Schlafzimmer gebracht, wo Mutter und "speelmeisjes" auf sie warteten. Diese mussten die Braut auskleiden und dabei genau Acht auf die Stecknadeln geben. Entging ihnen eine, so war für sie im Laufe des Jahres an keinen Freier zu denken.
Im Zutphenschen wird, sobald das Tanzvergnügen lange genug gedauert, durch irgend Jemand mit lauter Stimme verkündigt: die Schuhe beider Brautleute müssten ausgebessert werden. Die Brautleute werden hierauf ihres Fußwerks entledigt und nach dem Schlafzimmer getragen, ein Gast aber setzt sich auf die Erde, bemächtigt sich der Schuhe und pocht so lange auf sie los, bis sie, seiner Erklärung nach, "gehörig ausgebessert" sind und der allgemeine Aufbruch erfolgen kann.
Das Rauben der Braut und das "schutten" des Bräutigams gehören früherer Zeit an. Später kaufte wohl der Bräutigam sich von den Jünglingen, die ihn zum Schein aufhielten, durch das Versprechen einer "Fischmahlzeit" los, ein Lösegeld, welches "das Kaufen der Braut" genannt wurde. Wollten die jungen Leute handgreiflich Ernst machen, so gab der Bräutigam seinen Rock preis und die Braut ließ ihr Strumpfband fallen. Wer sich dessen bemächtigte, band es um den Arm. Der Rock wurde im Saale vorgezeigt, vom Spiegel das Grün abgenommen, denn:
Als de Bruid is in de schuit,
Dan is het pronken uit.
(Wenn die Braut im Schiff ist, dann ist das Parademachen zu Ende.)
In Hoorn war es die Aufgabe der "speelnoots", zuerst der Braut und dann dem Bräutigam ohne
Aufsehen aus dem Tanzsaal entwischen zu helfen. War es ihnen geglückt, so empfingen sie zum Lohne von der Braut beide Strumpfbänder, legten jeder eines um den Arm, erschienen mit diesem Siegeszeichen und dem Ruf: "de bruid is in de schuit!" wieder im Saale, befahlen, das Grün vom Spiegel wegzunehmen und machten so der Sache ein Ende.
Am Tage nach der Hochzeit beim Aufstehen empfing die Neuvermählte als Morgengabe gewöhnlich irgend einen kostbaren Schmuckgegenstand. Der Vormittag wurde durch Glückwünschungsbesuche der Verwandten und Freunde ausgefüllt, welche zu Amsterdam der Bräutigam in dem "japon" oder Schlafrock entgegennahm, den er zugleich mit schöner Nachtmütze und feinem Tuche im Schlafzimmer gefunden hatte.
In Friesland folgte auf den Trauungstag durchgängig eine "napret" oder Nachfeier, welche, war es Winter, aus einem Mittagsmahl, erlaubte es die Jahreszeit, aus einer Landpartie bestand. Am dritten Tage wurden die Armen zum Genuss der übriggebliebenen Speisen eingeladen.
Nachhochzeiten gab es mehrere, teils bei den Gliedern, teils bei den Freunden der verbundenen Familien. Zu der "Gegengesellschaft", welche die "speelnoots" den "jongelieden" (Jungeteilten) gaben, wurde "das fette Schwein geschlachtet," d. h. die Sparbüchse entzwei geschlagen, welche in Gestalt eines Schweines die Strafen aus den Brauttagen enthielt. Den Schluss dieser Festlichkeiten machte das vom Bräutigam versprochene Fischmahl.