Die Großrussen
Wenn gleich schon Peter der Große das Verbot erließ, es solle keine Ehe geschlossen werden, ohne dass die betreffenden Personen damit einverstanden wären und sich mindestens sechs Wochen vor der Hochzeit gekannt hätten, sind es im Innern von Russland doch noch häufig die Eltern, welche unter einander die Verheiratung ihrer Kinder verabreden und es diesen erst mitteilen, wenn Alles abgemacht ist.
So pflegten z. B. im Gouvernement von Twer bis vor wenigen Jahren die Eltern, welche ihren Sohn verheiratet zu sehen wünschten, zuerst mit den Eltern und Verwandten des Mädchens, das sie ihm ausgesucht, über die Bedingungen zu verhandeln, unter denen diese die Verbindung des Paares gestatten wollten. Wurden sie eins, so begaben sie sich auf den Edelhof, um den Grundherrn um seine Einwilligung zu bitten, und erst wenn diese gegeben, wurden die jungen Leute, die sich vielleicht gar nicht oder nur wenig kannten, von dem, was geschehen, in Kenntnis gesetzt, und ihnen der Tag bestimmt, an welchem die Trauung Statt finden sollte.
Es ist daher kein Wunder, wenn das russische Mädchen in Folge dieser Gewohnheit, welche ehemals verbreiteter war, als jetzt, den Bräutigam den "Bestimmten" und die Trauung "Gottes Entscheidung" nennt. Um letztere rascher herbeizuführen, ist es in manchen Gouvernements althergebrachte Sitte, an bestimmten Tagen des Jahres die heiratsfähigen Töchter zur sogenannten Brautschau öffentlich auszustellen. Selbst in Petersburg fand ein solcher Brauch alljährlich am zweiten Pfingstfeiertag im Sommergarten Statt.
Eine bunte Menge wogte unter dem Grün der Bäume. Alles blitzte im schönsten Sonntagsstaat und in langer Reihe standen gleichsam parademäßig die heiratsfähigen Mädchen in schreiend bunter Tracht mit mehr oder weniger Schmuck behangen. In den Haaren glänzten goldene oder silberne Pfeile und Nadeln inmitten flatternder Bänder, schwere Ohrringe baumelten bis zu den Schultern herunter, an der Brust prangten riesige Busennadeln, den Hals zierten mehrfach umgewundene Perlen- und Korallenschnüre, an den Armen funkelten dicke Spangen, auf dem seidenen Mieder waren reihenweise kleine und große Goldmünzen befestigt, und der Gürtel war gewöhnlich ringsum mit vergoldeten Teelöffeln besteckt. Mitunter hingen noch an besonderen Schnüren goldene Zierraten auf beiden Seiten der Brust; Suppen-
löffel und Zuckerzangen, an verschiedenen Stellen angebracht, dienten zur Erhöhung des Glanzes, und Fächer mit lauter Banknoten beklebt ließen dem Beschauer keinen Zweifel über die Aussteuer der rotwangigen Trägerin. Nur gehörte von Seiten der Heiratskandidaten, welche in den feinsten Kaftans und gepflegtesten Bärten herumwandelten und die Mädchen mit ihrem zur Schau getragenen Reichtum eines nach dem andern musterten, ein guter Blick und eine genaue Kenntnis der Verhältnisse dazu, um das Echte von dem Unechten zu unterscheiden. Denn wie die blendende Weiße des Halses und die purpurne Röte der Backen nicht immer ein Geschenk der Mutter Natur waren, so rührte auch nicht selten die Pracht und Kostbarkeit des Anzuges von fremdem Eigentum oder von Gegenständen her, deren vermeintlicher großer Wert sich bei näherer Betrachtung auf ein Minimum reduzierte.
Um sich davon zu überzeugen, ließ der oder jener junge Mann, dem ein Mädchen oder dessen Schmuck besonders gefiel, die betreffenden Sachen von einem Kenner untersuchen, und dieser ging zu der bezeichneten Schönheit hin, verneigte sich vor ihr und nahm ihr ohne weitere Umstände die Suppenlöffel aus dem Gürtel, die Spangen von den Armen oder die Nadel von der Brust, um sie mit der Hand zu wiegen und genauer anzusehen. Fand er sie echt, so näherte sich der Absender allein oder mit einem Begleiter dem Mädchen und knüpfte ein Gespräch mit ihm an. Hinter jedem Mädchen stand die Mutter oder eine ältere Verwandte, welche Mutterstelle vertrat und der Tochter, so oft diese in der Rede stecken blieb, die Antwort auf die üblichen Fragen zuflüsterte. Es ging dies um so leichter, weil die meisten Fragen fast immer dieselben waren, von den jungen Männern auswendig gelernt wurden und in der Regel folgendes Zwiegespräch veranlassten: "Du bist schön!" sagte der Bewerber. - ""Ja,"" erwiderte die Angeredete. - "Du bist reich?" - ""Ja."" - "Du bist fromm?" - ""Ja."" - "Du liebst den Kaiser?" - ""Ja."" - "Niemand von Dir ist in Sibirien?" - ""Nein."" - "Du hast keine versteckte Krankheit?" - ""Nein.""
Mit der nächsten Frage: "Was spricht man von Dir?", auf welche in der Regel die Antwort erfolgte: "Nur Gutes," ging die Unterhaltung auf persönlichere Erkundigungen über, von deren Resultat es abhing, ob aus dem jungen Mann der "Bestimmte" wurde oder nicht.
Seit ungefähr dreißig Jahren ist in Petersburg an Stelle der früheren Brautschau eine glänzende Promenade getreten, welche am hergebrachten Tage die Mütter mit ihren geputzten Töchtern durch den Sommergarten machen. Im Nowgoroder Gouvernement jedoch hat sich die Brautschau bis zum heutigen Tage erhalten, und ist zugleich der Zeitpunkt geblieben, an welchem die dortigen jungen Mädchen sich zum ersten Male öffentlich zeigen dürfen. Von ihrem vierzehnten Jahre an liegt diesen nämlich die strenge Verpflichtung ob, sich sorgfältig vor den Blicken jedes Mannes, sei er auch noch so nah mit der Familie befreundet oder verwandt, verborgen zu halten, und in ihrer Abgeschiedenheit müssen sie sich vorzugsweise mit Stricken, Nähen und Sticken beschäftigen, um sich zum Ehestand vorzubereiten. Sobald sie nun ihr sechzehntes Jahr erreicht haben, werden sie aus ihrer Verborgenheit hervorgezogen, um bei der Brautschau als heiratsfähig aufzutreten.
Bereits am ersten Sonnabend in der Fastenzeit führt die Mutter ihre sechzehnjährige Tochter in die Kirche zur Beichte und tritt mit ihr am nächsten Tage gemeinschaftlich zum Tisch des Herrn. Vom Montag an beginnen die Vorbereitungen zur Brautschau, welche am Sonntag darauf Statt findet.
Die Töchter werden auf das Schönste und Sorgfältigste herausgeputzt, müssen aber lauter Sachen tragen, welche sie sich während ihrer Gefangenschaft angefertigt haben. So geschmückt gehen sie in die Kirche, wo sich sämtliche heiratsfähige Mädchen der Gemeinde in einer langen Reihe aufstellen. Ihnen gegenüber treten alle ledigen jungen Männer, und so verwandelt sich der geheiligte Ort bald in eine Art Marktplatz, wo die Männer sich ihre Frauen aussuchen und beschauen können. Hinter jedem Mädchen steht eine Frau als Mäklerin, welche alle körperlichen und geistigen Vorzüge desselben, seine Geschicklichkeiten und seine Mitgift kennt und gebührend rühmt. Gefällt nun einem Burschen ein
Mädchen, so wendet er sich nicht an dieses oder an die Eltern desselben, sondern an die Mäklerin, welche ihrerseits das Mädchen und dessen Eltern von seinen Absichten unterrichtet, den Eltern alle nötige Auskunft über seine Person und Vermögensverhältnisse gibt, und ihm, wenn die Eltern mit den erhaltenen Nachrichten zufrieden sind, Zutritt in die Familie verschafft, deren Mitglied er zu werden wünscht, so dass der Heirat dann Nichts mehr im Wege steht.
Neben der Brautschau gibt die Frühlings-Festzeit der sogenannten "krasnaja gorka", welche am Sonntag nach Ostern beginnt, sowie der unter dem Namen "semik" allgemein beliebte Donnerstag vor Pfingsten, das eigentliche Fest der jungen Mädchen, mit den dabei üblichen Spielen und Gebräuchen den ledigen Burschen vielfach Gelegenheit, sich eine künftige Lebensgefährtin auszuwählen, und man glaubt sogar, dass in vorchristlicher Zeit diese Spiele den jungen Russen eigens dazu dienten, sich ihre Frauen zu suchen und sogleich zu entführen. Noch ist der Ausdruck "Hochzeit spielen" geblieben, und wenn auch das Spiel nicht mehr so unmittelbar in Wirklichkeit übergeht, wie ehemals, so kann doch der junge Mann, der ein Mädchen gefunden, sobald er von seinen Eltern oder deren Stellvertretern die Erlaubnis zur Heirat hat, eine Brautwerberin oder "swacha" in das Haus des Mädchens schicken, um dem Letzteren und den Eltern desselben seine Wünsche vorzutragen.
Gelingt es der "swacha", das Jawort zu erhalten, so begibt sich der Freier selbst zu seiner Auserwählten, um mit ihrem Vater oder Vormund über die Bedingungen der Verbindung, die Mitgift und die Zeit der Trauung zu verhandeln. Sind sie einig, so wird im Kasan'schen Gouvernement entweder in der Kirche oder im Haus der Braut die Verlobung gehalten, bei welcher von beiden Seiten ein Paar "geistliche Eltern", meist Verwandte, als Zeugen und zwei "Schaffner" als Gehilfen bei der Anordnung der Festlichkeiten gewählt werden, in deren Gegenwart ein Pope dem Bräutigam und der Braut zuerst zwei brennende Kerzen und dann unter Gebeten und Räucherungen die Ringe reicht, und schließlich den Segen über das Brautpaar spricht. Nach oder vor dieser Zeremonie machen sich die Verlobten je nach ihrem Vermögen allerlei Geschenke, und bringen dann den Rest des Tags mit den Freunden und Verwandten, die sich im Hause versammelt haben, unter Essen und Trinken, Gesang, Musik und Tanz zu. An manchen Orten war es ehemals bei der Verlobung üblich, dass der Vater der Braut symbolisch seiner väterlichen Gewalt entsagte, indem er seiner Tochter vor den Zeugen einige kleine Peitschenhiebe versetzte und die Peitsche dann dem künftigen Schwiegersohn überreichte. Einige Wochen oder Monate nach der Verlobung wird die Hochzeit abgehalten.
In der Regel findet sie bei den Groß-Russen im Herbste, nach dem 1. Oktober Statt, wo die Feldarbeiten vorüber und die Landleute durch die eingebrachte Ernte im Stande sind, die Ausgaben für die mit der Hochzeit verknüpften Schmausereien zu bestreiten. Nur der Gedächtnistag der Eltern, nach altrussischem Glauben sogar die ganze Zeit zwischen dem Fest der heiligen Mutter Gottes von Kasan und dem Demetriustag gilt für ebenso unglückbringend zur Trauung, wie der Monat Mai, von dem das Sprichwort sagt: Wer sich im Mai verheiratet, der leidet Lebenslang.
Sobald der zur Hochzeit festgesetzte Tag herannaht, macht der Hochzeitsbitter oder "družka", welcher Alles, was nur zur Hochzeit gehört, anzuordnen und zu leiten hat, die Runde bei allen Verwandten und Gästen beider Familien und ladet sie im Namen der Eltern der Braut und des Bräutigams mit den üblichen Worten ein:
Man bittet dich Väterchen N. N.
(Man bittet dich, Mütterchen N. N.)
Zum neuvermählten Bräutigam
Zur jungen Braut, Das Brot zu kosten.
In Nerechta versammeln sich nach der Verlobung alle Gefährtinnen der Braut bei dieser und bleiben bei ihr zu Gast bis zur Hochzeit. Je mehr ihrer da sind, um so ehrenvoller ist es für die Braut,
so dass oft sechzehn Mädchen ins Haus kommen. Auf den Dörfern begeben sich die Gefährtinnen jeden Tag zur Braut, um ihr arbeiten zu helfen.
Die Ausstattung wird namentlich bei den reichen Kaufmannstöchtern in den größeren Städten Russlands mit der höchsten Pracht vorbereitet, und Pelze im Wert von 2-3000 Rubel dürfen niemals fehlen. Nächst dem sind Brillanten, Gold- und Silbergeschirr und ein außerordentlicher Vorrat von Wäsche, bei welchem selbst der zu hoffenden Erben im Überfluss gedacht ist, Haupterfordernis.
Am Vorabend der Hochzeit wird ein sechs- oder siebenjähriger Knabe in's Haus des Bräutigams gerufen, der in ein eigens dazu gekauftes Kästchen die verschiedenen Gegenstände, wie Schuhe, Strümpfe, Ohrringe, Handschuhe, Fächer, weiße und rote Schminke und dergleichen einpackt, welche dem Herkommen gemäß der Bräutigam noch an demselben Abend der Braut zum Geschenk schicken muss.
Mitunter überbringt die "swacha" statt des Knaben die Geschenke, und im Twer'schen Gouvernement ließ die Braut früher sie sich selbst holen. Dort war es nämlich üblich, dass sich am Abend vor der Trauung die Braut, von allen Mädchen ihres Dorfes begleitet, auf den Edelhof begab. Das Gesicht mit einem Tuch verhüllt, ward sie der Herrschaft vorgestellt und nach verschiedenen Sprüchen und Reden setzten sich sämtliche Mitglieder des Brautzuges an einen Tisch im Vorzimmer, auf welchem zwei große Brote lagen, und sangen auf das Fest bezügliche Lieder, während einige Mädchen abgesandt wurden, um die Geschenke des Bräutigams abzuholen. Kamen sie an, brach die Braut in lautes Weinen aus, in das ihre Gefährtinnen pflichtschuldigst einstimmten, vergaß jedoch darüber nicht, ihre Danksagung singend vorzutragen und dem Bräutigam ihrerseits Geschenke zu schicken, welche in einer seidenen Hals- und Leibbinde, einem Taschentuch und drei Handtüchern bestanden. Den Klageliedern folgten andere Gesänge, bei welchen die Brote angeschnitten und nebst Pasteten und Branntwein der Braut angeboten wurden. Diese durfte indessen nach alter Sitte Nichts davon anrühren, sondern musste verhüllt bleiben und ihr Weinen und Schluchzen fortsetzen, bis sie erfuhr, dass der Bräutigam ihre Geschenke in Empfang genommen hätte, worauf sie von ihren Begleiterinnen in ernstem, langsamen Zuge unter den dabei hergebrachten Liedern wieder nach Hause zurückgeführt wurde.
In Nerechta trägt der "družka" am Abend vor der Trauung, ehe sich der Bräutigam mit seinen Verwandten zum sogenannten "Jungfernmahl" in's Haus der Braut begibt, einen mit einer Serviette bedeckten Spiegel nebst einem Kästchen, in welchem Schuhe und Strümpfe, Kämme, Schminke, Pomaden und andere Geschenke liegen, zur Braut, findet aber auf deren Platz ein kleines Mädchen sitzen, welches deshalb die "Stellsitzerin" heisst. Der "družka" bietet ihr einen Becher mit Met oder Bier an, und schenkt ihr, wenn sie ihn austrinkt, auf einem Präsentierteller einige Geldmünzen, indem er spricht: "Ich bitte, den Platz zu räumen." Man nennt diese Zeremonie das "Zöpfeverkaufen".
Auf einigen Dörfern werden, wenn der Bräutigam mit seinen Verwandten zum Jungfernmahl kommt, im Haus der Braut alle Türen zugesperrt, und ein "swat" oder Hochzeitsgenosse, der deshalb dem Zug voraus reitet, muss rasch in den Hof eilen, den er ganz still findet, und die Türen öffnen, damit der Zug nicht aufgehalten werde, indem es für schimpflich gilt, zu Pferde lange auf der Straße zu halten. Erst wenn der Bräutigam da ist, treten die Verwandten der Braut hinaus in die Vorhalle, um ihn zu empfangen.
Nach dem Jungfernmahl präsentiert der Bräutigam der Braut auf einem Teller die Schlüssel zu dem Kästchen, welches der "družka" ihr gebracht, und dessen Inhalt sie am nächsten Morgen bei der Trauung braucht. Den Spiegel darf sie jedoch nicht eher benutzen, als bis sie zur Trauung abgeholt wird.
Die Nacht vor der Hochzeit muss sowohl Braut, wie Bräutigam unter den Heiligenbildern am Tische schlafen, der mit einem Tischtuch bedeckt ist, und auf welchem ein Brot, ein gefülltes Salzfass und ein Becher mit Kwass stehen. Nur wenn die Braut verwaist ist, begibt sie sich noch vor dem Schlafengehen in Begleitung ihrer Gefährtinnen auf den Kirchhof, um die Verzeihung und den Segen ihrer Eltern
zu erhalten, und ruft, nachdem sie an den Gräbern derselben gebetet, zuletzt aus: "Väterchen mein und Mütterchen mein, ich brauche weder Gold noch Silber, aber ich bitte um den elterlichen Segen!"
Auf den Dörfern macht man diesen Besuch der Gräber, wenn Braut und Bräutigam auf dem Weg zur Trauung sind, wo dann der "družka" ihnen mit den Trauungsheiligenbildern voranschreitet.
Leben die Eltern noch, so bittet in Nerechta die Braut am Tage vor der Hochzeit um den elterlichen Segen, ehe sie in's Bad geht. Denn wie beim Bräutigam, so versammeln sich auch im Hause der Braut die Verwandten der Familie zum Bade, das bei Ersterem von seinem "družka", bei der Braut aber von einer ihrer Gefährtinnen zurecht gemacht wird, die während dieser Zeit ebenfalls den Namen "družka" führt. Ist Alles bereit, so pflegen an dem mit dem Tischtuch bedeckten Tische, auf welchem das Brot, das Salzfass mit Salz und der Becher mit Kwass steht, die Eltern ihre Tochter mit Heiligenbildern zu segnen, worauf diese Jedem ihrer Verwandten zu essen anbietet und dafür mit Geld beschenkt wird. Auch der "družka", welche nach ihr herumgeht, um zu nötigen, werden Geldmünzen auf den Präsentierteller gelegt, und nun erst wird die Braut von ihren Gefährtinnen in's Bad gebracht, wo sie denselben ein Gläschen vorsetzt und dafür von ihnen beschenkt wird. Die "družka" ahmt ihrem Beispiel nach und wird gleichfalls von den Mädchen mit Geld bedacht. Zum Imbiss stehen große mit Hefen gebackene Fladen (opekuschi) und feine Lebkuchen da, welche verzehrt werden, während die "družka" Bier auf den Ofen gießt, damit die Eheleute angenehm leben sollen. Aus ähnlichem Grunde schlagen vor dem Bade einige der Gefährtinnen, wenn die Braut sich abreibt, an die Ofentür.
Nach dem Bade isst die Braut mit ihren Gefährtinnen allein, da die übrigen Gäste inzwischen bereits gegessen haben.
Ganz dieselben Zeremonien finden fast zu derselben Zeit im Haus des Bräutigams Statt, wenn dieser in's Bad geführt wird. Ebenso müssen am nächsten Morgen vor der Trauung die Verwandten und Bekannten des Brautpaares ihr schuldiges Brot-Salz: Semmeln, Fleisch und einige Flaschen Liköre, sowohl dem Bräutigam, wie der Braut schicken, und die Brautleute wiederum senden sich gegenseitig das hergebrachte Brot-Salz oder Semmeln mit dem vollen Salzfass, mit dem sie bei der Rückkehr aus der Kirche empfangen werden.
In den Orten, wo ein Knabe der Braut die Geschenke des Bräutigams überbringt, muss derselbe ihr auch am Trauungsmorgen die neuen Schuhe anziehen. Anderwärts bestimmt die Braut einen Knaben dazu, und in der Gegend von Nerechta verteilt sie, bevor sie vom Bräutigam zur Trauung abgeholt wird, unter ihre Gefährtinnen die Schminke und Pomaden, sowie die andern Gegenstände, welche ihr der Bräutigam geschenkt und die sie nicht zu ihrem Hochzeitsanzug trägt. Dann löst ihr eine ihrer Gefährtinnen, nachdem sie sich bekreuzigt, die Flechten auf, nimmt die Bänder heraus und ordnet das Haar nach Frauenart, wobei die Braut gewöhnlich weint, und die übrigen Mädchen mit weinen.
Hierauf dankt sie unter Schluchzen und Tränen ihren Eltern "für Brot, für Salz" und diese segnen sie mit den Heiligenbildern, nachdem sie vorher die Türen zur Stube geschlossen und alle Anwesenden einige Minuten lang schweigend stillgesessen und gebetet haben. Dasselbe geschieht beim Segnen des Bräutigams, ehe dieser mit seinem Gefolge zu Pferde steigt, um die Braut zu holen. Sowohl er, wie seine nächsten Verwandten pflegen vor der Trauung zu fasten und weder Speisen, noch Getränke anzurühren.
Im Twer'schen Gouvernement ward früher die Braut am Morgen vor der Trauung in festlichem Aufzug von den Eltern und Verwandten nach dem Edelhof gebracht, um dort den Bräutigam zu erwarten. Er erschien mit seinem Gefolge und überreichte beim Eintreten seinem künftigen Schwiegervater ein mit Bier gefülltes Glas, in welches er eine kleine Silbermünze warf. Der Vater leerte das Glas bis auf den Grund, nahm die Silbermünze als Kaufpreis für die Tochter an sich und legte hierauf die Hände der Verlobten in einander.
Dann trat die Mutter des Bräutigams hervor, ermahnte die Schwiegertochter zum Gehorsam und
zur Treue, und machte ihr einen Pelz zum Geschenk, worauf der Bräutigam nach verschiedenen Förmlichkeiten seine Braut bei der Hand nahm, zu seinem mit drei Pferden bespannten Wagen oder Schlitten führte, und in Begleitung des Brautführers zur Kirche fuhr. Letzterer kehrte bald darauf wieder zurück, um im Auftrag des Brautpaares der Mutter oder Pflegemutter der Braut eine Summe Geldes zu übergeben, welche die junge Frau dem Brauche gemäß sogleich nach der Trauung bekommen musste.
Auch bei Nerechta muss der Bräutigam, sei er reich oder arm, für die Braut einen Kaufpreis zahlen, der bis zu 500 Rubel steigt, indem die dortigen Bauern es für entehrend halten, eine Tochter umsonst wegzugeben.
Im Kasan'schen Gouvernement begleiten die geistlichen Eltern, niemals die leiblichen, mit den Schaffnern und Brautmädchen das Brautpaar zur Kirche, wo dasselbe dem Altar gegenüber vor ein Pult gestellt und nach der von Beiden geforderten Erklärung, ob sie sich freiwillig zu dieser Verbindung entschlossen und sonst Niemand die Ehe versprochen, unter vielen Gebeten vom Popen eingesegnet und nach dem Wechsel der Ringe drei Mal im Kreise um das Pult herumgeführt wird. Während der Trauungszeremonie halten die Brautleute brennende Wachskerzen, die mit bunten Bändern geziert sind, in der Hand und haben silberne oder vergoldete, mit Edelsteinen geschmückte Kronen auf dem Kopfe, welche bei vornehmeren Personen durch die Schaffner, die hinter dem Brautpaar stehen, schwebend über den Köpfen gehalten werden. In den unteren Volksklassen glaubt man jedoch, die Trauung sei nicht gültig, wenn eine Braut, damit sich ihr Kopfputz nicht verrücke, die Krone nicht aufsetzt, oder man behauptet wohl gar in solchem Falle, es seien nicht bloß zwei Personen, sondern drei gekrönt worden.
Bei Witwen vertritt ein Heiligenbild die Stelle der Krone.
Auf dem Rückwege aus der Kirche reitet in der Umgegend von Nerechta der "družka" in einiger Entfernung dem Zuge voraus und begrüßt Alle, denen er auf dem Wege oder in den Dörfern begegnet, mit den Worten: "Ich bitte um die Gunst, heute bei unserem Bräutigam und unserer Braut Brot zu essen." Zieht der Zug des Abends, so wird vor jedem Dorfe ein Strohfeuer angezündet, bei welchem die Freiwerberinnen aus dem ersten Schlitten kleine Pasteten machen. In der Kirche lässt man für den Kirchendiener einige runde Brote zurück.
Im Kasan'schen Gouvernement begibt sich das junge Ehepaar mit seinem Gefolge nach der Trauung in das Haus der Eltern, oder, wenn diese tot sind, des geistlichen Vaters des Bräutigams, wo es vom Vater mit einem Heiligenbild, von der Mutter mit Salz und Brot empfangen, und, nachdem es auf einen besonders dazu hingelegten Teppich niedergekniet ist, von den Eltern gesegnet wird. Die Mutter pflegt hierbei der jungen Frau Hopfen auf den Kopf zu streuen, und die Neuvermählten setzen sich nun mit ihren nächsten Verwandten, unter denen jedoch keine Unverheirateten sein dürfen, zu einem frugalen Mahl an den Tisch. Kaum haben sie aber angefangen zu essen, so werden sie von der "swacha" zu Bett gebracht, während die Gäste beisammen bleiben, und erscheinen erst später wieder in der Gesellschaft, welche je nach der Stimmung des jungen Ehemannes still auseinander geht, oder den Tag unter Jubel und Trinken beschließt.
Im Bujewsker Kreise wirft Vater oder Mutter den Neuvermählten bei ihrer Rückkehr aus der Kirche Salz in's Gesicht, und im Kasimowsker schlägt der Vater die Frau, wenn sie nach der Trauung in's Haus des jungen Ehemanns kommt, viermal leicht mit einer Peitsche auf den Rücken, damit sie den bisherigen Bräutigam vergesse, sich ihrer Eltern entwöhne und den Mann fürchte.
Auf einigen Dörfern bei Nerechta zieht zum Empfang der Neuvermählten die Mutter des Bräutigams einen Pelz verkehrt an, und sucht die Schwiegertochter zu erschrecken, damit diese sie fürchten und ehren lerne.
Die Abnahme der Kronen bildet die erste Zeremonie nach der Begrüßung Seitens der Eltern. In Nerechta werden dazu die bei der Trauung brennenden Lichter an die Wand geklebt, und die
Neuvermählten genötigt, sich daneben auf einen Schafpelz niederzulassen, wo die "swacha" des Bräutigams von der einen und die der Braut von der andern Seite das Haar der jungen Frau auflösen, glatt herunterkämmen und zuletzt in zwei Zöpfe flechten, auf die sie den sogenannten" Opowojnik" oder "Kokuj", einen der "Kika" ähnlichen Kopfschmuck der russischen Frauen, setzen. Von diesem Augenblick an hält die junge Frau es für ein Verbrechen, den Kopf unbedeckt zu zeigen, und schämt sich selbst vor Verwandten, den "Opowojnik" abzunehmen oder das Haar frei herunterfallen zu lassen.
Auf dem Lande bei Nerechta setzt man der Braut statt des "Opowojnik" häufig den "Kokoschnik" auf, welcher vom Popen geweiht wird, und diesen muss sie wenigstens bei der ersten Mahlzeit, die sie verheiratet nimmt, aufbehalten.
Sobald die junge Frau den "Opowojnik" auf dem Kopfe hat, schlägt man an der Stelle, wo sie sitzt, stark an die Wand, um, wie es heißt, den Zorn zu entfernen und zu bewirken, dass die junge Frau im täglichen Leben sich nicht erzürne. Hierauf deckt man für die Neuvermählten einen besonderen Tisch, auf welchen man das Brot legt, mit dem sie bei der Rückkehr von der Trauung empfangen worden sind, und nun erst beginnt das allgemeine Hochzeitsmahl für alle Verwandte des Brautpaares, zu dem man auch die Nachbarn einladet. Wird bei demselben viel Geschirr zerbrochen, so glaubt man, dass die Hochzeit besonders glücklich und erfreulich ausfallen werde, und nicht selten soll man deshalb Teller, Gläser und Schüsseln ganz absichtlich zerschlagen.
Da es für unhöflich gehalten wird, dass Neuvermählte oder Verlobte bei einem Schmause am Tische essen, wird ihnen auch an diesem Tage nach dem Mahle, wenn sie die Verwandten aus dem Unterstock hinweg geführt, besonders aufgetragen, ehe sie sich entweder im Unterstock oder in der Heuscheune schlafen legen.
Ist es irgend möglich, suchen sich die Neuvermählten einen leeren, kalten und noch unbewohnten Raum dazu aus, die Kälte mag so groß sein, wie sie will, und Viele lassen sich eigens ein besonderes Zimmer einrichten, in welchem keine Erde auf die Deckenbalken gelegt und das Bett auf verschiedenen Getreidegarben oder Strohbunden zurecht gemacht wird. Früher gehörten 40 Garben Roggen zum Ehebett, um welches man noch mehrere mit Weizen, Gerste und Hafer gefüllte Tonnen stellte, die Überfluss und Fruchtbarkeit andeuten sollen.
Vor dem Schlafengehen muss die Braut als Zeichen ihrer Unterwürfigkeit dem Bräutigam die Stiefeln ausziehen, weshalb derselbe in den rechten Geld, in den linken aber eine kleine Peitsche legt. Nimmt nun die Braut zuerst den linken Stiefel, so zieht der Bräutigam die Peitsche heraus und schlägt sie damit; ergreift sie jedoch den rechten, so gibt er ihr das Geld.
Am nächsten Morgen macht in Nerechta der "družka" das Bad zurecht und ladet zuerst das Ehepaar, dann die Verwandten des jungen Mannes dazu ein, wofür ihm die junge Frau als Geschenk ein Handtuch im Bade zurücklässt. Nach dem Bade werden die Verwandten des Mannes mit den Speisen und Getränken bewirtet, welche aus dem Hause der Braut dazu geschickt werden, und dabei beschenkt die junge Frau ihre Schwiegereltern mit Hemden, die andern Verwandten mit Taschentüchern.
Zum Abendbrot geht der junge Mann mit seiner Frau zum Schwiegervater, und erhält eine Art Kuchen vorgesetzt, die aus Eiern gemacht, und deren Enden geschickt versteckt und in einander gewunden sind. Er muss sie, ohne sie zu zerschneiden, aus einander legen, ganz ebenso wie die junge Russin ein Knäuel Zwirn mit Knoten abwickeln muss, um zu zeigen, dass sie tauglich zur Ehe sei.
Im Kasan'schen Gouvernement geht der junge Ehemann schon früh Morgens zu seinen Schwiegereltern, um ihnen zu danken, über die Tugend seiner Frau gewacht zu haben, und dann statten die Neuvermählten Besuche bei ihren Bekannten ab, empfangen Gegenbesuche und Glückwünsche, und veranstalten nach einigen Tagen ein Fest mit Spiel und Tanz in ihrer neuen Wohnung, wozu alle Verwandte und Freunde eingeladen werden.
Auf den Dörfern bei Nerechta ist das junge Ehepaar verpflichtet, in der "Butterwoche", der Karnevalszeit der Russen, die ganze Jugend aus dem Wohnort der Frau und die ehemaligen Gefährtinnen derselben zu bewirten.
In früheren Jahrhunderten wurden noch mehrere Tage nach der Trauung mit Schmausen und Trinken hingebracht, und namentlich in Moskau ward bei reichen Familien das Hochzeitsfest mit größter Pracht gefeiert.
Da die Trauung stets des Abends Statt fand, ging am Morgen die "swacha" der Braut in die Wohnung des Bräutigams, um das Brautbett zurechtzumachen, und 50 bis 100 Diener folgten ihr, von denen Jeder etwas von den Gegenständen auf dem Kopfe trug, welche zum Bett oder zur Verzierung der Brautkammer nötig waren, wie die Roggengarben, die wollenen oder seidenen Decken, die darüber gebreitet wurden, die Getreidetonnen, welche man um das Bett stellte u.s.w.
Am späten Abend stieg der Bräutigam mit seinen Verwandten zu Pferde und ritt in Begleitung des Popen, der ihn trauen sollte, zum Haus der Braut. Nach den Bewillkommnungsfeierlichkeiten wurden die Begleiter des Bräutigams zur Tafel genötigt, auf welcher drei große Schüsseln mit Speisen standen, die aber nicht angerührt wurden, weil sie zum Opfer bestimmt waren. Während der Bräutigam noch mit den Schwiegereltern sprach, setzte sich ein Knabe auf den Stuhl am oberen Ende der Tafel, der für den Bräutigam bestimmt war, und musste durch Geschenke bewogen werden, den Platz wieder zu räumen. Hatte der Bräutigam den ihm gebührenden Sitz eingenommen, wurde die Braut mit ganz verhülltem Gesicht neben ihn gesetzt und zwischen Beide ein karminroter Taftvorhang gespannt, den zwei Knaben hielten, so lange die Mahlzeit währte, damit die Verlobten sich nicht sehen konnten.
Hierauf kämmte die "swacha" der Braut dieser das Haar, teilte es in zwei Zöpfe, die sie auf den Kopf hinauflegte, und setzte ihr die Krone auf, welche je nach den Mitteln des Bräutigams mehr oder minder kostbar war. Das Oberkleid der Braut hatte weite griechische Ärmel, welche am Rande herum mit Gold und Perlen gestickt waren, und einen reich mit Perlen verzierten Kragen, über welchen von den Ohren herab 5 bis 6 Reihen Perlen hingen. Der Bräutigam ward in derselben Zeit von seiner "swacha" gekämmt und geputzt, während die anwesenden Frauen und Mädchen die bei dieser Zeremonie üblichen Lieder sangen.
Inzwischen brachten zwei Knaben auf einer mit Zobelfellen bedeckten Tragbahre zuerst von Seiten des Bräutigams, dann von Seiten der Braut einen großen Käse und einige Brote angeschleppt, welche der Pope segnete, ehe sie in die Kirche getragen wurden, und zuletzt ward eine große Silberschale auf den Tisch gesetzt, in welcher kleine Fleckchen von Atlas und Taft, sowie kleine platte viereckige Silberstücke mit Hopfen, Gerste und Hafer vermischt unter einander lagen. Sobald die "swacha" den Haarschmuck der Braut beendet und Letztere wieder verschleiert hatte, nahm sie einige Hände voll aus dieser Schüssel heraus und streute sie auf die männliche Gesellschaft, die bereits von den jungen Mädchen wiederholt mit Hopfen beworfen worden war. Wem es sonst beliebte, der durfte ebenfalls in die Schüssel greifen und behalten, was er wollte.
Erhob man sich vom Tische, nahmen die Eltern des Bräutigams oder deren Stellvertreter das Wechseln der Ringe vor, worauf die "swacha" die Braut in einen Schlitten setzte, um sie in die Kirche zu bringen. Alle Anverwandten und Freundinnen, Hausgenossen und Diener begleiteten sie unter Gesängen, der Bräutigam, der Pope und die übrigen Gäste folgten zu Pferd.
In der Kirche war der Teil des Fußbodens, wo die Trauung geschehen sollte, mit karminrotem Taft bedeckt, auf welchen an der Stelle, wo das Brautpaar stand, noch außerdem ein zweites Stück desselben Stoffes gelegt wurde.
Bevor die Zeremonie begann, opferte das Brautpaar die schon erwähnten drei Schüsseln, welche Fische, Braten und Backwerk enthielten. Dann segnete der Pope die Brautleute, indem er die Bilder
ihrer Schutzheiligen über ihre Köpfe hielt, nahm des Bräutigams rechte und der Braut linke Hand in seine beiden Hände, und frug Jedes einzeln, ob es aus freien Stücken entschlossen sei, den Andern zu lieben, gut zu behandeln und nicht zu verlassen in Alter, Krankheit oder Armut. Lauteten die Antworten, wie sie sollten, so setzte er Beiden einen Wermutkraut auf den Kopf - waren sie verwitwet, auf die Schulter, indem er sprach: "Seid fruchtbar und mehret euch und erfüllet die Erde," und führte das Paar im Kreise herum, während er den 128. Psalm anstimmte, der einen Teil der Segenssprüche der Ehe enthält. Sobald er mit den Worten: "Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden," den kirchlichen Akt der Trauung beendet hatte, zündeten sämtliche Hochzeitsgäste Wachslichter an, und Einer der nächsten Anverwandten des Paares bot dem Popen ein Glas mit Wein dar, welches dieser, nachdem er drei Mal daraus getrunken, den Neuvermählten überreichte. Sie taten ihm Bescheid, indem Jedes von ihnen drei Mal daraus trank, worauf der Bräutigam das Glas zu Boden warf und es unter lauten Verwünschungen gegen Alle, die versuchen würden, Zwietracht zwischen ihnen zu stiften, mit Füssen trat. Um anzudeuten, dass er auch die Frau gegen Alles schützen und für sie sorgen wolle, legte er, wenn sie zum Zeichen ihrer Untertänigkeit vor ihm niederkniete und mit ihrem Kopfe seine Füße berührte, einen Zipfel seines Rockes über sie, und nun erst traten die Verwandten der Braut vor, um den Bräutigam zu begrüßen, und die des Bräutigams, um die Braut zu beglückwünschen. Zu gleicher Zeit warfen die anwesenden Frauen Hanfkörner auf die Neuvermählten, indem sie Beiden ihre Glückwünsche darbrachten und zerrten die junge Frau am Kleide, als ob sie dieselbe ihrem Manne entreißen wollten. Sie klammerte sich jedoch so fest an ihn an, dass alle ihre Anstrengungen fruchtlos blieben, und fuhr in ihrem mit sechs Fackeln umgebenen Schlitten nach Haus. Der Bräutigam mit seinen Begleitern folgte zu Pferd, und setzte sich mit ihnen zu Tisch, während die Braut sogleich in das Brautgemach geführt und zu Bett gebracht wurde. Bald darauf ward auch der Bräutigam, nachdem er kaum angefangen zu essen, von 6 bis 8 seiner Verwandten, welche brennende Fackeln trugen, in das Brautgemach geleitet. Seine Begleiter steckten ihre Fackeln in die Tonnen und begaben sich zur Gesellschaft zurück. Die Braut aber erhob sich beim Nahen der Schritte vom Bett, nahm einen Pelz um, ging ihrem Mann entgegen und machte ihm eine tiefe Verbeugung.
Da die Braut während aller Trauungszeremonien tief verschleiert bleiben musste, so war es nicht selten, dass ihr Mann sie jetzt erst von Angesicht zu Angesicht sah. Er setzte sich mit ihr an den gedeckten Tisch, auf welchen unter andern Fleischspeisen auch ein gebratenes Huhn aufgetragen wurde, das er zerreißen musste, ohne sich eines Messers zu bedienen. Das erste Stück, welches er dabei in der Hand behielt, warf er dem Herkommen gemäß über die Schulter zur Erde, den Rest aß er, worauf die Dienerschaft sich zurückzog und das junge Ehepaar allein ließ. Nur ein alter Bedienter blieb als Wache vor der Tür, um im geeigneten Moment das Zeichen zu einer Janitscharen-Musik zu geben, welche die jungen Eheleute zuletzt zwang, aufzustehen und in das Bad zu gehen, das man für sie bereitet hatte. Bei demselben ward der Bräutigam von der Braut mit einem schönen, reich gestickten Hemd und neuem Kleide beschenkt, und der Rest des Tages, wie auch der folgende, wurde nun mit den wieder versammelten Gästen auf das Lustigste verlebt.