Mecklenburg


Die Verlobung geht ganz still im engsten Familienkreise vor sich. Allenfalls wird "de Kösting", das Küsterchen, auf ein Glas Wein dazu geladen.

Einige Zeit darauf fährt das Brautpaar in die nächste Stadt. Der Vater der Braut spannt seine Stute ein - man fürchtet hier die Stuten nicht so wie in Estland -, der des Bräutigams "tut sein Handpferd dazu", und fort geht es unter dem Zuruf der Nachbarn. "Köp de Brud ok man'n Rink!" heißt es, und der Bräutigam lässt ihr den Ring anmessen, bestellt den seinigen, wählt ein "Sangbok" (Gesangbuch), auf dessen Einband schöne Reime stehen, zeigt sich auch sonst noch freigebig, indem er Kuchen und ein schönes großes Tuch ",mit Franseln und mit bunte Kanten" für sein "Mäken" kauft, kurz, er zeigt sich als großer Herr oder vielmehr als ein reicher junger Bauer. "De Dirn" ihrerseits beweist sich als künftige sorgsame Wirtin und nimmt "Stuten" (Semmeln) mit, um den beiderseitigen "Ollen" (Alten) auf den Abend Suppe davon zu kochen.

Nun wird die Hochzeit festgesetzt, sagen wir etwa auf den Freitag nach Johanni. Die beiden Väter schlachten: "Kög, Haomeln, Faoselswin, Gös', Aonten" (Kühe, Hammel, ungemästete Schweine, Gänse, Enten) sind dem Fest zum Opfer gefallen. Reis und "Muschbaog" (Farinzucker) ist reichlich eingekauft worden, nicht minder Kaffee und Gewürz. Gebackene Pflaumen sind scheffelweise vorhanden, drei Dutzend Weizen-Stuten mit "Krinten" (Korinthen) stehen auf dem Brett, über sechs Mandeln Eier liegen "praot" (parat). Wein, Bier und Branntwein in Überfluss harrt nur auf's Getrunkenwerden.

Das Brautgefolge ist ebenfalls erwählt: vier "Brudjunkfers" (Brautjungfern), vier "Spittsmäkens" (Spitzmädchen), vier "Bruddeners" (Brautdiener), zwei "Truleiders" (Trauführer), zwei "Gleitriders" (Begleitreiter) und endlich zwei "Waogenhöllers" (Wagenhalter), welche zu beiden Seiten des Brautwagens stehen und ihn halten müssen, sollte Gefahr sein, dass er umwirft.

Eingeladen aber ist noch nicht, und um das zu besorgen, begibt sich am Tag vor der Hochzeit der Brautvater zum Küster. Der "schreibt sich Alles auf," zieht sich an und geht. Er schwingt einen


Hochzeit Brauch


Stock und raucht aus einer Pfeife mit einem Bande, welche der Brautvater ihm "to't Nögen" (zum Nötigen) besorgt hat. Überall, wo er seinen Spruch hersagt, wird er "beneigt" (benäht). Die eine "Olle" näht ihm ein Tuch an die Schulter, die andere einen Blumenstrauß an den Arm, die dritte ein Band an den Hut, bis er zuletzt "as 'n Peijatz" (wie ein Bajazzo) aussieht. Hier und da gibt es auch ein Glas Wein und am Abend kommt er "ran" beim Brautvater, denn "dat is jo en Maol hir de Mod'" (das ist nun einmal hier Mode).

Mode ist es auch, dass die Frauen und Mädchen am Abend in's Brauthaus helfen kommen. Jene schälen in der Küche "Tüffeln, Tuften, Kan-" oder "Irdtuffeln", alles Namen für die Kartoffeln; die Mädchen sitzen in der Stube und machen die Fische zurecht. Plötzlich geht es draußen "bauts un bauts". Die männliche Dorfjugend wirft mit Scherben an die Haustür. Das ist lustig. Bald indessen gehen ihnen die Scherben aus und sie nehmen Steine. Das wird ernsthaft. Die Tür ist fast schon "kurz und klein". "Na," sagt der Hausvater ",de Jungs, de sall de Swenzelenz!" (die Jungen sollen die Schwerenot kriegen). Er schleicht sich aus dem Hause, fällt den Angreifern in den Rücken und - langt sich einen. Die übrigen entfliehen und kommen nicht wieder, aber statt ihrer rücken "Höders" (Hirten), "Striegeljungen" und Ochsenknechte an, und da sie die Hauspforte durch die ausgehobene Tür des Pferdestalls geschützt finden, fangen sie an, Scheiben einzuwerfen. Jetzt wird die Sache in Wirklichkeit bedenklich: auf des Küsters Rat kapituliert der Hausherr, gibt eine "Buddel" Wein hin und erkauft so den Frieden.

Am nächsten Morgen, nachdem die Hüte der Brautdiener geschmückt worden sind, fährt man mit zwei Wagen in die Stadt. Auf dem ersten vierspännigen sitzt die Braut nebst Begleitung, in dem andern ziehen zwei Pferde ein halbes Dutzend Musikanten. Das Gespann der Braut hat Kränze um die Stirnen, die Wagenhalter stehen auf "ihrem Brett", die Geleitreiter sprengen nebenher.

In der Stadt wird die Braut von einer Person, die es versteht, mit der Krone, den "Bäwernaodeln" (Zitternadeln), dem Schleier und den "Drüw" (Bandrosette vor der Brust) geschmückt. Ist ihr Putz vollendet, wird zurückgefahren. Sie wirft Äpfel aus, von welchen ein Sack voll von Hause mitgenommen worden ist. In der Mitte des Wagens ragt der "Brauthahn", ein auf langer Stange befestigtes, fassförmiges Gestell von Holz. Obenauf steht ein Hahn, rings herum hängen an kleinen Zapfen Bänder, Tücher, Rauschgold und Schnüre mit Äpfeln und Nüssen. Die Musik bläst und geigt aus Leibeskräften, bis an der Feldscheid oder Grenze des Dorfes gehalten wird und die "Geleitreiter" hinein jagen, um zuerst beim Schulzen, und dann beim Brautvater anzufragen, ob die Braut einziehen dürfe. Kehren sie mit der natürlich bereitwilligst erteilten Erlaubnis zurück, so findet draußen noch ein Wettreiten älterer Bauern nach dem "Brauthahn" statt. Wer ihn zuerst erreicht, legt ihn quer über sein Pferd und ist König. Dann wird "Einer getrunken", die "Muskanten" blasen: "Ach, wie bin ich müde, ach, wie bin ich matt," und die Braut zieht in's Dorf, wo sie abermals Äpfel auswirft. Die berittenen Bauern folgen ihr und steigen gleich ihr in ihrem Elternhaus ab.

Dort versammeln sich allmählich auch die andern Gäste und Jeder wird von den draußen stehenden "Muskanten" mit einem "Ständschen" begrüßt. Dann wartet man, bis "de Köster van den Turn leidt" (vom Turm läutet) und "de Pasting" (Pastor) in die Kirche geht. Da zieht auch die Braut hin. Die Musikanten und die vier "Spitzmädchen" gehen ihr voran, die vier Brautjungfern folgen ihr, diesen Frauen, Mädchen und Kinder. Die Brautjungfern tragen weiße Schärpen und im Haare Blumen. Wenn die Braut sich links am Altar aufgestellt hat, wird der Bräutigam mit seiner Avantgarde von Brautdienern "ok to Kirk blaos't" (auch zur Kirche geblasen). "De Pasting" predigt in der Regel so schön, dass seine Zuhörer nur die Hälfte von der "Truräd" (Traurede) begreifen. Sie sind ihm indessen nicht minder verpflichtet dafür, besonders die Väter des Brautpaars, welche ihn bekomplimentieren und zu "en Bitschchen Middag" einladen.

Er kommt und beglückwünscht das Brautpaar. Der Küster tut dasselbe. Beide sitzen bei Tische





obenan, die Brautleute unter dem Spiegel, neben ihnen rechts und links die Brautjungfern. Die Brautdiener warten auf. Der Küster hält das Gebet und bringt später die Gesundheit des jungen Paares aus. Die Gerichte kann man sich nach den angeschafften Vorräten selbst vorstellen.

Während des Essens spielt die Musik. Nachher wird gesammelt, vom ersten Brautdiener mit dem "Brudappel", einer Pyramide von Äpfeln, die mit Bändern, Rauschgold und Goldschaum geschmückt sind, von den "Muskanten" auf einem Notenblatt, von dem Alten, welcher das Bier "abgeflascht" hat, mit dem "Bierhahn" auf einem zinnernen Teller, endlich von der Köchin und der Aufwäscherin, welche auf ihren Tellern, jene Salz und Pfeffer, diese Sand und einen Strohwisch präsentieren. Dann spielt die Musik noch "dat Stückschen: Katrin kickt ut de Kaomerdör" (Katrin guckt aus der Kammertür), worauf der Küster "Nun danket alle Gott!" anstimmt, die Mahlzeit ist zu Ende und der Tanz beginnt. Die Braut sitzt dabei in der "Brautecke", d. h. in derjenigen Ecke des Zimmers, welche mit Tapeten, Bildern, buntem Papier und Rauschgold ganz besonders für sie hergerichtet ist. Wer mit ihr tanzen will, muss sie dort hervorholen und nach beendigtem Tanz wieder hinbringen.

Der Hochzeitsball ist sehr lebhaft. Die "Ollen" erliegen auch der Ansteckung und versuchen einmal wieder im "Schätschen-Triller", einem früheren Volkstanz, und in der vornehmen "Milwett" (Menuett) zu "hüppeln". Auf der Hausdiele tanzen "de lütten Görn" (die kleinen Kinder) und spielen Braut und Bräutigam. Eine Episode, die allgemein zu großer Lust gereicht, bildet die Erscheinung irgend eines karikiert vermummten Paares, welches nach einigen Tänzen und einer abenteuerlichen Geschichte, die es als die seinige erzählt, ebenso unenträtselt verschwindet, wie es unerwartet gekommen.

Über diesem Tumult ist die Nacht vergangen, der Morgen beginnt zu grauen, der Hahn zu krähen, das Vieh im Stall zu brüllen, die Lerche oben zu singen, die Hochzeitsgäste sitzen und essen Suppe, und draußen vor dem Fenster bläst ein Musikant auf der Flöte:

Trin is mine Brud,
Schraopt den Ketel ut!
(Drin ist meine Braut, kratzt den Kessel aus.)

Es ist das Zeichen, dass jetzt "de Langerey" oder "de Kihrut" (die Langereihe oder der Kehraus) getanzt werden soll. Die Gäste versehen sich heimlich mit Stöcken und Strickenden, der Tisch wird abgeräumt und es beginnt der Kehraus und zugleich eine Klopfpartie, bei der es bisweilen derbe Hiebe setzt. Wird das Durcheinander in der Stube gar zu arg, so zieht man hinaus, durch's Dorf und tanzt ein Mal auf dem "Brink" oder Rasenplatz. Die Brautdiener sind an der Spitze, die Musik spielt unablässig:

Trin is mine Brud,
Schraopt den Ketel ut!

Kehrt man zurück in die Stube, geht die Balgerei von vorn wieder an und währt so lange, bis der Bräutigam seine Braut erreicht und ergreift. Nun tanzt er "noch eins" mit ihr zu der Melodie:

Katrin kickt ut de Kaomerdör,

dann drängt man sich in die Kammer hinein und nimmt der Braut die "blanke Kron" ab, und nachdem ein allerletztes "Stückschen" getanzt worden ist, tut man endlich etwas Vernünftiges, d. h. man geht nach Hause.