Die Rumänen
Die Rumänen oder Walachen, die Nachkommen der alten römischen Kolonien an der Donau, haben sich weit über die Grenzen der Donaufürstentümer hinaus in den benachbarten Provinzen der ungarischen Krone und, der Pforte verbreitet. So mannigfachen Bedrückungen sie indessen Jahrhunderte hindurch ausgesetzt gewesen sind, so haben sie doch einen solchen Stolz auf ihre Nationalität bewahrt, dass in der Walachei die erste Frage eines Heiratskandidaten ist, ob das ihm vorgeschlagene Mädchen auch von echt rumänischer Abkunft sei. Ist das der Fall, so schickt er seine "Petitori" oder Brautwerber an die Eltern desselben ab, und wenn sie ihm günstig sind, begibt er sich einige Tage später selbst in das Haus des Mädchens, begleitet von den "Petitori" und von seinen Eltern. Ein Flötenspieler, ein Spaßmacher von Profession, zieht an der Spitze und erklärt den Besuch ungefähr auf folgende Weise:
"Unsere Großväter und ihre Vorfahren gingen einstmals auf die Jagd und entdeckten unser herrliches, an Milch und Honig überreiches Land. Ihrem Beispiel folgend, jagte auch unser liebreizender Bursche N. N. durch Felder, Wälder und Berge, und begegnete einem schüchternen Reh (einer Hinde), das (die) sich vor ihm fürchtete und versteckte. Wir haben aber die Spur desselben (derselben) bis zu diesem Hause verfolgt. Ihr müsst es (sie) uns herausgeben oder den Ort zeigen, wo sich das Reh (die Hinde) versteckt hat, welches (welche) wir mit so vieler Mühe und Anstrengung verfolgen."
Die Eltern beteuern, dass ihres Wissens weder eine Hinde noch ein Reh in dieses Haus gekommen sei. Da jedoch der Sprecher der Gesellschaft auf seinem Ansinnen beharrt, wird ihm zuerst die Urgroßmutter des Mädchens, dann die Großmutter, hierauf irgend ein altes zerlumptes Weib oder eine garstige Magd mit der jedesmaligen Frage vorgestellt, "ob es die sei, die sie suchten," und da die Antwort natürlich stets verneinend ausfällt, wird er aufgefordert, die zu schildern, welche sie begehren.
"Unsere Holde hat goldenes Haar und Augen so funkelnd wie Demant, die Zähne sind wie Perlen und die Lippen so rosig wie Weichsein. Der Wuchs ist der einer Löwin, der Hals hat die Weiße des Schwanes, die Finger sind zart wie Wachs und das Gesicht ist strahlend, wie die Sonne," ruft der Sprecher aus und fährt nun fort, seine ganze Beredsamkeit aufzubieten und einen wahren Schatz von Gleichnissen und Allegorien anzuwenden, um ein Bild von all' den Schönheiten und Tugenden zu entwerfen, welche der Gegenstand ihrer Verfolgung besitzen soll. Endlich geben die Eltern den mit Drohungen verstärkten Bitten nach und führen das reichgeschmückte Mädchen heraus. "Das ist das Reh (die Hinde)!" schallt es aus Aller Munde, und sogleich wird ein Priester geholt und in seinem Beisein die Verlobung durch das Ringewechseln gefeiert, worauf die Braut die Stube verlässt und die Andern sich zusammensetzen, um den Hochzeitstag zu bestimmen, zu dem man gewöhnlich einen Sonntag wählt.
Am Montag vorher wird nach einem großen Familienessen in jedem der beiden Häuser das Mehl für die Hochzeitsfeier gesiebt, und dieser Tag deshalb der "Siebetag" genannt. Zum Beschluss der häuslichen Arbeit wird getanzt.
Wohnen die Verlobten in einem und demselben Dorfe, so dass man erst Sonntags früh auszuziehen braucht, beginnt das Hochzeitsschmausen am Donnerstag vor der Trauung im Hause des Bräutigams; wohnt aber die Braut entfernt, fängt man bereits am Montag an, um die üblichen drei Gastereien zu haben, ehe man sich zur Braut begibt. Während dieser Tage wird der Tisch nie leer, indem die Gäste selbst viel Lebensmittel mitbringen; jeden Abend wird getanzt.
Beim dritten Gastgebot übersendet der Bräutigam seiner Braut durch einen seiner Anverwandten
in Begleitung von Musik verschiedene Geschenke, unter denen früher ein Paar schöngenähte und mit Perlen besetzte Weiberhosen nie fehlen durfte. Er selbst überbringt seinem "Naschut" oder Gevatter unter dem Schall einer andern Musikbande einen neuen Teppich nebst einigen Luchs- oder andern Pelzen zum Geschenk, und beide kehren wohlbezecht nach Hause zurück.
Am nächsten Morgen holt der Bräutigam, während in dem unteren Hofe seiner Wohnung von schöngeschmückten Mädchen getanzt wird, seinen "Naschut" ab, und reitet dann, von Freunden und Verwandten begleitet, mit Musik dem Brauthaus zu.
Die Vorreiter, welche seine Ankunft verkündigen sollen, werden von Verwandten der Braut, die ihnen entgegenreiten, als Gefangene in's Haus und dann wieder zurückgebracht, wo nun das Gefolge des Bräutigams seinerseits sucht, die Sieger zu fangen. Kommt man durch ein Dorf oder vor das Brauthaus, so ruft der Bräutigamszug unter Freudenschüssen: "Nuntalassi!" worauf Alles herausstürzt, schießt und den alten Römerruf: "Nune Thalassio" erwidert, den man auch beim Hochzeitstanz hört. Häufig findet vor der Ankunft ein Wettrennen zu Pferd Statt, bei welchem der Sieger ein gesticktes Tuch von der Braut, sowie sein Pferd einen Kranz empfängt.
Auf dem Hofe des Brauthauses hält der Bräutigam, bis die Brautgevatterin gekommen, um die Braut verschleiert in den Hof zu führen, und steigt erst vom Pferde, wenn vor den Füssen desselben ein Gefäß mix Wasser ausgegossen worden ist. Dann begeben sich Braut und Bräutigam, von ihren Beiständen oder Gevattersleuten geleitet, in den Saal, knien vor dem Priester nieder und sprechen ihm das Hochzeitsgebet nach, worauf die Braut unter vielen Tränen Abschied von den Eltern nimmt und in den sechsspännigen Wagen steigt, um über die mit Blumen und Zweigen bestreute Straße nach der Kirche zu fahren. Sie trägt einen langen goldnen Schleier und einen Gürtel, den ihr beim Schlafengehen der Gatte löst. Zwei Brautführerinnen sind bei ihr, die beiden Brautführer aber beim Bräutigam. Wenn sie sich in den Wagen setzt, ergreift die Gevatterin ein volles Glas Wein, das sie auf die Erde gießt, und eine Brezel, die sie zerbricht, um ein Stück zum rechten und eins zum linken Kutschenschlag hinauszuwerfen. In der Regel findet der Kirchzug nach der Vesper statt.
In der Kirche steht das Brautpaar auf einem Teppich, der zum Zeichen, dass man das Geld verachtet und nichts sucht als das häusliche Glück, mit Münzen bestreut wird, welche den Priestern und Sängern bleiben, und während der Geistliche die Kränze des Brautpaares drei Mal wechselt, werfen die Verwandten des letzteren überzuckerte Nüsse und Mandeln auf die Gäste, um anzudeuten, dass die angehenden Eheleute allen Spielereien und Liebhabereien der Kinderzeit entsagen. Hinter dem Brautpaar stellen sich gewöhnlich zwei ältliche Ehrenpersonen auf, welche die Hochzeitsfackeln halten und, wenn der Geistliche dem Trauungszeremoniell gemäß die Ringe und Kränze des Brautpaares gewechselt hat, mit diesem und dem Popen drei Mal in tanzendem Schritt die Runde um das Liturgiebuch-Pult machen, wobei sich Alle an den Händen anfassen.
Hierauf hält der Geistliche den Brautleuten ein Stück Honigkuchen oder ein in Honig eingetauchtes Stück Brot hin, nach welchem er sie zum Spaß mehrere Male vergeblich schnappen lässt, ehe er es ihnen preisgibt, und dann reicht er ihnen einen Becher mit Wein, aus dem sie ihm Bescheid tun müssen. Zuletzt wirft das Brautpaar etwas Geld, oder wenn es arm ist, Nüsse und Kastanien unter die Kinder aus.
Nach der Trauung muss die junge Frau auf die Hausschwelle treten, und Alle, welche ihr Glück wünschen, mit Rosenwasser besprengen, oder von einem Tisch herab, der vor dem Hause steht und mit Blumen, Brot, Wein, Salz und Korn bedeckt ist, Salz und Weizenkörner nach den vier Himmelsgegenden hin werfen. Dann steigt sie herab, wäscht dem Schwiegervater die Füße und setzt sich auf einen erhöhten Platz zwischen die beiden Mütter, mit denen allein sie sprechen darf, zum Hochzeitsmahl. Es besteht regelmäßig aus Nudelsuppe mit einer Henne darin, Rindfleisch mit geriebenem Meerrettich in
Essig oder mit Salzgurken, süßem und saurem Frikassee von jungen Hühnern, Sauerkraut mit gesottenem und gebratenem Schweinefleisch, zweierlei Braten mit Salat, besonders von Sellerie, und Kuchen und Obst als Dessert, wobei es jedoch üblich ist, den Braten auf dem Tische zu lassen, so lange noch ein Gast da ist. Als Getränke werden Wein, Bier und Branntwein, bei vornehmen Gästen auch Kaffee und Krambambuli vorgesetzt.
Bei der Abendtafel hat der Priester den Ehrenplatz und muss alle Speisen segnen, unter denen saure Suppe und Kohl mit Speck nie fehlen dürfen. Neben ihm sitzen die Brautleute mit ihren beiderseitigen Eltern. Gegen drei Uhr Morgens bringen die Köchinnen einen gebratenen Hahn in seinen Federn. Ein Gast kriecht unter den Tisch und kräht statt des Hahnes den Morgen aus, worauf die Köchinnen ein Geschenk bekommen, und ein Gebet für die Neuvermählten das Mahl schließt.
Früher durfte das Brautpaar nicht beim Hochzeitsmahl erscheinen, sondern musste getrennt, die Braut verhüllt und von dem Bräutigam ungesehen, in einem besonderen Zimmer speisen. Bei den Walachen in Ungarn ist dies noch jetzt der Fall, und in Siebenbürgen ist man sogar noch strenger, indem man dem Bräutigam nicht einmal gestattet, mit seinen Anverwandten und Gästen im Hause der Braut zu essen, sondern ihn nötigt, seine Gäste in seinem eigenen zu bewirten. Erst am folgenden Tage, nachdem am Abend vorher die Braut ihrem Gatten zugeführt worden, versammeln sich die beiderseitigen Gäste und Verwandten in des Bräutigams Wohnung an einer Tafel, bei welcher die junge Frau sich zum ersten Mal ohne Schleier zeigt, und am Schluss des Mahles unter Leuten geringerer Stände eine Schüssel gebracht wird, in welche die Geschenke für die Neuvermählten gelegt werden.
In Ungarn pflegen die Gäste ihre Geldgeschenke schon am Hochzeitstage zu geben, wenn sie sich nach dem Mahle von der Braut verabschieden, die sich in einem abgesonderten Zimmer in weiblicher Gesellschaft aufhält und verpflichtet ist, jeden Gast für seine Wünsche und Geschenke zu küssen. Am nächsten Tage wohnt auch sie dem Gastmahl bei, und erhält am Ende desselben ihre Kleider und Alles, was zu ihrer Mitgift gehört, aus dem väterlichen Hause zugesandt.
Bei vornehmen walachischen Familien geschieht dies mit großer Pracht, indem ein ganzer Schwarm von Dienstboten unter dem Schall von Trompeten und anderen Instrumenten den Hausrat bringt, und der Schwiegervater ihn seinem neuen Eidam feierlich übergibt. Auch ist es Sitte, dass an diesem Tage die Eltern der Neuvermählten mit diesen allein speisen, und bei dem letzten Gastmahl, das gewöhnlich am zweiten Donnerstag im väterlichen Haus der jungen Frau die mindestens achttägigen Hochzeitsschmausereien beschließt, der Schwiegersohn zum Abschied ein schönes Pferd mit Sattel und Zaum, die Tochter aber einen sechsspännigen Staatswagen geschenkt erhält, in dem sie mit festlichem Zuge heimgeführt wird. Ein Jahr nach der Hochzeit versammeln sich alle Verwandte, um den Jahrestag der Trauung zu feiern.
Unter den Walachen, welche ihr ganzes Leben als Hirten in ihren "Hirtenhütten" auf den zerstreut in den Bergen liegenden Hutungen zubringen, sind die Hochzeitsfeierlichkeiten weniger förmlich.
Da sie sich sehr jung verheiraten und oft schon Mädchen von 12 Jahren zur Ehe begehrt werden, kamen früher, wenn die Eltern nicht einwilligten, häufig Entführungen vor. Der Bursche ergriff entweder allein, oder mit Hilfe seiner Kameraden das Mädchen, wo er es fand, schleppte es in den nächsten Wald und liess nun die Eltern durch Freunde so lange bearbeiten, bis sie nachträglich ihre Zustimmung gaben.
In der Moldau war es ehemals sogar üblich, dass der Bräutigam seine Verlobte förmlich mit bewaffneter Hand aus ihrem Kämmerlein holte, nachdem seine Freunde eine Art Turnier zu Pferde vor dem elterlichen Hause der Braut aufgeführt hatten.
In dem östlichen Ungarn, nahe der siebenbürgischen Grenze, findet am St. Peterstag in der Ebene von Kalinásza ein sogenannter "Mädchenmarkt" Statt, wie ehemals bei den Ruthenen am Kloster von Kraszni Brod.
Die Walachen, welche mannbare Töchter haben, nehmen sie mit sich und bringen auch gleich
ihre Aussteuer, die gewöhnlich in einigen Stücken Vieh, Schafen, Schweinen und Geflügel besteht, mit herab. Junge Männer, die gesonnen sind, sich zu verheiraten, erscheinen in ihren Festtagskleidern und sehen sich die Mädchen an. Gefällt ihnen eins, suchen sie dessen Eltern auf, um dieselben zu fragen, was sie verlangen und ihrerseits dem Mädchen mitgeben wollen. Ist die Forderung zu hoch, fängt man an zu handeln, und wird man nicht einig, geht man weiter, um sein Glück anderswo zu versuchen. Wird man aber eins, gibt der Freier dem Vater des Mädchens einen so kräftigen Handschlag, dass alle Anwesenden es hören können und demnach wissen, das Mädchen sei versprochen.
Dann versammeln sich die beiderseitigen Eltern des jungen Paares und Alles trinkt gemeinschaftlich Branntwein, worauf der Pope gerufen wird, um sogleich die Trauung zu vollziehen. Gegen Abend nimmt die junge Frau Abschied von ihren Eltern, setzt sich auf den Wagen ihres Mannes, den sie kaum seit einigen Stunden kennt, und fährt mit ihm und ihrer Mitgift ihrer neuen Heimat zu.