Die Lappen und Finnen
Den nördlichsten Teil der skandinavischen Halbinsel bewohnen die Lappen, welche eines Stammes mit den Finnen und Esten sind und deshalb auch in Norwegen "Finnen" genannt werden. Sie führen gern ein Wanderleben, weshalb sie von sich selbst zu sagen pflegen: "Der Lappe hat kein Land und kein Haus", und schlagen ihre Zelte auf, wo sie für ihre Herden Nahrung finden. Nur an Jahrmärkten und Festen kommen sie von nah und fern zusammen, und diese Gelegenheiten werden gewöhnlich dazu benutzt, um bei der Branntweinflasche Verheiratungen unter einander zu verabreden. Denn ein Geschäft, das ohne Branntwein abgemacht wird, dünkt den Lappen nicht ernstlich gemeint, und ein Werben in aller Form heißt daher bei ihnen "mit Branntwein freien".
Es versammeln sich zu diesem Zweck des Freiers Eltern, Verwandte und Freunde, versehen sich mit der nötigen Quantität Branntwein und begeben sich in Masse zu den Eltern des Mädchens, welche ebenfalls ihre Verwandten und Freunde zu sich berufen und noch außerdem von zahlreichen Neugierigen besucht werden, die da sehen und hören wollen, wie die Sache abläuft.
Ist das künftige Brautpaar zugegen, so sitzt der Bursche schweigend dabei, und auch das Mädchen tut, als ob die Verhandlung es nichts anginge. Letztere beginnt damit, dass der Hauptwortführer von des Freiers Seite, der sogenannte "Werbungshauptmann" (sognon-åive), sich mit seiner Flasche und seinem Redefluss an die Eltern des Mädchens wendet, während seine Begleiter wie zufällig die entfernteren Verwandten desselben in's Gespräch ziehen und Jeder sein Gegenüber zu gewinnen und zu Gunsten des Freiers umzustimmen sucht.
Hält nun der Werbungshauptmann den Zeitpunkt für geeignet, um seinen Vorschlag anbringen, und den vom Branntwein erleuchteten Köpfen leichter annehmbar machen zu können, so lässt er nicht ab, seine Aufgabe in gebundener und ungebundener Rede zu verfolgen, bis die Eltern des Mädchens einwilligen und die "Freiergaben" (kileh) fordern. Haben sie dieselben erhalten, so ist der Kauf geschlossen und man geht entweder sogleich, oder an einem der folgenden Tage zu einem Geistlichen, um das Aufgebot zu bestellen. Da dies auch geschieht, wenn keines der jungen Leute der Werbung beigewohnt, so kommt es nicht selten vor, dass die Verlobten von Personen, die aus dem Kirchort heimkehren, zuerst davon unterrichtet werden, es sei "ein christlicher Ehebund zwischen ihnen verkündet worden", während sie vielleicht bis dahin sich kaum dem Namen nach gekannt.
So rein geschäftlich aber die Heirat von den Lappen abgemacht wird, so pflegen sie doch als Freiergaben nicht gern Geld zu nehmen, sondern ziehen Silbergerät, wie Löffel, Dosen, Becher, oder Schmuckgegenstände, z. B. Silberplatten zum Gürtel, Gehänge am Kragen und dergleichen vor, und lassen nicht einmal die Speciestaler, die sie sonst sehr lieben, als tauglich zum Brautkauf gelten.
Geht die Partie zurück, so werden auch die "kileh" wiedergegeben, und wer es nicht thäte, könnte gerichtlich dazu gezwungen werden, indem man die Verlobung als einen Kaufkontrakt ansieht. Die Meisten haben sogar das Billigkeitsgefühl, bei der Rückgabe der Geschenke eine Entschädigung für den bei der Werbung vertrunkenen Branntwein (sogno-vina) beizufügen, und zahlen diese selbst, wenn der Freier die Verlobung aufhebt.
Dass unter solchen Umständen eigentliche Liebesheiraten in Lappland zu den Seltenheiten gehören, versteht sich von selbst. Nirgends hat der Reichtum größeren Einfluss, wie dort, wo die
Kleidung Aller gleich ist, Rang und Talent aber unbekannt sind. Die erste Frage eines Heiratslustigen, über dessen Person die Eltern nicht schon eigenmächtig verfügt haben, ist daher: "Wie viel Rentiere hat das Mädchen?" Denn der Reichtum besteht bei den herumziehenden Lappen sowohl, wie bei den ansässigen, in Rentieren, und jedes Kind erhält bei seiner Geburt einige zum Geschenk, welche mit ihrer Nachkommenschaft später sein Vermögen ausmachen.
Ist der Freier mit der Zahl zufrieden, so geht er mit seinem Vater und einer Mittelsperson zu den Eltern des Mädchens und nimmt einige Flaschen Branntwein mit. An der Hütte angelangt, werden seine Begleiter höflich gebeten, einzutreten, er selbst wartet vor der Tür, bis man ihn ruft, und vertreibt sich die Zeit mit Holzspalten oder Wasserholen. Hat der Werber nach den üblichen Bezeigungen der Freundschaft und Achtung und nach vielen Lobsprüchen und Komplimenten, unterstützt vom Branntwein, die Eltern dazu beredet, den Freier anzunehmen, so wird derselbe eingeladen, hereinzukommen. Er begrüßt die Eltern seiner Auserwählten, sie geben ihm zu essen und lassen als besondere Gunst die Tochter holen, welche sie sogleich bei der Ankunft des Besuches nach einer entfernt weidenden Rentierherde fortgeschickt haben. Sie kommt, wird ihm vorgestellt und die Begegnung der jungen Leute fängt mit einem Kuss und heftigem Zusammenstoßen ihrer Nasenspitzen an, indem sonst die Begrüßung für kühl gelten würde.
Dann bietet der junge Mann seiner zukünftigen Braut die Geschenke an, die er unter seiner Kleidung mitgebracht: Rentierzungen und andere Fleischdelikatessen. Inmitten ihrer Familie weist sie aus Scham oder Bescheidenheit Alles zurück und läuft davon, gibt aber ihrem Verehrer ein Zeichen, ihr zu folgen. Er geht ihr nach und unter vier Augen nimmt sie die Leckerbissen an, was ihm den Mut gibt, sie um die Erlaubnis zu bitten, die Nacht in ihrer Gesellschaft bleiben zu dürfen. Hat sie keine Lust dazu, wirft sie die Geschenke auf die Erde; tut sie das aber nicht, findet die Verlobungsfeier statt.
Die Hochzeit wird von den Eltern des Mädchens oft Jahre lang hinausgeschoben, um mehr Vorteile aus dem Brautstand ihrer Tochter zu ziehen, indem der Bräutigam, so oft er kommt, Branntwein und Geschenke für die Braut und deren Eltern mitbringen muss. Erst nach vielen Besuchen des Bräutigams geben die Eltern ihre Einwilligung zur Hochzeit und der Trauungstag wird festgesetzt.
Am Morgen desselben erscheint der Bräutigam mit seinen Freunden, macht der ganzen Verwandtschaft Geschenke und zieht mit der Braut zur nächsten Kirche. Voran schreitet ein Zugführer, ihm folgt der Bräutigam mit seiner Begleitung, dann kommen die Mädchen und hinter ihnen geht die Braut zwischen einem Brautführer und einem Brautmädchen, mit gesenktem Haupt und trauriger Miene. Sie lässt sich mehr schleppen, als führen, und muss auch in der Kirche von den Eltern lange ermahnt und gedrängt werden, das von ihr verlangte Jawort auszusprechen, bis sie es endlich leise vor sich hinmurmelt. Nach der Rückkehr von der Trauung wird geschmaust und getrunken, und der Mann muss noch ein Jahr lang seinem Schwiegervater dienen, ehe er seine Frau und deren Mitgift wegführen darf.
Wo keine Kirchen in der Nähe sind, pflegten früher die Eltern selbst die Trauung vorzunehmen, indem sie ein Stück Eisen und einen Feuerstein ergriffen und als Symbol der Ehe und ihrer Mysterien Feuer anschlugen. Zu dem Mahle, welches dieser Zeremonie folgte, brachten sich die Gäste ihre Lebensmittel mit, und so lange der Branntwein reichte, blieb man zechend und jubelnd beisammen.
Auch die Finnen hatten die Gewohnheit, bei ihren Hochzeiten unmäßig zu essen und zu trinken, und noch jetzt wird zur Feier derselben drei Tage und drei Nächte hindurch in Einem fort getanzt und geschmaust.
Zum Freien wählt sich der junge Finne aus der Gegend von Viborg einen erfahrenen Redner, mit dem er an einem bestimmten Tage in's Haus des Mädchens geht, dessen Familie bereits im Voraus von seiner Ankunft in Kenntnis gesetzt worden ist. Hat der Redner sämtliche Eigenschaften und
Vorzüge seines Begleiters genügend gerühmt, und sein Vermögen in der Gegenwart und Zukunft möglichst glänzend geschildert, so teilt der Freier die mitgenommenen Geschenke aus. Dem Einen gibt er einen Gürtel, dem Andern einen Ring, dem Vater und der Mutter einige Silbermünzen, und wenn diese Gaben angenommen werden, erhält er das Recht, seine Verlobte aufzusuchen, und mit ihr feierlich auf dem Kirchhof die Ringe zu wechseln.
Die Braut geht ihrerseits mit einer weiblichen Sprecherin im ganzen Pfarrspiele herum, lässt überall erzählen, was für Kummer und für Sorgen sie binnen Kurzem haben würde, und empfängt dafür als Tröstung bald Wolle, bald Wäsche oder Silberzeug.
Zur Trauung trägt sie in der Gegend von Bertula ein schwarzseidenes Kleid, das sie sich von ihrer Anputzerin borgt, auf dem Kopf eine Papierkrone mit Goldblech und ähnliche Schmucksachen am Busen und an den Armen.
Das Hochzeitsmahl besteht aus Grütze, Salzfisch, Butter und dergleichen, nebst Bier und Branntwein. Ist es beendet, hält der Pastor das Schlussgebet, der Küster stimmt ein Gesangbuchlied an, das die ganze Versammlung mitsingt, und die Braut bringt dem Geistlichen die üblichen Gaben: ein Brot, einen Käse und ein Paar wollene Strümpfe. Dann wird getanzt, der Geistliche nimmt aber nicht Teil daran.
In Nastola und anderen Orten ist gewöhnlich der zweite Weihnachtsfeiertag der allgemeine Trauungstag, wo oft sechzehn Brautpaare und mehr hinter einander kirchlich eingesegnet werden.
Findet die Trauung an einem Wochentage und im Hause Statt, so kommt am Abend vorher der Bräutigam in's Hochzeitshaus. Voran gehen einige Marschälle, und fragen den Hausherrn im Namen eines fremden Prinzen, ob der Letztere bei ihm Quartier finden könne. Hausherr, wie Hausfrau machen große Schwierigkeiten, geben aber endlich nach. Der Bräutigam zieht ein, andere Gäste kommen und es wird die ganze Nacht hindurch getanzt. Am nächsten Tag ist nach der Trauung das Hochzeitsmahl, bei welchem die Brautleute neben einander sitzen, und nach dessen Beendigung die Braut unter den Brauthimmel geleitet wird, ehe das Kronabtanzen beginnt.
Am Abend des zweiten Hochzeitstages bleiben nur noch die Verwandten da, und zwar die der Braut im Haus des Bräutigams, die des Letzteren im Braut- oder Hochzeitshaus.
In Alt-Finnland begeben sich die Brautleute nach der Trauung nicht zusammen in's Hochzeitshaus, sondern ein jedes kehrt in seine Wohnung zurück, doch erscheint bald nachher der Bräutigam mit seinen nächsten Anverwandten und den Brautführern vor dem Haus der Braut und lässt sich anmelden. Der Hausvater verweigert die Aufnahme, die Boten des Bräutigams zeigen aber als Pass ein Papierläppchen vor, dessen Inhalt sie, obwohl sie kaum buchstabieren können, zum Schein geläufig ablesen. Die noch folgenden Fragen und Einwendungen werden durch Bewirten und Geschenke Seitens des Bräutigams so glücklich gelöst und beschwichtigt, dass man Einlass erhält und bisweilen zwei Tage bleibt, ehe man in's Bräutigamshaus zieht, wo der eigentliche Hochzeitsschmaus beginnt.
Bei wohlhabenden Bauern der Gegend von Bertula fährt die Braut am Tage nach der Trauung in ihre neue Heimat, wo sie den Brautschmuck ablegt und die Mütze der Hausfrau aufsetzt, worauf das Fest noch einige Zeit lang währt.
Auf den Ålandinseln dagegen, wo man die Hochzeiten stets im Sommer abhält, fährt die Braut bereits drei Tage vor der Trauung mit ihrer ganzen Ausstattung auf einem großen Erntewagen, der gleich den Pferden, die ihn ziehen, mit Laub und Maien geschmückt ist, in's Haus des Bräutigams. Hat sie einen Bruder, so dient ihr derselbe als Kutscher, während zwei Geiger voran reiten.
Die Trauung findet immer Sonntags statt, und Zug, wie Brautmädchen und Brautkleiderin erinnern an schwedischen Ursprung. Auf dem Heimweg aus der Kirche sitzt die Braut mit ihren Brautmädchen im Wagen des Predigers, der allein von allen Männern fahren darf. Die übrigen Männer mit dem Bräutigam eröffnen den Zug zu Pferde. Dann kommt die Musik und der Wagen der Braut, hinter welchem die Frauen auf Quersätteln reiten.
Die übrigen Festgebräuche sind den schwedischen ähnlich, nur geloben die nächsten Anverwandten Kühe, Pferde und Schafe als Gaben für die Wirtschaft des neuen Ehepaares.