Die Griechen
Sie fasst sich mit den Augen, sinkt nieder auf den Mund,
Und gleitet von den Lippen bis in des Herzens Grund,
heißt es in einem neugriechischen Liedchen, welches man in Thessalien zum Tanze singt, von dem Entstehen der Liebe, weil die Jugend nirgends weniger Gelegenheit hat, eine Neigung zu fassen und zu nähren, als in Griechenland.
In einigen Landstrichen verschaffen bloß öffentliche Feste, Bälle und ähnliche Lustbarkeiten dem jungen Manne die Möglichkeit, sich eine Lebensgefährtin auszusuchen. Er sagt es ihren Eltern und, wenn diese einwilligen, sehen sich die beiden jungen Leute erst am Tage, wo sie die Ringe wechseln, wieder.
In anderen Gegenden, wo es der Brauch verlangt, dass der Freier selbst dem Mädchen seine Liebe erkläre, sucht derselbe ihr irgendwo, sei es am Brunnen, oder bei einer Verwandten, zu begegnen, um ihr einen Apfel oder eine Blume zuwerfen zu können, was als Heiratsantrag gilt, und an manchen Orten, wo die Mädchen gänzlich abgeschieden leben, geschieht es wohl, dass der Grieche um ein Mädchen anhält, das er nie gesehen, indem er einen Verwandten oder Freund, der in der Familie desselben Zutritt hat, mit der Werbung beauftragt.
Hat auf den ionischen Inseln ein junger Mann sich in ein Mädchen verliebt, das ihm die Eltern nicht geben wollen, so kommt es nicht selten zu blutigen Szenen, indem sich manchmal die ganze Dorfschaft gemeinsam aufmacht, um die Geliebte ihres Mitbewohners mit Gewalt zu entführen. Mitunter verlässt auch das Mädchen freiwillig das elterliche Haus, und flieht zu ihrem Geliebten, um ihn nicht wieder zu verlassen, und auf Kephalonia greifen verzweifelte Liebhaber häufig zu dem extremen Mittel, dem Mädchen ihrer Wahl öffentlich das Tuch vom Kopfe oder das Halstuch von der Brust zu reißen, was für eine solche Schmach gehalten wird, dass die Eltern "nolens volens" in die Heirat willigen müssen, um die Ehre ihrer Tochter und ihres eignen Namens herzustellen.
Ist man über die Verbindung, welche in der Regel der Freier persönlich nachsucht, einig, wird ein Sonntag bestimmt, an dem die Verlobung gefeiert werden soll. Der künftige Bräutigam begibt sich des Morgens in Begleitung seiner Verwandtschaft in das Haus der Braut und bringt dieser den Ring, worauf die Eltern ihn und sein Gefolge zum Mittagsessen dabehalten.
In Epirus und auf dem Pindus wird die Verlobung Abends gefeiert, indem die Eltern und ein Pope vor dem Bräutigam oder der Braut den Kontrakt unterschreiben. Dann führen zwei Mädchen die Braut verschleiert dem Bräutigam zu, der sie bei der Hand nimmt und dem Popen vorstellt, welcher sie segnet. Haben sie die Ringe gewechselt, entfernt sich die Braut und die übrige Gesellschaft bleibt fröhlich beisammen und zecht.
Von der Verlobung bis zur Trauung können nun Monate und Jahre vorübergehen, ohne dass sich die Brautleute je wiedersehen dürfen, und in dieser Zeit werden von beiden Seiten die Vorbereitungen zur Hochzeit getroffen.
Da auf den Ionischen Inseln Dienstag und Freitag für Unglückstage gelten, an denen man besonders nie heiraten darf, soll die Ehe glücklich ausfallen, so bestimmt man auf Kephalonia gern den Sonntag oder Donnerstag, namentlich wenn auf diesen ein großes Fest fällt, zum Hochzeitstag. In den Städten lässt man sich auch Samstags trauen, und zwar immer des Abends und im Hause der Braut, während auf dem Lande selbst bei reichen Bauern die Trauung stets am Tage und in der Kirche stattfindet. Einige Tage vorher wird der Heiratskontrakt unterzeichnet.
In Arkadien, besonders in der Umgegend von Tripolitza, benutzt man am liebsten das Fest des hl. Georg auf den Ruinen von Mantinea dazu, um sich des Morgens in aller Frühe in der Kapelle dieses Heiligen gegenseitig Treue zu schwören und aus den Händen des Bischofs die Weinlaubkronen zu empfangen, mit denen das Brautpaar bekränzt wird.
Am Abend vorher wird in Tripolitza, dem Herkommen gemäß, die Braut in's Bad geführt, und ihre Ausstattung auf Pferden, deren Mähnen mit Bändern und gestickten Tüchern geschmückt sind, in der Stadt zur Schau umher geschleppt, während zu gleicher Zeit ihre Kleider von Kindern in Körben, die mit Blumen verziert sind, auf dem Kopfe in den Straßen herumgetragen werden. Im Hochzeitshaus fangen inzwischen die Tänze an, und die Braut, mit Goldfäden im Haar und einer Purpurbinde um den Kopf, das Antlitz schön geschminkt und die Augenbrauen und Wimpern schwarz gefärbt, geht allen eintretenden Männern entgegen, um ihnen demütig die Hand zu küssen.
Bei der Trauung ist es Sitte, dass sie wie ein Opfer dem Altar zuschwankt, und Abends muss sie sich wie mit Gewalt aus den Umarmungen der Ihrigen losreißen, wenn sie, geleitet von ihren Verwandtinnen, unter unzähligen Glückwünschen und dem Gesang von Hochzeitsliedern das Haus der Eltern verlässt. Ein Kind, das ihr einen Spiegel vorhält, geht ihr voran, und auf der Mitte des Weges kommt ihr der Bräutigam mit seinem Gefolge entgegen, um sich an die Spitze des Zuges zu setzen. Hat man die Wohnung des Mannes erreicht, stellt sich dieser zur Linken seiner Frau auf, und nun wird das junge Paar mit einem wahren Regen von Blumen, Früchten, Nüssen und Zuckerwerk überschüttet. Die junge Frau wird, da es eine Vorbedeutung schlimmster Art sein würde, wenn sie beim Eintritt in das neue Haus den Boden berührte, rasch über die Schwelle gehoben, und muss, bevor sie zu Bett gebracht wird, zum Beweis ihrer Jungfräulichkeit noch auf ein Sieb aus Fell steigen, um es zu durchtreten.
In Epirus laden die Eltern des Bräutigams schon drei oder vier Tage vor der Hochzeit Verwandte und Freunde ein, indem sie ihnen durch einen jungen Burschen eine Flasche Wein zuschicken. Wer die Einladung annimmt, sendet am Tag vorher irgend ein Geschenk: einen lebendigen Hammel oder ein Lamm, das mit Bändern und Gehängen geschmückt ist, oder auch nur ein Viertel desselben als Braten, und stellt sich des Nachts im Hause der Braut oder des Bräutigams zum Beginn des Festes ein.
Am Morgen vor dem Kirchgang barbiert der Brautführer ganz ernsthaft unter Gesang den Bräutigam inmitten der eingeladenen Mädchen, während die Gefährtinnen der Braut wiederum dieser singend das weiße Brautkleid anziehen und sie mit einem langen, feinen weißen Schleier bedecken.
In den Dörfern von Kephalonia wird, wenn die Braut am Hochzeitstage ihrem Mann übergeben werden soll, das Mobiliar, Gerät und Vieh, was zur Mitgift gehört, am Tage vorher mit einem gewissen Gepränge in die Wohnung des Mannes geschickt. Am Hochzeitsmorgen legt die Braut schon ganz früh ihre
schönsten Kleider an, bedeckt sich mit Geschmeide und flicht Bänder in das Haar, trägt aber keinen Schleier, wie die städtische Braut, und zieht auch helle bunte Farben im Anzug der weißen vor, die in der Stadt am üblichsten ist. So geputzt, setzt sie sich auf den besten Platz in der Stube und erwartet den Bräutigam, der, ebenfalls in seinem größten Staat, in Begleitung seiner Verwandten und Freunde anlangt. Hierauf begibt man sich in die Kirche, wo bei der Trauung jedes der Brautleute einen bis zwei "Kranzpaten" hinter sich stehen hat, und nach Beendigung der Zeremonie in das Haus der Braut. Dort werden zuerst Süßigkeiten und Erfrischungen angeboten, dann wird zu Mittag gegessen, was mitunter über zwei Stunden dauert, und zuletzt getanzt.
Vor Sonnenuntergang tritt das junge Ehepaar, begleitet von allen Verwandten und manchmal vom ganzen Dorfe, den Weg nach dem Hause des Mannes an, wo der Zug mit Freudengeschrei und Schüssen empfangen wird.
Bewohnt der Mann ein anderes Dorf, so reitet man auf Mauleseln, die mit den schönsten Stoffen behangen sind; die Bewohner kommen den Neuvermählten entgegen und begrüßen sie mit Schüssen.
Ist die Braut noch sehr jung, oder der Vater derselben außer Stande, die Mitgift sogleich bei der Hochzeit zu geben, so bleibt bis zu einem mit dem Mann verabredeten Termin die junge Frau im Hause ihrer Eltern, ohne irgendwelchen Umgang mit ihrem Gatten zu haben. Erst wenn die festgesetzte Zeit vorüber ist, kommt der Mann mit seiner Verwandtschaft, um seine Frau zu holen. Dieser Tag wird alsdann beinah noch festlicher begangen, als die Hochzeit. Es wird geschmaust, gezecht, gesungen und getanzt, und in allen Orten, durch die man zieht, besonders aber in dem Dorfe, wo der Mann wohnt, viel geschossen.
Bei einer Hochzeit in den höheren Ständen begibt sich der Bräutigam, begleitet von seiner Verwandtschaft, gegen acht Uhr Abends in das Haus der Braut, wo die Trauung stattfindet, die über eine Stunde währt.
Die Braut, umgeben von den Brautmädchen oder "Paranymphen", welche in Balltoilette sind und Rosen im Haar haben, geht ganz weiß, trägt einen langen weißen Schleier und einen Kranz von künstlichen Orangenblüten auf dem Kopfe. Nach der Zeremonie werden ungeheuer viel Bonbons, oft 8 bis 9 Sorten, verschiedene Weine und Rosoglios vorgesetzt, ehe man sich nach dem Haus des Mannes begibt, um dort gegen 10 oder 11 Uhr ein wirkliches Souper einzunehmen, nach welchem sich Alles entfernt und das Ehepaar allein lässt.
Am nächsten Morgen von 10 Uhr an erscheinen die Gäste wieder, um den Neuvermählten ihre Besuche abzustatten, welche diese binnen der nächsten drei Monate erwidern müssen. Im Sommer wird dabei Eis, im Winter Schokolade vorgesetzt, und wenn, wie dies häufig geschieht, das Brautpaar nach der Trauung auf's Land geht, fallen diese Besuche ganz weg. Nur verlangt der Brauch, dass die junge Frau gerade acht Tage nach der Trauung einen Besuch im elterlichen Hause macht, das sie bis dahin nicht betreten darf. Auf den Dörfern ist diese Verpflichtung noch um eine Woche länger hinausgeschoben und an dem dazu bestimmten Tage eine Art Nachhochzeit, indem das junge Ehepaar, begleitet von allen Verwandten, schon des Morgens im Brauthaus ankommt, wo nun geschmaust, gezecht, getanzt und gespielt wird, bis man spät am Abend wieder in's Haus des Mannes zurückkehrt.
In Athen, wo die Mädchen bis zu ihrer Heirat das elterliche Haus nie verlassen dürfen, und der Freier seine zukünftige Frau am Trauungstag gewöhnlich zum ersten Male sieht, wird die Braut unter dem Schall von Hoboen, Schellentrommeln und anderen Lärm machenden Instrumenten wenigstens zwei Stunden lang in den Straßen herumgeführt. Sie muss dabei sehr ernsthaft und bedächtig einherschreiten und sich ganz gerade halten, um die große aus Filigran gefertigte Krone mit Perlen nicht schwanken zu machen, welche sie auf dem Kopfe trägt.
Da das Fest kein Fest sein würde, wenn sie an demselben nicht geschminkt wäre, so lässt man dazu eine Schminkerin kommen, wie anderwärts eine Haarflechterin.
Die Eltern der Braut führen sie in das Zimmer ihres Gatten, wo sie sich unter die andern Frauen
setzt, das Gesicht mit einem roten Schleier verhüllt. Dann tritt der Mann ein, geht auf sie zu, hebt ihr mit zitternder Hand den Schleier auf und küsst sie.
Auf Mykone im Archipel hat die Braut, besonders wenn sie die älteste Tochter des Hauses ist, das Recht, sich mehrere Paten zu wählen, die sie am Abend in die Kirche begleiten. Der Pope empfängt sie an der Tür der Kirche und setzt den Brautleuten, wenn sie ihre Einwilligung zur Trauung gegeben haben, einen Kranz von Weinranken auf, der mit Bändern und Spitzen besetzt ist. Dann nimmt er zwei Ringe, die auf dem Altar lagen, einen goldenen für den Bräutigam, einen silbernen für die Braut, und spricht drei Mal: "Ich vereinige den und die, Diener und Dienerin Gottes, im Namen u.s.w.," indem er mit den Ringen das Kreuz über den Köpfen schlägt, und sie ihnen abwechselnd an die Finger steckt, bald der Braut, bald dem Bräutigam, oft an dreißig Mal, bis er sie ihnen lässt, worauf die Paten dieselbe Zeremonie wiederholen, nachdem sie vorher die Kränze 3-4 Zoll hoch über den Köpfen gehalten haben.
Dann tanzen sie sämtlich drei Mal in der Runde, während die anwesenden Eltern, Freunde und Nachbarn ihnen freundlichst einige Faustschläge und Fußtritte zukommen lassen, und der Pope schneidet kleine Brotstücke, die er in eine Schale mit Wein taucht, von der er einen Löffel voll dem Bräutigam und einen der Braut gibt, nachdem er selbst davon genommen. Haben auch die Paten und Umstehenden bekommen, ist die Trauungszeremonie zu Ende.
In Thessalien finden sich die Gefährtinnen der Braut schon mit Tagesanbruch ein, um dieselbe unter den üblichen Gesängen anzukleiden. Dann kommt der Bräutigam mit seinen Verwandten und Freunden, die Mädchen führen ihm die Braut zu und Letztere nimmt unter heißen Tränen Abschied von der Mutter und dem Vater, von den Freundinnen und Nachbarinnen und von allen Plätzen, die sie geliebt, bis endlich der Brautführer ungeduldig ausruft: "Wenn sie weint, lasst sie da." Sie erwidert jedoch: "Führt mich nur weg, aber lasst mich weinen," und folgt zwischen einer Verwandten und dem Brautführer dem Zuge, der sie in's Haus des Gatten bringt.
Dort wird sie von der Schwiegermutter empfangen und bleibt verschleiert, bis Alle am Tische sitzen und der Brautführer ihr den Schleier abnimmt, worauf die Übrigen ein Lied anstimmen, welches die Mühen des täglichen Lebens schildert.
Auf Morea, namentlich in den Dörfern Arkadiens, wird die Braut nach der Trauung auf einem mit Ochsen bespannten Wagen im Triumph nach dem Hause ihres Bräutigams gefahren, und in Eleusis ziehen Musikanten und Tänzer dem Zug voraus, welcher sich aus der Kirche nach dem Haus der Braut begibt. Letztere, in einen langen Schleier gehüllt und von ihren Verwandten geführt, macht den Eindruck, als ginge sie dem Tod entgegen, so langsam und zögernd schreitet sie einher.
Sobald sie vor ihrem Gatten steht, wirft sie sich ihm zu Füssen, küsst ihm die Hände und legt einen Sack und einen Strick vor ihm nieder, um auszudrücken, dass sie die Lasten des Hauses tragen und die Vorräthe für den Haushalt bewahren werde. Im Hause selbst versammeln sich die Frauen der Nachbarschaft und preisen in einem mit monotoner Stimme gesungenen Hochzeitslied die Tugenden und Vorzüge der neuen Gattin, und ist diese erst in alle Einzelheiten der Wirtschaft eingeführt, beginnen die Freuden des Mahles und die Tanzbelustigungen, welche meist mehrere Tage währen.
Am dritten Tage nach der Hochzeit ist es in vielen Orten Sitte, dass die weiblichen Verwandten und Bekannten der Neuvermählten zu ihr kommen und sie in einem festlichen Zuge nach dem Brunnen führen. Hier schöpft die junge Frau mit einem eigens dazu bestimmten Gefäß Wasser und wirft verschiedene Esswaren, untermengt mit Brotkrümchen in die Quelle. Alsdann fangen die Rundtänze um den Brunnen an, welche den Schluss der Hochzeitsfeierlichkeiten bilden.