Hulda.
(Indem sie hereintreten.)
Jette, hör', das ist nicht fein!
Drängelst Dir wohl so hinein,
Weil Du willst die Erste sein?
Denkst, dann kann es Dir nicht fehlen,
Daß Dich Fräulein Braut tut wählen.
Bilde Dir nicht so was ein,
Ich werd' die Erwählte sein.
Jette.
Du? Da seh mal Einer an,
Wie man so sich irren kann!
Ich allein ganz sicherlich
Schick' zur Kammerjungfer mich.
Nicht will ich mich selber preisen,
Doch ich kann es leicht beweisen.
Dich kenn' ich, Du, Falsche, Du,
Dich und Deine Meriten dazu,
Ich sag' Dir es in's Gesicht:
Wer Dich kennt, der kauft Dich nicht.
Hulda.
Fräulein Braut, mit Permission,
Das ist eine grobe Person,
Ungeschickt und unmanierlich,
Doch das ist ja ganz natürlich,
Kann ja weder schreiben noch lesen
Und ist nie, wie unser eins,
In 'ner guten Schule gewesen
Jette.
Hör' doch Einer! nicht wahr, das heißt
Bei der gnäd'gen Gräfin von Steigen?
Wenn Du weiter gar nichts weißt,
Ach, dann sollt'st Du doch nur schweigen.
Denkst Du denn, man weiß es nicht
Was von Dir die Frau Gräfin spricht?
"Das ist eine verdrehte Person" -
Hat sie gesagt zu Ihro Gnaden
Der Frau Gräfin zu Iserlohn,
Als sie sie jüngst zum Tee geladen,
"Ist verschroben ganz und gar,
"Was kann solche Person mir nützen,
"Deren einziges Trachten war
"Immer hinter Romanen zu sitzen?" -
Nun, gelehrte Dame, was will
Man zu diesen Worten sagen?
Ja, nun wird Jungfer Hulda still,
Gleich, als wär' sie auf den Mund geschlagen.
Hulda.
Ach, Du miserable Person,
Ich verachte Dich, das ist Dein Lohn.
Fräulein Braut weiß es zu schätzen,
Daß ich tu' nach Bildung streben.
Ach, was wäre doch das Leben,
Das und tut so oft verletzen,
Könnten wir an solchen Schätzen
Unsre Seele nicht ergötzen.
Fräulein Braut, ich leugne nicht,
Was voll Neid die Jette spricht,
Lesen, das ist meine Freude,
Lesen, das ist meine Lust,
Und eh' ich das Lesen meide
Stoß' ich den Dolch mir in die Brust.
Und vor allen der Walter Scott -
Ach, das ist ein wahrer Gott!
Der versteht das Herz zu rühren,
Daß man möcht' den Verstand verlieren.
Jette.
Ach, was für verdrehtes Zeug
Plaudert die, mir wird ganz weich,
Muß nur mal um Ruhe bitten,
Sonst schwatzt sie bis Mitternacht.
Geben Sie, Fräulein Braut, nur Acht,
Das sind noch nicht all' ihre Meriten!
Denken Sie - es ist zum Lachen!
Auch Gedichte will sie machen.
Oft malt sie den ganzen Tag
Ach und o und o und ach,
Und dahinter fürchterliche,
Ellenlange Gedankenstriche,
Und dann wieder eben so
O und ach und ach und o,
Und dann seufzt sie laut dazwischen
Und tut sich die Tränen wischen.
Hulda.
(Schwärmerisch.)
Ja, es ist ein süßes Spiel,
Wenn der Geist mich tut durchwehen;
Doch das kannst Du nicht verstehen,
Denn Dir fehlt das feine Gefühl.
Nein, ich will es gar nicht leugnen,
Daß ich bin ein Dichtertalent.
Wenn die Welt mich erst erkennt,
Wird sie staunend mich bezeichnen
Als 'nen Helden, als 'nen Gott,
Wie den großen Walter Scott.
Fräulein Braut, damit Sie sehen,
Daß mein Mund die Wahrheit spricht,
Will ich heut' Ihr Fest erhöhen
Durch ein göttliches Gedicht,
Das ich erst vor wenig Wochen
Unter lautem Herzenspochen
(s'war gerad um Mitternacht)
Hab' an meinen Geliebten gemacht.
(Sie stellt sich bin, um zu deklamieren.)
Jette.
Nein, Du tust zu sehr Dich zieren,
Hulda, laß mich deklamieren.
Hast es mir zu oft erzählt,
Als daß ich's nicht sollte wissen.
Aber, wenn mir etwas fehlt
Nun, dann wirst Du helfen müssen.
(Nachsinnend.)
"In der Laube - wart ich Dein" -
Nein, so war's, nun fällt's mir ein!
(Deklamierend.)
"In der grünen Rebenlaube
Sitzet Deine zarte Taube" -
(Merken Sie, das geht auf ihr!)
"In der neuen Sonntagshaube,
Sie verzehrte eine Traube
Und dem Liebesschmerz zum Raube
Harret sie auf Dir!"
"Eile doch, mein süßer Vetter!
Wo bleibst Du, mein holder Retter?
Lieblich klingen alle Blätter,
Führt ihn her, ihr großen Götter!"
Doch was seh ich - alle Wetter,
Ja, schon naht mein Unteroffizier! -
Fräulein Braut, in Ihren Blicken
Les' ich himmlisches Entzücken,
Hulda's teurer Vetter war
- Daß Sie's wissen - ein Husar!
Hulda.
Jette, hör', das ist nicht wahr!
Merke, was ich Dir erklär':
Mein Bräut'gam ist ein Militär!
Jette.
Nun, Du tust, als willst Du beißen.
Ein Militär, was soll das heißen.
Hulda.
Jette, nimm es mir nicht krumm,
Du bist doch entsetzlich dumm!
Ein Militär, das merke Dir,
Das ist -
Jette.
Nun was?
Hulda.
Ein Unteroffizier!
Jette.
So, ein Unteroffizier? Ei schaut!
Daß Sie's wissen, Fräulein Braut,
Alle Tage hat sie 'n Andern,
Und läßt dann den alten wandern.
Hulda.
Jette, Jette, schweige still,
Wenn ich davon sprechen will,
Ja, dann hab' ich viel zu sagen. -
Jette.
(Pathetisch.)
Nichts von jenen sel'gen Tagen,
Wo ich einst so glücklich war.
Ach, Du schändlicher Barbar,
Du geliebter, schlanker Schneider,
Du verließ'st die Jette leider!
Fräulein Braut, war das wohl recht?
Darum haß' ich das Geschlecht,
Haß' es - ich erklär' es laut -
Grade so wie Fräulein Braut.
Und, so wahr ich ehrlich bin,
Mögen Tausend immerhin
Mir zu Füßen Liebe schwören -
Keinen will ich doch erhören,
Keinem folge ich zur Trau,
Bis - Sie heißen junge Frau.
Nun, was dann nachher geschieht,
Davon will ich jetzt nicht sprechen,
Meinen Schwur werd' ich nicht brechen,
Denn ich hab' ein treu Gemüt.
Fräulein Braut, ja, Sie tun gut,
Wenn Sie mich zur Jungfer wählen,
Zwar bin ich ein junges Blut,
Doch Sie können auf mich zählen,
Denn die Männer - das ist wahr,
Ja, die haß' ich ganz und gar!
Wollt' der Herr Gemahl es wagen
Mir Floretten 'mal zu sagen,
Fräulein Braut, ja, glauben Sie,
Ich verschwieg' es Ihnen nie.
Sticken kann ich und frisieren,
Kleider mach' ich, groß und klein,
Wollen Sie's mit mir probieren,
Werden Sie zufrieden sein.
Und wie schön ich sticken kann,
Das mag diese Arbeit sagen.
Holdes Bräutchen! ohne Zagen
Nehmen Sie sie gütig an.
Hulda.
Na, die Arbeit, bunt und kraus,
Ach, und nobel sieht die aus.
Was sind das für fürchterliche
Krumme, ach, und schiefe Stiche,
Nein, nicht einen Augenblick
Machest Du damit Dein Glück,
Da, du alte Prudelliese
Sieh mit Ärger einmal diese
Schöne, saubre Arbeit an.
Jette, diese Fußbank kann
Ohne Scham und ohn' Erbleichen
Ich dem Fräulein überreichen,
Und sie nimmt sie gütig an.
Jette.
Mach' Du Dich nur immer breit,
Dir wird es doch niemals glücken
Kluge Leute zu berücken.
Hulda, sieh, es tut mir leid,
Geh' nur ab, Du kannst Dich drücken,
Ich bin die Erwählte heut.
Hulda.
Nun, das wollen wir noch sehen,
Doch ich denk', jetzt ist es Zeit,
Daß wir an die Seite gehen,
Denn da kommen andre Leut;
Aber, Jette, gib nur Acht,
Wenn's die Andern abgemacht,
Fangen wir von Neuem an.
Jette.
Ich bin Kammerjungfer dann.
Hulda.
Nein, das Fräulein wählet mich.
Jette.
Nein, ich werd' es!
Hulda.
Ich!
Jette.
Nein ich!