Personen:
Jettchen, Dienstmädchen. (Kann von einem Herrn dargestellt werden.)
Juste, Kindermädchen.
Purps, Soldat.
(Szene: Ein Zimmer.)
1. Szene.
Jette. Dann Juste.
Jette (kommt durch die Mitte). Ne, mit die Herrschaften heute - 's ist großartig; das Zanken und Raisonnieren nimmt gar kein Ende; ich habe mit meiner Madam auch alle Tage was vor. So sagt sie zum Beispiel neulich zu mir: Jette, die Eier sind schon wieder steinhart gekocht. Steinhart? frage ich - dann ist's nicht meine Schuld, sie haben über dreiviertel Stunden gekocht, und wenn sie dann noch nicht weich sind, dann weiß ich es nicht. Und so geht es einen Tag wie alle Tage, aber bei mich heißt es: ein Ohr rin, das andere raus und macht sie's zu bunt, nehm' ich den Wassereimer und singe mir was die Treppe 'runter. Immer unverfroren - das ist die Hauptsache. (Nimmt ein Buch aus der Tasche.) Hier ist mein Tröster - der große Schiller ist mein Mann, er schrieb mich aus die Seele. Ueberhaupt die Klassiker - ich denke stets an sie. Beim Tassenabwaschen denk' ich an Tasso'n, beim Ausklopfen an Kloppstock - wenn ich Bier trinke, denk' ich an Hopf'n und wenn ich Berg sehe, an Kalisch bin ich im Garten, fällt mir Laube ein, und steh' ich am Schafgraben, denk' ich an Bacherl. Ach, es geht Nichts über der Literatur! -
Juste (kommt von links). Da bist Du ja, Jette, und schon im vollen Wix, da muß ich mir auch schnell zurecht machen -
Jette. Holt Dir Deiner ab?
Juste. Ja wohl, ich denke, er wird jeden Augenblick kommen.
Jette. Bei welches Regiment steht denn Deiner?
Juste. Vierte Compagnie, Alexanderregiment. Es is'n ganz netter Mensch so weit, aber aufrichtig gesagt, ich wünschte, er stände bei die Kavallerie. So ein Drajoner oder Husar! Ach, Jette, Du glaubst gar nich, was ich die Drajoner gern habe.
Jette. Das verstehst Du nicht - Allens, nur keine Kavallerie. Die Artillerie ginge noch, wenn man mit die nusgeht, so begnügen sie sich allenfalls mit Kaffee und Butterbrot, da kommt man noch mit acht Jute davon. Aber die Kavallerie und besonders die schwere - Jott, was hat mir die schwere Kavallerie schon für schweres Jeld gekostet.
Juste. Also bist Du mehr für Zivil?
Jette. Alles, nur kein Zivil nicht! Juste, mit diesem Worte hast Du mir die einzige Wunde meines Herzens von Neuem aufgerissen.
Juste. Ist Dir Dein Zivilist untreu geworden?
Jette. Wenn er mir nur sitzen gelassen hätte, das hätte ich ihm verzeihen können, das hatten vor ihm schon ein Dutzend Andere getan. Nein, die Sache war die: als wir uns kennen lernten, hatte ich hundert Taler mühsam mit meiner Hände Arbeit beim Marktgehen erspart. Er erbot sich, sie nach der Sparkasse zu tragen und "Roß und Reiter sah man niemals wieder."
Juste. Er war?
Jette (tragisch). Pfutsch!
Juste. Und Deine hundert Taler?
Jette. Noch pfutscher!
Juste. Du hättest ihn aufsuchen sollen, er mußte doch irgendwo zu finden sein.
Jette. Er war nich in Berlin geboren,
Ich wußte nicht, woher er kam,
Und schnell war seine Spur verloren,
Weiß nicht, wo er ein Ende nahm
Juste. Na, hör' mal, das könnte mir nu nicht passieren -
Jette. Du meinst, weil Du keine hundert Taler hast, die Dir Einer ausführen könnte?
Juste. Nein, ich meine, weil ich ihn durch meine Liebenswürdigkeit gefesselt hätte -
Jette. Willst Du damit sagen, daß ich nicht liebenswürdig bin?
Juste. Nun ja, wenn er Dir untreu geworden ist -
Jette. Du sprichst ein jroßes Wort jelassen aus! Mit Dich messe ich mir doch noch alle Tage. Da wünsch' ich doch gleich, daß Dich Dein Musketier noch heute untreu wird.
Juste. Das solle er sich mal unterstehn. Doch wir verplaudern unnütz die Zeit, ich muß mir noch anziehn. Willst Du so lange warten?
Jette. Ja, wenn's nicht zu lange dauert.
Juste. Ich bin sogleich wieder da - (ab).
2. Szene.
Jette. Dann Purps.
Jette. Ich nich liebenswürdig? - und das sagt mir so'n Backfisch gerade in's Gesicht? - Aber, das kommt davon, weil so'ne Mächens keine Bildung haben. Wenn ich mir dagegen bedenke, mein Paraplui, mit dem ich mir überall bewege; man muß sich eigentlich jar nicht mit All und Jeden abgeben. (Es klopft.) Wer klopft denn da? Herein!
Purps (eintretend). Ihr Diener, mein Fräulein, - ist die Juste nicht da?
Jette. Ach so, Sie sind wohl derjenigte, auf den sie wartet?
Purps. Ja wohl, ich schmeichle mir - und wenn Sie auf mir warten täten, schmeichelte mir dies noch mehre sehre.
Jette. Ach, Sie schmeicheln. - Sie zieht sich an.
Purps. Das hätten Sie nun zum Beispiel nicht nötig -
Jette. Nicht nötig? - wie wollen Sie das verstanden wissen?
Purps. Weil Sie schon anziehend genug sind.
Jette (kokett). Kleuner Schöker! (schlägt ihm auf die Wange.)
Purps. Bitte, es ist ganz auf meiner Seite - (für sich.) Wirklich ein proppres Mädchen und reell.
Jette (für sich). Die Juste sagt, ich bin nicht liebenswürdig - jetzt werd' ich ihr das Jegenteil beweisen. (Laut.) Wohin werden Sie denn heut mit Gusten gehn?
Purps. Nach Moabit, denke ich - und Sie?
Jette. Ich werde wohl zu Hause bleiben müssen, weil mich ein Begleiter fehlt.
Purps (galant). Ach könnte ich doch Derjenigte sein, der Diejenigte begleitet, die vor mir steht.
Jette (schmachtend). Sie sprechen mich aus der Seele, aber was würde die Juste dazu sagen?
Purps. Das könnte mir von Rechtswegen egal sind, denn ich liebe sie eigentlich gar nicht mehr.
Jette. Warum denn nicht? Sie ist ja so'n nettes Mädchen. -
Purps. Aber Sie sind noch netterer.
Jette (seufzend). Das ist freilich wahr -
Purps. Und wie knauserig sie ist - denken Sie nur, letzten Sonntag hat sie mir nur für zehn Silbergroschen spendiert. Zigarren hab' ich mir sogar allein kaufen müssen -
Jette. Ich spendiere meinen Begleiter nie unter zwanzig Silbergroschen.
Purps (erstaunt). Zwanzig Silbergroschen?!
Jette. Zigarren nehme ich außerdem auch noch immer ein Viertel Jahrhundert mit.
Purps (wie oben). Außerdem noch immer mit?
Jette. Und was für welche? Keine Vierradner Bösewicht Nr. 0, ich nehme immer von meinem Herrn seine Besten, dem ich dafür Zweipfennig-Zigarren in seine Viertelkiste lege. -
Purps (entschieden). Mein Fräulein, erlauben Sie, daß ich Sie begleite -
Jette (für sich). Er beißt an - Da hast Du's Juste -
Purps. Nun, wollen Sie?
Jette. Mit Plaisirvergnügen - und wohin wünschen Sie eigentlich?
Purps. Bei (Name des Bräutigams) ist heute Polterabend, der Bediente ist ein guter Freund von mir, da wollen wir hin.
Jette. Zu - ? (Wiederholung des Namens) und da wollen Sie erst hin? - wie kommen Sie mich für - da sind wir ja schon -
Purps (sieht sich erstaunt um). Meiner Seele ja das hatte ich vor lauter Liebe gar nicht gesehn, - Dort sitzt ja auch mein (Name des Bräutigams) und seine schöne Braut daneben -
Jette. Also die sinds -
Na, das muß man sagen, das ist wahr,
Es ist doch ein ganz famoses Paar -
Wie ihre Herzen so brausen und pochen,
Als wollten vor Liebe sie überkochen.
Wahrhaftig, es ist ein Jefühl zu lieben,
Als wie in Romanen es steht beschrieben.
Wenn sie so flötet wie 'ne Nachtigall:
"Juten Morgen, jrundjütigster Jemahl," -
Und er d'rauf erwiedert mit zärtlichem Sinn:
"Hier bin ich, meine reizende Jeh-mal-hin!"
Purps.
Nanu genug - auch ich bin hier
Und freue mich und gratulier';
Und kurz und gut wüusch' ich Euch eben
Daß stets Ihr führt ein Taubenleben.
Daß nur die Liebe bei Euch thront,
Und die Kabale Euch verschont.
(Der Vorhang fällt.)
(Erscheinen Paar bei Paar als kleine Hochzeitsbitter in zierlicher Bauerntracht und sprechen zu dem Brautpaar.)
Erstes Kind.
Weil Ihr morgen Hochzeit macht,
Haben wir uns ausgedacht
Wenn es so von Euch gelitten
Wollten wir die Gäste bitten.
D'rum vergnügt, im raschen Lauf
Machten wir uns Alle auf,
Und wir kleinen Kameraden
Haben Gäste eingeladen,
Die, so hoffet jedes Kind,
Euch gewiß willkommen sind.
Zweites Kind.
In der Abenddämm'rungszeit
Ging ich zur Gemütlichkeit.
Und beim hellen Ofenschein
Lud ich sie zur Hochzeit ein:
O, komm mit! das ganze Haus
Schmück' Du ihnen festlich aus,
Mußt in allen Ecken walten
Und in allen Räumen schalten.
Bei dem Teetisch mußt Du sein,
Bei der Lampe hellem Schein,
Ja, auf Pfeif und Stiefelknecht
Hast Du gar ein gutes Recht.
Allenthalben, wo man ist,
Fühlt' man, daß Du nahe bist.
Drittes Kind.
Ich ging zur Gastlichkeit gerade ins Haus,
Und sagte: Willst Du mitgehn zum Hochzeitsschmaus?
Denn es ist so hübsch zu sehn,
Wo die Türen offen stehn,
Wo der Tisch so fein gedeckt,
Wo's den Leuten köstlich schmeckt,
Und ein freundliches Gesicht,
Immer zu den Gästen spricht:
Alle seid Ihr mir willkommen,
Hab' so gern Euch aufgenommen! -
Aber Armut auch und Not
Finde stets ihr Stücklein Brot,
Offne Tür und offnes Herz,
Trost und Mitgefühl im Schmerz!
Viertes Kind.
Ich sprach bei der Häuslichkeit ein
Und traf sie, wie immer, zu Haus,
Sie saß recht behaglich beim Lampenschein
Und besserte schneeweiße Wäsche aus.
Sie war auf mein Bitten sogleich bereit,
Und morgen kommt sie zur rechten Zeit.
Die haltet nur fest, denn bei jeglichem Schritt
Hat stets sie das Glück im Geleit.
Bringt überall Euch den Himmel mit
Und Frieden und heitere Zeit.
Sie fördert und schaffet mit fleißiger Hand
Und Niemand verscheucht sie, der je sie gekannt.
Fünftes Kind.
Genügsamkeit ist bekannt mit mir,
Da klopft' ich an ihre Stubentür,
Und fragte: Willst mit mir zur Hochzeit gehn?
Da sagte sie freundlich: ich danke schön!
Ich weiß es, daß dort ich willkommen bin,
Ich habe gar guten und freundlichen Sinn;
In Teller und Gläser, in Schrank und Schrein,
Da leg' ich das Beste von Allem hinein,
Und da, wo ich mit am Tische gegessen,
Da hat auch Zufriedenheit bei mir gesessen.
Sechstes Kind.
Ich kehrte schon gleich bei der Liebe ein
Und fragte: Willst mit bei der Hochzeit sein?
Sie lachte und sagte: Ihr kleinen Kam'raden,
Wie lange schon bin ich eingeladen,
Als damals der Bräut'gam das Jawort bekam,
Im Herzen schon tief er mich mit sich nahm.
Da bin ich geblieben bei ihm und bei ihr
Und niemals verlaß ich sie, glaubt es mir.
Da seht Ihr, ich habe schon Platz genommen,
Für dieses Mal seid Ihr zu spät gekommen.
Siebentes Kind.
Ich ging zu der Treue und lud sie ein,
Sie sagt, sie will mit bei der Trauung sein,
Sie möcht' gern der Liebe zur Seite gehn,
Als Brautjungfer mit am Altare stehn,
Dann zöge sie mit Euch für alle Zeit
Und bliebe auch bei Euch in Ewigkeit.
Doch bat sie mich freundlich, ich möchte Euch sagen,
Ihr solltet sie niemals von hinnen jagen,
Denn wenn sie verlassen Euer stilles Haus,
Dann sei es mit jeglicher Freude aus.
Achtes Kind.
Da habt Ihr es nun selbst vernommen,
Wie es mit Euren Gästen steht:
Sie wollen alle gerne kommen,
Wenn Ihr sie alle gerne seht.
O, öffnet ihnen Tür und Herzen,
Denn wo sie wohnen, weilt das Glück,
Wo sie entfliehn, da bleiben Schmerzen
Da bleibt nur bittres Weh zurück.
Und hat Euch unser Scherz gefallen,
So ladet uns als Gäste ein,
Ihr kriegt kein Körbchen von uns allen,
Wir stellen uns mit Freuden ein.