Silber-Hochzeitsrede
Es ist recht zu beklagen, daß Moses, der in seinen fünf Büchern doch gewiß manche interessante Enthüllung macht, darunter nicht einmal ein einziges Liebesgedichtchen Adams aufbewahrte, aus dem wir über die Liebe, wie sie im Anfange der Welt war, etwas abnehmen könnten. Etwas Großes und Erhabenes mag sie wohl gewesen sein, indessen nimmt sich Alles in thesi besser aus, als in praxi; und die sind gewiß in vollem Rechte, welche die Liebe zu einer Körper- und Seelenkrankheit herabwürdigen. Dafür zeugen die Liebhaber mit ihren vielfachen Gebrechen. Sie sind Schwärmer vor Lust und Wonne; geistesabwesend, da die Liebe den Verstand mit samt den Gedanken hinausjagt; mondsüchtig, sie seufzen nach Mondschein; gefühllos für alles außer der Geliebten; geschmacklos, es schmeckt ihnen nicht Essen und Trinken; stumm, wenn sie im Anschauen untergehen; taub gegen alle guten Lehren, vorzüglich aber blind gegen die Mängel ihres geliebten Täubchens. Wie segensreich ist daher die von Stadt und Kirche gebotene Einrichtung der Ehe. Die Ehe ist ja das sicherste Mittel gegen die Liebe, da mit ihr die Liebe enden soll.
Der Segen des Eheinstituts tritt noch in ein helleres Licht, wenn man die verschiedenen Arten von Ehen betrachtet: die Ehen können füglich eingeteilt werden in Schönheitsehen, Geldehen und Spekulationsehen.
Zuerst die Schönheitsehen. Das sind nicht etwa Ehen, in denen es schön ist, bewahre, das ist nur die Schönheit dabei, daß man eine Schönheit geheiratet hat. Die Schönheiten aber kosten Geld, denn sie wollen Staat machen. Der Ehemann ist in diesem Falle der Staatsgefangene, und wie man mit Recht behaupten kann: er ist schön angekommen.
Die Geldehen sind diejenigen, wo man nicht gefragt hat, "wie ist sie" sondern "wie viel wiegt sie." Es sind Verehelichungen mit dem Tausendschön und dem Tausendgüldenkraut, nicht die liebreichen, sondern die reichlieben Heiraten. Die Weiber gleichen nun einmal den Rosen: es gibt Wasserrosen, Weinrosen, Windrosen, Klatschrosen und Pappelrosen. Die gesuchtesten werden aber trotz aller Dornen stets die Moosrosen sein.
Die Spekulationsehen. Wie man durch einen "herzlichen guten Morgen," durch den Titel "Teuerster Freund" auf fünf Taler spekuliert, so spekuliert man auch mit Weibern. Die Weiber sind eben Waren. In der Kindheit sind sie Spielwaren, später werden sie Galanterie und Modewaren, dann Kunstwaren, wenn die Kunst der Natur nachhelfen muß, schließlich - alte Waren!
Daß in allen diesen Fällen die Ehe ihren Zweck erreicht, daß sie nämlich die Liebesnarrheit den Männern aus den Köpfen treibt, braucht wohl nicht näher auseinander gesetzt zu werden. Die reine menschliche Liebe tritt dabei in den Hintergrund und eine göttliche tritt an ihre Stelle; denn "Wen Gott lieb hat, den züchtigt er."
Freilich gibt's aber auch recht viele gesegnete und glückliche Ehen! Ja, wie noch gar manches Veilchen im Schatten des Grases blüht, und gar manche Perle im Sande des Meeres ruht, so lebt auch gar manche vom Silbertau des Himmels beträufelte Ehe im Verborgenen, und ein solches im Silbertau prangende Beispiel sehen wir hier an unserem teuren Silber-Jubelpaare. Möge es noch so glücklich und zufrieden mit einander wandeln, wenn längst der Silberkranz auf seinen Silberlocken sich zu Gold verwandelt! Das walte Gott!